IM LAND DES HERRN 20 3/2023 hüttenfestes hinauf nach Jerusalem gezogen war“ (Bell II, 19,1). Auch dass Jesus schon vor dem dreizehnten Lebensjahr in den Wallfahrtsbrauch eingeübt wird, ist nicht ungewöhnlich. Nach der Auffassung des strengeren Rabbi Schammai soll ein Knabe nach Jerusalem mitgenommen werden, sobald er auf den Schultern des Vaters „hinaufreiten“ kann, nach der Schule des liberaleren Rabbi Hillel dagegen erst dann, wenn er an der Hand des Vaters selbst zum Tempel hinaufsteigen kann. Der Pilgerweg Nach Angabe von Flavius Josephus hatten die Pilger aus Galiläa die Gewohnheit „wenn sie zu den Festen in die Heilige Stadt zogen, den Weg durch das Land der Samariter zu nehmen“ (Ant XX 6,1). Diese Route, die dem Höhenzug des westjordanischen Gebirges folgt, ist nicht nur die kürzeste, sondern auch die sicherste, weil sie stets durch bewohntes Gebiet führt. So ist man gegen Räuberbanden geschützt und findet leicht Verpflegung und Übernachtungsmöglichkeiten. Auch ist dieser Höhenweg klimatisch weitaus günstiger als etwa der Weg durch den östlich gelegenen Jordangraben mit seinen mörderisch heißen Temperaturen. Eine Schwierigkeit freilich muss man dabei in Kauf nehmen: man kommt mit den Samaritern in Berührung, und zwischen ihnen und den Juden besteht seit Jahrhunderten eine tiefsitzende Feindschaft. Hier sei nur auf eine Erfahrung Jesu verwiesen, die uns Lukas überliefert hat: „Als sich die Tage erfüllten... fasste Jesus den festen Entschluss, nach Jerusalem zu gehen. Und er schickte Boten vor sich her. Diese gingen und kamen in ein Dorf der Samariter und wollten eine Unterkunft für ihn besorgen. Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war.“ Die Apostel Jakobus und Johannes reagierten darauf „typisch jüdisch“, indem sie Jesus fragten: „Herr, sollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie verzehrt?“– Jesus, der nicht im herkömmlichen Feindschema dachte, wies sie zurecht und zog ohne viel Aufhebens in ein anderes Dorf (vgl. Lk 9,51–56). In der Reisegruppe Maria und Josef meinten – heißt es bei Lukas 2,44 –, „er sei in der Pilgergruppe...“ – Diese beiläufige Bemerkung wird von anderen Quellen bestätigt. Man reiste zur Zeit Jesu innerhalb Palästinas vorwiegend in Reisegesellschaften oder Karawanen. Das war notwendig, um sich besser gegen Wegelagerer wehren zu können. Die Pilger wurden nämlich gern von Straßenräubern überfallen, weil man wusste, dass sie Geld bei sich hatten, um in Jerusalem Einkäufe zu erledigen und im Tempel die vorgeschriebenen Ab- gaben zu entrichten. Je größer eine Gruppe war, desto langsamer kam sie in der Regel voran. Die meisten gingen zu Fuß, manche hatten einen Esel als Reittier (nur ganz wenige Reiche konnten sich einen Reisewagen leisten). Darstellung einer Karawane im Nationalpark Avdad
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