Im Land des Herrn | 77. Jahrgang | 2023 - 3

3/2023 21 Die Tagesleistung einer Pilgergruppe war unter anderem vom Klima abhängig. In den heißen Sommermonaten, wo man nur in den kühlen Morgen- und Abendstunden unterwegs sein konnte, musste man sich mit zehn bis fünfzehn Kilometer pro Tag zufriedengeben. Eine Reisegesellschaft zum Paschafest, das im klimatisch günstigen Frühjahr lag, mochte (mit Frauen und Kindern im Gefolge) auf eine Tagesleistung von rund dreißig Kilometer kommen. Die von Lukas erwähnte Pilgergruppe aus Nazaret (das von Jerusalem ca. 130 km entfernt ist) musste also mindestens vier Tage angestrengt wandern (mit drei Übernachtungen), um in die Heilige Stadt zu gelangen. Da die Straßen steinig und staubig waren und die primitiven Herbergen zur Wallfahrtszeit die vielen Pilger kaum fassen konnten (man schätzt für die Zeit Jesu die ständige Einwohnerzahl Jerusalems auf 25.000 bis 30.000; die Zahl der herbeiströmenden Festpilger aber auf 85.000 bis 125.000), war eine Wallfahrt zum Tempel mit vielen Mühseligkeiten und Strapazen verbunden. Trotzdem scheinen die Wallfahrer von einer heiteren Stimmung erfüllt gewesen zu sein. Darauf deuten jedenfalls bestimmte Psalmverse hin, in denen der Beter dankbar bekennt: „Ich will in einer Schar einherziehen. Ich will in ihr zum Haus Gottes schreiten, im Schall von Jubel und Dank in festlich wogender Menge“ (Ps 42,5); oder an anderer Stelle: „Ich freute mich, als man mir sagte: zum Haus des Herrn wollen wir pilgern“ (Ps 122,1). Übrigens hat sich im „Buch der Psalmen“ eine ganze Reihe von Dichtungen erhalten, die ausdrücklich als „Wallfahrtslieder“ gekennzeichnet sind (Psalmen 120 bis 134). Wer sie aufmerksam liest, mag noch heute etwas von der Frömmigkeit und Freude spüren, von denen die damaligen Pilger ergriffen wurden, je mehr sie sich dem Ziel ihrer Reise näherten. Auf Quartiersuche Natürlicherweise steuern die Pilger zunächst den Tempel an, den sie in ihren Wallfahrtsliedern ausgiebig besungen haben. Unter „Flötenspiel... mit Pauken und Zithern“ zieht man hinauf „zum Berg des Herrn, zu Israels Felsen“ (Jes 30,29.32b). Während die Pilger das große Lob aus den Psalmen 113 bis 118 anstimmen, antwortet ihnen aus dem Inneren des Tempelbezirks der Chor der Priester mit den Schlussversen von Psalm 118: „Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn. Wir segnen euch vom Haus des Herrn her … Tanzt den Festreigen mit Zweigen bis zu den Hörner des Altars.“ Erst nach dem Tempelbesuch begibt man sich in die Stadt, die von Gästen aus aller Herren Länder wimmelt, um ein Quartier für die nächsten Tage Alltag zur Zeit Jesu Alltag zur Zeit Jesu Psalm 122, Poster Im „Bibelhaus Frankfurt“

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