Franziskanische Zeitschrift für das Heilige Land 77. Jahrgang 2023 / Heft 4
s fällt mir dieses Mal sehr schwer, ein Vorwort zur diesjährigen letzten Ausgabe unserer Zeitschrift zu schreiben: die momentane fürchterliche Situation im Heiligen Land macht mich sprachlos und darum will ich mich in diesem Vorwort sehr kurz fassen. Sicher, es gäbe viel zu sagen und zu schreiben, aber die Situation bei Redaktionsschluss kann sich in wenigen Tagen wieder völlig verändert haben. Dazu kommt, dass momentan auch in den Medien ein Kampf um jeden Kommentar und jede Meinung tobt. Darum möchte ich ein Zitat von Papst Pius XII. vom 24. August 1939 hier an den Anfang stellen: „Nichts ist mit dem Frieden verloren, aber alles kann mit dem Krieg verloren sein“. Einige Artikel unserer Zeitschrift sind trotzdem recht aktuell: die Insel Zypern gehört für uns zum Heiligen Land, einmal durch ihre Geschichte und zum anderen dadurch, dass sie immer schon eine verbindende Funktion zwischen Europa und dem Orient hatte. Die katholischen Christen der Insel gehören zur Diözese Jerusalem und auch für sie ist es eine große Freude, dass „ihr Bischof“ zum Kardinal ernannt wurde. Die kirchlich-religiösen Verhältnisse auf Sehr verehrte Leserinnen und Leser, liebe Freunde des Heiligen Landes! der Insel haben sich auch auf Grund der Migrationsbewegung der letzten Jahre rasant verändert und davon möchte ich Ihnen in zwei Artikeln berichten. Ein längerer Artikel befasst sich mit dem „New Imperial Hotel“ am Jaffa-Tor in Jerusalem. Ich freue mich, dass mit diesem Artikel etwas Licht in die verworrene Entwicklung dieses bekannten Komplexes kommt. Einen besonderen Dank dem Autor, der hier akribisch geforscht und recherchiert hat. Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit. Und es gibt keinen Frieden ohne Versöhnung. Im Moment ist das Heilige Land sehr weit davon entfernt. Wir deutschsprachigen Kommissare tun unser Möglichstes, auch materiell zu helfen. Bitte helfen Sie uns dabei und bitte helfen Sie den Franziskanern und allen friedliebenden Menschen, für die Heimat Jesu zu beten. Ich grüße Sie im Namen der deutschsprachigen Kommissare des Heiligen Landes, E
4/2023 3 Inhalt Religiöser Rat Zyperns Zyperns römische Katholiken in der Geschichte Petrus Schüler Einblicke in die aktuelle Situation der Katholiken auf Zypern Petrus Schüler Das East New Imperial Hotel in Jerusalem und seine Geschichte Ruben Schenzle Bibelhaus Erlebnis-Museum (BIMU) Frankfurt Petrus Schüler Das Heilige Grab im Kloster Schöntal Petrus Schüler Lateinischer Patriarch von Jerusalem ist Kardinal Petrus Schüler Dor und Kreuzfahrerfestung Cafarlet Heinrich Fürst/Gregor Geiger Das Heilig-Land-Museum stellt palästinensischen Brautschmuck aus Petrus Schüler Das Heilige Grab in der Wallfahrtskirche zum Heiligen Kreuz in Leutesdorf Petrus Schüler Titelbild: Reliquien der Krippe in S. Maggiore Rom Rückseite: Der neue Päpstliche Nuntius von Zypern und Jordanien mit Vertretern der anderen Religionsgemeinschaften im Garten des Klosters in Nikosia Alle Fotos in der Zeitschrift (wenn nicht anders angegeben) © Petrus Schüler Seite 8 Seite 27 Seite 28 Seite 4 Seite 19 Seite 37 Seite 31 Seite 35 Seite 33
