Im Land des Herrn | 77. Jahrgang | 2023 - 3

3/2023 5 Nicht für die Schule, sondern fürs Leben ... rfahrungsgemäß freuen sich Schüler, wenn die Schule ausfällt und es einen freien Tag oder ein paar freie Stunden gibt. Das ist zwar nicht ganz logisch, weil wir nach einem alten Grundsatz für das Leben lernen und nicht für die Schule, und der versäumte Lernstoff muss früher oder später doch nachgeholt werden. Aber verdeutlicht wird dadurch, dass Lernen und Lehren oft Mühe bereiten. Beides erfordert Anstrengung; innere Widerstände müssen überwunden werden; es bedarf, kurz gesagt, einer entsprechenden Motivation. Gute Lehrer bemühen sich deshalb darum, ihren Unterricht möglichst attraktiv zu gestalten. Aber äußere Anreize nützen auf Dauer nichts, wenn es nicht gelingt, den Schülern überzeugend zu vermitteln, warum das, was sie lernen sollen, für sie hilfreich und wichtig ist. Schulbetrieb in Israel Lehrer und Schüler gab es auch schon im alten Israel. Die Lehrer werden gewöhnlich als „Weisheitslehrer“ bezeichnet, und manches von dem, was sie in der Schule weitergaben, ist uns in den Weisheitsbüchern der Bibel erhalten geblieben. Das beginnt mit einfachen Sprichwörtern, die alltägliche Lebensklugheit einzufangen suchen. „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ zum Beispiel, oder „Hochmut kommt vor dem Fall“ oder „Der Mensch denkt, Gott lenkt“ – solche immer noch beliebten Aussprüche begegnen alle schon im Buch der Sprüche im Alten Testament (vgl. Spr 26,27; 16,18; 16,9). Schritt um Schritt geht es weiter mit dem Vermitteln von Lesen und Schreiben, von allgemeiner Bildung. Die Unterweisung in bestimmten Fertigkeiten, die jemand etwa als Schreiber am Königshof braucht, schließt sich an, und zuletzt kommen wir zur Erklärung und Auslegung des Willens Gottes, wie er sich im Gesetz des Volkes Israels und in seinem Schrifttum niedergeschlagen hat. Probleme mit der Motivation Auch Israels Weisheitslehrer mussten die Erfahrung machen, dass ihr Angebot nicht immer auf den entsprechenden Widerhall stieß. Andere Möglichkeiten des Zeitvertreibs schienen ver- lockender, konkurrierende Bildungsangebote wurden bevorzugt, die menschliche Trägheit schob sich störend dazwischen. Also suchten sie nach Wegen, wie sie ihre Zuhörer besser motivieren, wie sie für ihr Anliegen werben konnten. Ein Ergebnis dieses Bemühens liegt uns im Buch der Sprüche vor. Weisheit ist an sich ja ein Abstraktbegriff. Hier aber wird uns die Weisheit als Person vor Augen gestellt, sicher nicht zufällig auch als Frau, wir dürfen annehmen: als schöne und anziehende Frau. Sie ist zudem augenscheinlich sehr begütert und führt ein großes Haus. Sie besitzt Viehherden und verfügt über einen Weinkeller. In ihren Diensten stehen Mägde, die sie aussenden kann, um die Leute herbeizurufen. Das nämlich ist der springende Punkt: Frau Weisheit lädt die Menschen in ihr prächtiges Haus ein, zu einem festlichen Mahl, und wer wollte einer solchen Einladung nicht Folge leisten? Dass es dabei um mehr geht als um Essen und Trinken, zeigen die deutenden Formulierungen, die in die knappe Erzählung eingebaut sind. Eingeladen werden alle, die noch unerfahren oder unwissend sind. Die Aufforderung, beim Mahl zuzugreifen und vom Mischwein zu trinken, verbindet Frau Weisheit mit einem Appell: Ihre Gäste sollen von der Torheit ablassen und sich auf den Weg der Einsicht begeben. Was im Haus der Weisheit bei ihrem Mahl eigentlich genossen wird, liegt damit auf der Hand: Bildungsgut und Bildungswissen, das zu einem besseren Leben verhilft. Das Gegenbild wird gleich mitgeliefert. Im selben Kapitel des Buchs der Sprüche lädt auch Frau Torheit zum Mahl in ihr Haus ein, und auch sie richtet sich speziell an die Unerfahrenen und Unwissenden. Aber wir ahnen schon, dass dabei nichts Gutes herauskommen kann. Auf den ersSchule Schule E

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