10 3/2023 Archäologisch kann man darüber kaum etwas sagen, weil der Ehrwürdige Bezirk für Muslime wie für strenggläubige Juden unantastbar ist und keine Ausgrabungen zugelassen werden. Den Angaben des jüdischen Historikers Flavius Josephus über den Ersten Tempel wird man keine zu große Bedeutung beimessen wollen; schreibt er doch 650 Jahre nach der Zerstörung dieses Tempels. Anders ist es mit der Bibel, deren Texte zwar oft Früheres mit Späterem vermischen, aber doch einen alten Grundbestand erkennen lassen. Nach der Bibel begann der Tempelbau im vierten Jahr der Regierung Salomos (1Kön 6,1); das wäre etwa 960 v. Chr. Freilich widerspricht das der ebenfalls biblischen Aussage, schon König David habe im „Haus des HERRN“ gebetet (2Sam 12,20). Für den salomonischen Tempelbau wurde nicht nur Stein verwendet, sondern auch reichlich Holz aus dem Libanon, das der König von Tyrus lieferte (1Kön 5,15–25). Da ein Architekt aus Tyrus (1Kön 7,13–14) und Gebaliter (Handwerker aus Gebal, heute: Byblos im Libanon) herbeigeholt wurden, werden phönizische Vorstellungen und Muster, wie man sie aus Ausgrabungen kennt, keine geringe Rolle gespielt haben. Bei den Beschreibungen (1Kön 6,1–38; 7,13–51) bleibt manches im Dunkeln; gerade bei den Details muss man damit rechnen, dass sie teilweise spätere Veränderungen widerspiegeln. Mit großer Wahrscheinlichkeit war das Gebäude ein Langhaustempel mit einer Bodenfläche von 27x9 m und einer Höhe von 13,5 m. Davor gab es noch eine offene Vorhalle. Die überraschende Höhe des Bauwerks wird dadurch bestätigt, dass die Anbauten mit der Zeit dreistöckig wurden. Die verhältnismäßig geringe Bodenfläche erklärt sich daraus, dass ein Tempel nicht Versammlungsraum einer Gemeinde, sondern nur Wohnung des Götterbildes oder, wie in Jerusalem, der Bundeslade war. Die Bundeslade stand im innersten, völlig fensterlosen Raum, dem Allerheiligsten, was die Unanschaubarkeit Gottes, ein Grunddogma der Religion Israels, besonders unterstrich. Salomo sagte: „Der HERR hat gesagt, er werde im Wolkendunkel wohnen“ (1Kön 8,12). An das Allerheiligste schloss sich der doppelt so lange Hauptraum an; beide Räume waren ganz mit Zedernholz getäfelt. Ob alles von Anfang an so überreich vergoldet war, wie die Bibel berichtet – sogar der Fußboden (1Kön 6,30) – ist ungeklärt. Es fällt nämlich auf, dass zuerst nur von Zedernholz die Rede ist; die Nachricht von der reichen Vergoldung wirkt nachgetragen. Nach siebenjähriger Bauzeit war jedenfalls der Tempel vollendet und konnte eingeweiht werden. Er bestand bis zur Eroberung Jerusalems durch die Babylonier im Jahr 586 v. Chr. Die wichtigste und immer noch nicht endgültig entschiedene Frage aber ist, wo der Tempel eigentlich genau stand. Man möchte annehmen, dass der Tempel bzw. das Allerheiligste sich am höchsten Punkt des Geländes befand, dort wo heute der heilige Felsen vom „Felsendom“ überwölbt ist. Man hat aber auch vermutet, dass dort der Brandopferaltar gewesen sei, der Tempel ein wenig westlich davon. Eine Zeder auf dem Libanongebirge IM LAND DES HERRN
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