4 4/2023 Religiöser Rat Zyperns Zyperns römische Katholiken in der Geschichte Ehemalige Nikolaus-Kathedrale in der Altstadt von Famagusta, heute eine Moschee s gibt eine lange Verbindung zwischen Zypern und seinen römischen Katholiken (meistens zypriotische Katholiken mit europäischen Wurzeln), die im Jahre 1126 beginnt, als Kaufleute aus Venedig und Genua sich auf der Insel ansiedelten. Im Jahre 1192 setzt sich diese Entwicklung fort, als der Titularkönig von Jerusalem, Guy de Lusignan, die Insel vom Kreuzfahrerkönig Richard Löwenherz erworben hatte. In seinem Bestreben ein feudales Reich europäischen Zuschnitts zu errichten, lud der neue Herr der Insel Bürger und Adel, Soldaten und Ritter ein, sich auf Zypern anzusiedeln. In der Folge kam es zu einer großen Siedlungsbewegung von römischen Katholiken. E
4/2023 5 Herrschaft der „Franken“ und der Venezianer Im Jahre 1196 wurde ein erzbischöflicher Stuhl in Nikosia errichtet, dem die Bischofssitze von Famagusta, Limassol und Paphos zugeordnet wurden. Ein direktes Ergebnis davon war, dass sich in der Zeit der Franken und Venezianer, also 1192–1489 und von 1489–1570, eine Reihe von Orden ansiedelten: Augustiner, Benediktiner, Dominikaner, Karthäuser, Karmeliten, Zisterzienser, Prämonstratenser (Gründer der Abtei Bellapais) wie auch die Ritterorden, die in der Folge für die innere Sicherheit der Insel zuständig waren und ihren Sitz in Kolossi in der „Großen Kommanderie“ hatten. Der bekannte zypriotische Wein „Koumandaria“ kam aus den Weinbergen von Kolossi. Während dieser Zeit kamen Tausende von Katholiken, die dann etwa 15–20 % der Gesamtbevölkerung ausmachten. Doch ihr Einfluss war noch wesentlich stärker, was darauf zurückzuführen ist, dass es sich vor allem um die Oberklasse der Inselbevölkerung handelte. Die katholischen Laien kamen vor allem aus Aragonien, Florenz, Venedig, Genua, Neapel, Pisa, von Syrien und aus der Toskana. Es kamen auch wohlhabende katholische Armenier. Mit dem Fall von Akko im Jahre 1291 wurde Zypern zur Bastion des westlichen Christentums, zum Handelszentrum mit der Levante und sehr wahrscheinlich auch zum reichsten Land Europas. Zeit der Ottomanen Nach der Eroberung der Insel durch die Ottomanen in den Jahren 1570–1571 wurden tausende von Katholiken massakriert oder ausgewiesen. Viele gingen weg, zum Beispiel nach Rhodos, Malta oder in den Libanon, während viele katholische Kirchen in Moscheen umgewandelt wurden. Die katholische Kirche wurde von den neuen Machthabern förmlich aufgelöst, während die autokephale griechisch-orthodoxe Kirche von Zypern die einzige anerkannte und repräsentative Kirche der Insel wurde. Die wenigen verbliebenen römischen Katholiken hatten die Wahl, entweder zum Islam überzutreten oder griechischorthodox zu werden. Einige wählten einen dritten Weg, sie wurden „linovamvaki“, Geheimchristen. Die Legenden berichten auch davon, dass Venezianer und Lusignaner sich lange in den Gebirgen Troodos und Pentadaktypos und auf der Halbinsel Cappasi versteckt gehalten hätten und die beim Anbruch der britischen Herrschaft wieder in die Gesellschaft zurückkehrten. Auch wenn der Großteil der katholischen Gläubigen nicht mehr auf der Insel ansässig war, ist es doch den Franziskanern gelungen, im Jahre 1596 in Nikosia den Konvent „S.Croce“ zu gründen und in Larnaka das Kloster „Unsere Liebe Frau der Gnaden“. Diese beiden Konvente beherbergten auch Pilger und Kaufleute. In dieser Zeit entstand so anfänglich aus Venezianern eine kleine Gemeinschaft von Katholiken, denn die „Serenissima“ hatte mit den Ottomanen einen Friedensvertrag abgeschlossen. Zum Wachsen dieser Gemeinschaft trugen dann auch die Konsulate bei. Im 17. Jahrhundert wurde die katholische Gemeinschaft