Im Land des Herrn | 77. Jahrgang | 2023 - 3

6 3/2023 IM LAND DES HERRN ten Blick wirkt ihre Einladung noch verführerischer, aber auf Dauer führt sie zum Untergang des Menschen. Die Weisheit als Mittlerin Dass hier Werbung für die Weisheitsschule, für das jüdische Lehrhaus, getrieben wird, dürfte deutlich geworden sein. Wir könnten nun fragen: Ist das nicht etwas zu wenig für einen biblischen Text? Nicht unbedingt, wäre dem entgegenzuhalten. Man kann es durchaus positiv sehen, wenn auch die Weitergabe von lebenspraktischem Wissen und die Einübung in die Lebenskunst als religiöses Anliegen herausgestellt werden. Aber wir müssen in der Tat, um das Gesagte in seiner ganzen Tragweite zu überblicken, im Buch der Sprüche ein wenig zurückblättern. In Kapitel 8 erfahren wir nämlich, dass Frau Weisheit sich schon bei der Schöpfung in Gottes Nähe aufhielt, dass sie, damals noch ein Kind, vor ihm spielte, und dass es ihre Freude war, bei den Menschen zu sein (Spr 8,22–31). Diese Weisheit können wir näher definieren als die den Menschen zugewandte Seite Gottes. Sie verkörpert das, was Gott selbst seiner Schöpfung eingestiftet hat. Sie verkörpert jene Grundordnung der Welt, die Gottes Willen entspricht und die den Menschen zu einem Grundvertrauen ins Dasein befähigt. Dadurch rückt die Weisheit in die Position einer Mittlergestalt zwischen dem fernen Gott und den Menschen auf Erden ein, und was sie vor allem vermittelt, ist Gottes Menschenfreundlichkeit. Gottes Weisung will dem Menschen dabei helfen, sein Leben so zu gestalten, dass es gelingt „Sieben Säulen der Weisheit“, Fels-Formation im Wadi Rum, Jordanien, so benannt nach T.E. Lawrence gleichnamigen Buch (1926) © Igor Hollmann

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