Im Land des Herrn | 77. Jahrgang | 2023 - 3

IM LAND DES HERRN 16 3/2023 christlich gewordenen byzantinischen Reich ließ man den heidnischen Tempel zerfallen, er diente nur noch zum Abbau von Baumaterial. Christen brauchten diesen Kultort nicht mehr und ließen ihn unbebaut, da an die Stelle der alten Opfer das Opfer Christi getreten ist: „Wir sind durch die Hingabe des Leibes Jesu Christi geheiligt – ein für alle Mal. Und jeder Priester steht Tag für Tag da, versieht seinen Dienst und bringt viele Male die gleichen Opfer dar, die doch niemals Sünden wegnehmen können. Dieser aber hat nur ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht und sich dann für immer zur Rechten Gottes gesetzt.“ (Hebr 10,10–12). Im Islam: Neues Interesse an dem Berg zeigten erst wieder die Muslime. Bereits Omar, der 638 n. Chr. Jerusalem einnahm, dürfte hier eine Art Moschee errichtet haben, vielleicht indem er die Halle Salomos restaurierte. Dies wurde der Grund, dass man ihm später die al-Aqsa-Moschee zuschrieb und sie fälschlich Omarmoschee nannte. Der Felsendom (arab. Qubbat as-Sahra) wurde 50 Jahr später, 687–691, von Kalif Abd al-Malik gebaut. Al-Muqaddasi, ein arabischer Geograph des 10. Jahrhundert, erklärt das so: Als Abd al-Malik die riesige und imposante Kuppel der Grabeskirche sah, fürchtete er, dass sie die Herzen der Muslime in ihren Bann ziehen werde. Deshalb errichtete er die Kuppel, die wir auf dem Felsen sehen. Auch politische Erwägungen mögen mitgespielt haben. So berichtet der schiitische Geschichtsschreiber al-Jaqubi im Jahr 874, Abd al-Malik hätte ein Gegengewicht zu Mekka und Medina schaffen wollen. Diese These wird verschiedentlich bis heute aufgegriffen, häufig in anti-muslimischer Polemik. Wie auch immer, Abd al-Malik nahm die jüdisch-christliche Heiligkeit Jerusalems bewusst für den Islam in Anspruch. Er ließ über dem heiligen Felsen Abrahams ein prächtiges Kuppelheiligtum bauen. Es versteht sich von selbst, dass die zumeist einheimischen Architekten, Künstler und Handwerker byzantinische Bauformen aufgriffen. Der Felsendom ist in seinen vollkommenen Formen und Proportionen ein Höhepunkt sakraler Architektur, und er ist nicht zuletzt weltweit der älteste erhaltene islamische Sakralbau. Abd al-Malik vergaß freilich nicht, die christliche Lehre deutlich zu korrigieren und die Christen zurechtzuweisen. In einer dem Koran (Sure 4) entsprechenden Inschrift heißt es: Ihr Leute des Buches: Übertretet nicht die Schranken euerer Religion und sagt bezüglich Gott nichts als die Wahrheit. Der Messias Jesus, der Sohn der Maria, ist nur der Gesandte Gottes und sein Wort, das er der Maria entboten hat, und Geist von ihm … Darum glaubt an Gott und seine Gesandten und sagt nicht: Drei. Hört auf! Das ist besser für euch. Gott ist nur ein einziger Gott. Gepriesen sei er. Er ist darüber erhaben, ein Kind zu haben. Jerusalem erhält den Ehrentitel al-Quds, „die Heilige“, obwohl es genau genommen im Koran nicht erwähnt Felsen im Mittelpunkt des Felsendomes

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