verstärkt durch die Ankunft von Kapuzinern, von katholischen Armeniern und von unierten Griechen. Im Jahre 1646 wurde das Kloster S. Croce in Nikosia mit angeschlossener Schule „Terra Santa“ gegründet, der ältesten bis heute bestehenden Schule des Landes. Im 18. und 19. Jahrhundert wuchs die Gemeinschaft dank Kaufleuten, Medizinern, Bankleuten und Landbesitzern aus Frankreich, Italien, Spanien, Österreich, Malta und der Levante, die sich gern in Larnaca im „Franken-Viertel“ ansiedelte. Im Jahre 1844 gründeten die gerade neu entstandenen „Schwestern des Hl. Josef von der Erscheinung“ ihr Kloster mit dem ersten Krankenhaus und der ersten Apotheke der Insel. Die Schwestern gründeten auch die Schule „St. Josef“, die erste Mädchenschule der Insel, wo während der folgenden 145 Jahren ihres Bestehens Tausende Schülerinnen aus allen Teilen der Insel unterrichtet wurden. Auch in Limassol wuchs die Anzahl der Katholiken, und im Jahre 1850 wurde der dritte Franziskaner-Konvent gegründet, gefolgt vom Bau der Religiöser Rat Zyperns Religiöser Rat Zyperns
6 4/2023 IM LAND DES HERRN Pfarrkirche St. Katharina im Jahre 1872. So kann man davon ausgehen, dass es in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Gemeinde von ca. 400 bis 600 Katholiken gab, die hauptsächlich in Larnaka, aber auch in Nikosia und Limassol lebten. Britische Herrschaft Als die Briten im Juli 1878 auf die Insel kamen, entstand ein Klima der religiösen Toleranz und effektiver Verwaltung, welche gute Auswirkungen auf die Lebensbedingungen und den Wohlstand der verbliebenen Katholiken hatte. Beim Zusammentreten des „Ersten Staatsrates“ (1879–1882) war der katholische Landbesitzer Mattei gemeinsam mit einem griechisch-orthodoxen Vertreter und einem Moslem dabei. In den ersten Jahrzehnten der britischen Regierung wuchs die Gemeinschaft dank der Ankunft von Maltesern, Spaniern und nun auch von Briten. Viele Maroniten, die ihre Dörfer verließen um in der Stadt zu leben, nahmen den katholischen Ritus an. In dieser Zeit traten viele Katholiken in den staatlichen Dienst, wurden Geschäftsleute und Bankiers, und so wurde die katholische Gemeinschaft ein integraler Teil der zypriotischen Gesellschaft. Zeit der Unabhängigkeit Als im Jahre 1960 die Unabhängigkeit des Landes ausgerufen wurde, kennzeichnete das einen neuen Abschnitt im Leben der katholischen Kirche des Landes. Gewählte (Laien-)Vertreter waren Mitglied im Parlament des Landes. Mit der türkischen Invasion im Jahre 1974 wurde die katholische Gemeinschaft der Insel schwer getroffen: 30 Familien aus dem heute nordzypriotischen Teil der Insel mussten fliehen, der Konvent und die Schule in Famagusta wurden geschlossen und zwei andere Kapellen mussten aufgegeben werden. Der katholische Friedhof von Nikosia ist seit 1974 nicht mehr erreichbar, da er im Grenzgebiet liegt. Doch trotz dieser Verluste wuchsen mit dem zahlenmäßigen Wachstum der Gemeinschaft auch die Aufgaben und Betätigungsfelder der katholischen Kirche, sei es auf kulturellem oder sozialen Gebiet wie auch im Bereich der Schulbildung. In den letzten 30-35 Jahren hat sich das Angesicht der katholischen Gemeinschaft der Insel wiederum stark verändert: der Zuzug von europäischen, asiatischen, lateinamerikanischen und besonders in den letzten Jahren afrikanischen Gläubigen hat die Gemeinden sehr stark wachsen lassen. Besonders erfreulich ist dabei der Fakt, dass im türkischen Nordteil der Insel in den letzten Jahren vier neue Gottesdienststationen entstanden sind. Die kirchlichen Strukturen auf Zypern Das im Jahre 1196 gegründete Erzbistum Zypern mit Sitz in Nikosia bestand während der gesamMittelalterliches Fundstück mit der Darstellung eines Franziskaners in der St. Elisabeth-Kapelle in Kyrenia
