3/2023 23 Arbeit zu keiner Zeit durch ungünstige Witterung behindert gewesen sei. Das Werk vieler Jahrzehnte Bei der Einweihung war der Tempel freilich noch lange nicht fertiggestellt. Es dauerte z. B. weitere acht Jahre, bis die Umfassungsmauern, die Hallen und Höfe alle vollendet waren. Insgesamt wurde fünfundachtzig Jahre an dem gewaltigen Werk gearbeitet. In einer Streitrede, in der Jesus von seinem Leib als vom „Tempel“ spricht, den er „in drei Tagen wieder aufrichten werde“, halten ihm die Juden entgegen: „Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut, und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten?“ (Joh 2,20). Wenn dieser Vorwurf historisch zu datieren ist, müsste er im Jahr 26 (oder 27) n. Chr. erhoben worden sein. Endgültig abgeschlossen wurde der Tempelbau erst unter dem römischen Landpfleger Albinus (62–64 n. Chr.) Wie schon angedeutet, war man in der ganzen damaligen Welt voller Bewunderung für dieses Bauwerk. In der Tat bot es sich den ankommenden Besuchern eindrucksvoll dar. Schon von weitem konnte man die prächtige Anlage sehen, die wie ein schneebedeckter Hügel in leuchtendem Glanz erstrahlte. Die Einzigartigkeit dieses Schauspiels veranlasste einen Rabbiner in Babylon zu der (später viel zitierten) Bemerkung: „Wer den Tempel des Herodes nicht gesehen hat, hat niemals ein wirklich schönes Bauwerk kennen gelernt.“ Freilich war es nicht nur der äußere Glanz, der den Tempel für einen frommen Juden zur „Freude der ganzen Erde“ machte (Ps 48,3), sondern der Glaube, dass hier die „Wohnung Gottes“ war, die Stätte der göttlichen Gegenwart. Auch wenn man sich mit König Salomo bewusst war, dass die Himmel Gott nicht zu fassen vermögen, „wieviel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe“ (1 Kön 8,27), so empfanden doch viele wie die Beter von Psalm 84: „Ja, besser ist ein einziger Tag in deinen Höfen als tausend andere“ (Ps 84,11). Tragisch ist, dass dieses Bauwerk von höchstem künstlerischen und religiösen Rang nur ganze fünf Jahre nach seiner Vollendung bestand. Dann wurde es im Jahre 70 n. Chr. von den Soldaten des römischen Feldherrn Titus dem Erdboden gleichgemacht. Der Tempelplatz Schauen wir uns den Jerusalemer Tempel, wie wir ihn aus Rekonstruktionen kennen, näher an: Die Besu- Herodianische Quader im Unterbau des Tempelplatzes Alltag zur Zeit Jesu Alltag zur Zeit Jesu
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