4/2023 7 ten fränkischen und venezianischen Epoche bis 1570. Während dieser Zeit waren auf der Insel die verschiedensten Orden ansässig, die über großen Grundstücksbesitz und viele Klöster verfügten. Mit der türkisch-ottomanischen Vereinnahmung des Landes wurde jedoch allein die Griechischorthodoxe Kirche des Landes offiziell angesehen. So verkleinerte sich die katholische Kirche des Landes auf die wenigen verbliebenen Franziskaner und für eine kurze Zeit auch Kapuziner. Ab dem Jahr 1847 gibt es dann auf der Insel immer einen Apostolischen Vikar („Generalvikar“), der dem Lateinischen Patriarchat von Jerusalem unterstellt ist und im Franziskanerkloster Nikosia seinen Sitz hat. Um den neuen Aufgaben der schnell wachsenden Kirche auf Zypern besser gerecht werden zu können, hat der jetzige Apostolische Vikar, der auch ein Franziskaner ist, seinen Sitz wenige Meter vom Kloster entfernt in einem eigenen Gebäude. Die Kirchengebäude der Katholiken In der zypriotischen Hauptstadt Nikosia befindet sich die Kirche „Heiliges Kreuz“ mit dem Franziskanerkloster im Zentrum der Stadt beim Paphos-Tor und zugleich in der Waffenstillstandslinie. Das heißt zwar, dass die Kirche nur von einer kleinen Straße aus erreicht werden kann. Trotzdem liegt die Kirche für die Gläubigen sehr zentral und ist gut von überall aus erreichbar. Das Kircheninnere stammt aus den Jahren 1900–1902 und ist somit das liturgische und pastorale Zentrum der Katholiken. Die beiden Schulen verfügen ebenfalls jeweils über eine geräumige Kapelle. In Larnaka befindet sich die älteste Kirche des Landes: „Unsere Frau der Gnaden“. Die momentane Kirche wurde in den Jahren 1842–1848 errichtet und zeigt sich im neobarocken Stil mit imposanter Kuppel. Die Kirche gehört zum Komplex vom modernen Klosterbau und dem angrenzenden Altenheim der Schwestern. Eine kleine katholische Kapelle befindet sich zusätzlich auf dem katholischen Friedhof der Stadt. Die dritte katholische Kirche befindet sich wieder mit dem dazugehörigen Kloster in Limassol. Die Lage von Kirche und Kloster ist spektakulär: Inmitten der modernen Hotelbauten an der Strandpromenade der Stadt erhebt sich die Doppelturmfassade der Kirche „St. Katherina“; ist das Hauptportal während der Gottesdienste geöffnet, hat der Priester förmlich das Meer vor sich. Eine besondere Situation bietet sich in Paphos; dort gibt es zwei Priester der Gemeinschaft „Verbo incarnado“ die sich um die an sich wenigen Gläubigen aus 40 verschiedenen Nationen kümmern. Wenn im Sommerhalbjahr Paphos förmlich von Touristen überschwemmt wird, wächst die kleine Gemeinde um ein Vielfaches an. Die griechisch-orthodoxe Kirche hat den Chrysopolitissa-Kirchen-Komplex an Anglikaner und Katholiken zur Verfügung gestellt, ein Komplex aus verschiedenen Bauten zur Erinnerung an das Wirken des Völkerapostels auf der Insel. Leicht veränderte Version von „I Cattolici di Rito Latino di Cipro“, Übersetzung Petrus Schüler Ansicht der Kirche in Limassol vom Meer her Religiöser Rat Zyperns Religiöser Rat Zyperns
8 4/2023 Einblicke in die aktuelle Situation der Katholiken auf Zypern Petrus Schüler m vorausgegangenen Artikel haben wir uns mit der Geschichte der Katholiken auf Zypern beschäftigt. In diesem Artikel wollen wir den Lesern die Möglichkeit geben, ganz aktuell etwas über die Arbeit der Franziskaner der Kustodie des Heiligen Landes zu erfahren. Zum besseren Verständnis schauen wir auf die angefügte Landkarte: Zypern ist in zwei Landesteile geteilt: der 1960 entstandene Staat wurde schon 1974 mit der Besetzung des Nordteiles der Insel durch die Türkei in zwei Länder aufgeteilt und 1983 wurde die „Türkische Republik Nordzypern“ ausgerufen, was von der Weltgemeinschaft nie anerkannt wurde. Der Einfachheit halber soll im Artikel kurz vom „griechischen Teil der Insel“ und von „Nordzypern“ gesprochen werden. Ohne näher auf den Zypernkonflikt einzugehen, muss man wissen, dass die 1974 einsetzende Fluchtbewegung aus dem Norden das Gesicht der Insel radikal geändert hat. Das betrifft auch die christliche Bevölkerung: heute schätzt man, dass im Nordteil nur noch 500 „einheimische“ Christen wohnen: einige wenige kleine maronitische Dörfer haben sich erhalten können. Es gibt katholische Arbeitsmigranten, aber die werden vom Zensus nicht erfasst. Fährt man durch den Nordteil, fallen in den jetzt von Türken besiedelten Dörfern sofort die Ruinen Die Insel Zypern I
4/2023 9 von Kirchenbauten auf. Ungefähr 130 Kirchen und Klöster wurden entweiht und teilweise in Moscheen oder Hotels umgewandelt oder verfielen zusehends. Auch unser Hauptkloster der Insel befindet sich in der „Puffer-Zone“ zwischen den beiden Teilen der Stadt. Im Süden der Insel dagegen wuchsen besonders die vormals kleinen Städte zu großen Siedlungsgebieten an. Eine Konsequenz dieser Entwicklung war, dass auch in kleineren Ortschaften, die vorher nur über eine griechisch-orthodoxe Bevölkerung verfügten, Katholiken ansässig wurden und einige Kapellen gegründet wurden, die aber im Laufe der Zeit nicht mehr benötig wurden, weil die zunehmende Mobilität der Menschen dazu führte, dass sich im Süden der Insel die bisher schon bestehenden Pfarreien der Franziskaner vergrößerten und eine neue Kaplanei in Paphos entstand. Eine wichtige Rolle spielt die große und älteste Schule der Insel: das „Terra Santa College“ in Nikosia. Schon 1646 gegründet, wurde das Schulgebäude 1956 aus dem Bereich der Altstadt hinaus in die modernen Wohngebiete in das Gebiet der „Akropolis“ verlegt, wo es sich bis heute befindet und von den Mitbrüdern vom Hauptkonvent „Holy Cross“ („Heiliges Kreuz“) betreut und geleitet wird. Momentan sind es 740 Kinder, die vom Kindergartenalter bis zum Abitur dort für das Leben vorbereitet werden. Für uns ungewöhnlich mag die neueste Entwicklung sein, dass schon Kinder ab drei Monaten aufgenommen werden – ein Erfordernis der städtischen Lebensweise. Die Unterrichtssprache ist natürlich Griechisch, aber eine große Rolle spielt seit jeher Englisch, geschichtlich durch die britische Mandatszeit bedingt. Und natürlich kommt auch heute dem Englischen auf einer Insel mitten im Mittelmeer eine große Rolle zu. Ein besonderer Akzent kam durch die Franziskaner mit der italienischen Sprache hinzu: es gibt eine enge Zusammenarbeit mit italienischen Bildungseinrichtungen. So finden die Absolventen der Schule leicht Zugang zu zypriotischen und griechischen Universitäten und zusätzlich gibt ihnen der Abschluss die Möglichkeit, auch in Italien zu studieren. Natürlich handelt es sich um eine private katholische Schule, aber ein großer Teil der Schüler sind entweder griechisch-orthodox, armenisch oder maronitisch und bekommen auch entsprechenden Religionsunterricht von den jeweiligen Religionsvertretern. Der zypriotische Staat unterstützt die Schule in sehr großzügiger Weise, ebenso die Kustodie des Heiligen Landes als Eigentümer. Für uns ist es vielleicht ungewöhnlich, aber die Schule verfügt über eine gut frequentierte Kapelle, in der bis vor Kurzem auch eine Sonntagsmesse der Pfarrei angeboten wurde. Leider ist das nicht mehr möglich; im Folgenden soll besonders von den neuen Herausforderungen für die Kirche auf Zypern berichtet werden. Wie auf der Landkarte ersichtlich, war die pastorale Betreuung der Katholiken jeweils von den Klöstern in den drei Städten Nikosia, Larnaka und Limassol aus organisiert. In allen drei Orten gibt es sehr aktive Pfarreien. Wie schon im vorhergehenden Artikel beschrieben wurde, sind Kinder im Terra Santa College Nikosia Vor einem Checkpoint in der Innenstadt von Nikosia Katholiken auf Zypern Katholiken auf Zypern
10 4/2023 das Gemeinden die aus Zyprioten und schon immer auch aus „Ausländern“ bestehen: wobei diese „Ausländer“ teilweise schon Jahrhunderte auf der Insel leben. Das Verbindende ist natürlich unser Glaube und die griechische Sprache. In jedem dieser Orte wird wenigstens eine Heilige Messe in Griechisch gefeiert und die Brüder sind gut vorbereitet für diesen Dienst, indem sie die Landessprache meist gut beherrschen. Es kamen in den letzten Jahrzehnten viele Gläubige aus anderen Ländern hinzu, so gab und gibt es große Gruppen von Lateinamerikanern, Polen und Asiaten. Diesen neu hinzugekommenen Gläubigen und ihren speziellen Bedürfnissen konnten die Franziskaner der Heilig-Land- Kustodie besonders gut dienen, denn die Mitbrüder, die alle ihre Ausbildung und Prägung in Jerusalem erhalten haben, kommen ja auch aus den verschiedensten Ländern der Erde. Doch anders als wir es aus den muttersprachlichen Gemeinden in den deutschsprachigen Ländern kennen, integrieren sich diese Gruppen völlig in die Pfarrarbeit und tragen sie auch zu einem großen Teil. Das möchte ich den Lesern mit einem ganz konkreten Beispiel verdeutlichen: jedes Jahr in der Fastenzeit gibt es einen großen „Pfarrausflug“ oder besser eine „Pfarrwallfahrt“ in das (griechisch-orthodoxe) Hauptheiligtum der Insel, nach Kykkos im Troodos-Gebirge. Es ist eine „bunte“ Gruppe die sich mit Bussen auf den Weg macht und mit dabei sind alle verfügbaren Mitbrüder. Ich hatte das Glück, einmal dabei zu sein und dann zu verstehen, warum das so ist: an einem großen Waldparkplatz wird Rast gemacht und dann werden Gruppen eingeteilt: das mitgebrachte Essen wird von einer Gruppe vorbereitet. Eine andere Gruppe singt und betet, um alle auf die hl. Beichte vorzubereiten, die unsere Brüder in den verschiedensten Sprachen abnehmen. Ein provisorischer Altar wird vorbereitet und die Eucharistie gefeiert. Anschließend wird „Brotzeit“ gemacht und natürlich kann man dann von den verschiedensten exotischen Speisen probieren, denn alle wollen ja auch etwas von ihrer Esskultur zeigen. Dabei werden Kontakte gemacht, Informationen ausgetauscht („Wer hat einen Kühlschrank abzugeben?“ „Könnt ihr mithelfen beim Kirche putzen?“), kurzum: es passiert mehr, als bei unseren verkopften Sitzungen und Planungen. Anschließend geht es zu Fuß weiter hinauf zum Heiligtum und es wird gemeinsam der Kreuzweg gebetet. In der Kirche vor der Ikone der Muttergottes wird es dann für eine Stunde still, wenn jeder in seinen Anliegen betet und die Möglichkeit hat, die Ikone zu verehren. Die in der Kirche Dienst tuenden orthodoxen Mönche haben überhaupt keine Probleme, uns „Lateinern“ Auskünfte zu geben, uns einzeln zu segnen, Kerzen zu reichen. Auf der Rückfahrt geht es dann lockerer zu, bis die Busse dann wieder die Stadt Nikosia erreichen. Ich konnte erleben, wie sich eine junge asiatische Frau beim Aussteigen von allen mit vielen Tränen verabschiedet hat, weil sie in ihr Heimatland zurückkehren wollte. Da ist mir klar geworden, dass ihr die Pfarrgemeinschaft für einige Jahre zur „Heimat“ geworden ist. Osterfeierlichkeiten in Nikosia Am Anfang der Heiligen Woche steht die Figur des Lazarus, wie uns das Johannes-Evangelium im elften Kapitel berichtet: die Auferweckung des Lazarus ist der Beginn der Passions-Erzählungen des Neuen Testamentes. Wie in einem großen Präludium wird mit dieser Perikope die Passion und Auferstehung Jesu gedeutet und am Ende, wenn es heißt: „Aber einige von ihnen gingen zu den Pharisäern und sagten ihnen, was Beichte auf dem Weg nach Kykkos IM LAND DES HERRN
4/2023 11 er getan hat“ (Joh 11,46), beginnen die dramatischen Ereignisse in der Stadt Jerusalem. Lazarus wird noch einmal ausdrücklich genannt, wenn der Evangelist im nächsten Kapitel von der Salbung in Betanien berichtet: „ Sechs Tage vor dem Paschafest kam Jesus nach Betanien, wo Lazarus war, den er von den Toten auferweckt hatte“ (Joh. 12,1). Die Liturgie der Heiligen Woche in Jerusalem nimmt diese Chronologie der Ereignisse auf, wenn am Samstag vor dem Palmsonntag am Morgen in Betfage am Ölberg der „LazarusSamstag“ gefeiert wird: die Franziskaner – und mit ihnen die Gläubigen – versammeln sich und erinnern sich am gleichen Ort, an dem am nächsten Tag viele tausend Christen die Palmprozession beginnen, an den Beginn der Passion Jesu. Der „Lazarus-Samstag“ wird auch von den orthodoxen Kirchen gefeiert, und das besonders eindrücklich auf Zypern, war doch derselbe Lazarus nach der Überlieferung der erste Bischof von Larnaka, eingesetzt von Paulus und Barnabas. Schon früher haben wir in unserer Zeitschrift ausführlich von der Verehrung des Lazarus auf Zypern berichtet. Darum in aller Kürze: Wer die Stadt Larnaka besucht, wird überrascht sein, dass viele Straßen, Organisationen, Restaurants und mehr seinen Namen tragen. In der Hauptkirche im Zentrum der Stadt findet die Krypta mit dem Grabmal des Lazarus Geschmückter Hauptplatz mit der Lazarus-Kirche in Larnaka, rechts einer der Magnolienbäume Katholiken auf Zypern Katholiken auf Zypern
12 4/2023 Verehrung seinen Höhepunkt, denn unter der Kirche befindet sich sein hochverehrtes Grab, wie im Bild auf Seite 11 zu sehen ist. Am Samstag vor dem Palmsonntag wird die Auferweckung des Lazarus in Larnaka in einem uralten „Spiel“ in Szene gesetzt: nachdem eine Ikone des Heiligen verehrt wurde, steigt man hinab in die Krypta und entzündet unzählige Kerzen auf dem (leeren) Sarkophag. Danach begeben sich Volk und Klerus in Prozession unter Trauergesängen aus der Kirche hinaus in einen großen Saal, wo der „hübscheste und cleverste Junge der Stadt“ in einem Meer von Palmzweigen, Zweigen des blühenden Granatapfelbaumes und Zweigen von Magnolien, die um die Kirche als Bäume einen festlichen Rahmen geben, wie Lazarus im Grabe liegt. Ein Priester singt die Passage des Evangeliums von der Erweckung des Lazarus bis er mit erhobener Stimme ruft: „Nachdem er dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!“ (Joh. 11,43) und in diesem Moment springt der Junge auf, drei anwesende Priester berühren seine Stirn mit einem Kreuz und besprengen ihn mit Weihwasser, während die anwesenden Gläubigen „Lazarus ist auferstanden“ rufen, beginnt ein Freudenfest mit Gesängen, mit Geigen, Flöten und traditionellen Gesängen. Es werden Obst und Süßigkeiten verteilt und die lokale Besonderheit ist ein Stück Weizengebäck in Form eines kleinen Mannes. (Wer das strenge Fasten der orthodoxen Christen kennt, versteht wie außergewöhnlich dieses süße Brot vor Ostern ist. Ich möchte hier einschieben: natürlich bekommt man auch in der Fastenzeit in den Städten Zyperns auch Kuchen und Gebäck, aber schon wenn man als Gast ein Kaffeehaus in dörflichen Gegenden der Insel besucht, fehlt der Zucker zum frisch aufgebrühten Kaffee.) Nach diesem „inszenierten Evangelium“ zieht eine Gruppe Kinder mit einem Priester von Tür zu Tür, singen ein Lazarus-Lied und werden dafür mit Eiern und Geld belohnt – so etwa wie es in manchen Gegenden im deutschsprachigen Raum ist, wenn Buben nach dem „Ratschen“ in den Kar-Tagen von Haus zu Haus gehen und Eier und Geschenke sammeln. Die folgenden Tage der Karwoche begehen die orthodoxen Christen des Landes ähnlich wie bei uns eher still, bis das österliche Triduum einsetzt. Ich möchte die Leser nun mitnehmen zur Feier des Gründonnerstages in der maronitischen Kirche des Landes, konkret in Nikosia. Maroniten, also Christen die aus dem Libanon stammen, gibt es schon seit langer Zeit auf der Insel, besonders im Norden gab es bis zur türkischen Besetzung gänzlich von Maroniten bewohnte Ortschaften. Nur wenige Schritte von unserem Hauptkloster in Nikosia entfernt, steht die (moderne) Kathedrale des maronitischen Bischofs. Die Liturgiesprache war bisher arabisch. In den letzten Jahren hat sich hier ein entschiedener Wandel vollzogen: natürlich werden die Gottesdienste weiter in Arabisch gefeiert, aber parallel gibt es jetzt auch griechisch-spraFußwaschung in der maronitischen Kirche Nikosia IM LAND DES HERRN „Dialog des Petrus“ bei der Fußwaschung
4/2023 13 chige Gottesdiente. Am Gründonnerstag stehen in der orthodoxen Kirche die Fußwaschung und Einsetzung der Eucharistie im Mittelpunkt der Liturgien, dazu kommt in der Orthodoxie noch die Erinnerung an das „Hohepriesterliche Gebet“ und der Verrat des Judas. Die maronitische Liturgie des Gründonnerstages ist der unsrigen Liturgie ganz ähnlich: Fußwaschung Eucharistie. Am Nachmittag des Gründonnerstages versammeln sich die Gläubigen der maronitischen Gemeinschaft in der Kirche und der (arabische) Gottesdienst beginnt mit der Fußwaschung an zwölf Kindern. Aber es sind eigentlich nur elf Kinder und ein erwachsener Mann. Ich konnte beobachten, wie die Kinder natürlich mit dem arabischen Textbuch völlig überfordert waren, denn sie wachsen ja in einer griechisch-sprachigen Gesellschaft heran. Aber denken wir daran: auch unsere Liturgie war ja bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil in Latein dem einfachen Gläubigen schwer verständlich. Jedoch ist das Geschehen sehr eindrücklich: An je drei Kindern wird die Fußwaschung vollzogen, dann setzt wieder ein Gebetsteil ein, bis man zur letzten Person kommt, dem erwachsenen Mann. Der Priester liest bzw. singt aus dem Abschnitt des JohannesEvangeliums, wo es heißt: „Als er zu Simon Petrus kam, sagte dieser zu ihm…“ worauf der Mann, der Petrus darstellt, erwidert: „…Du Herr willst mir die Füße waschen?“ So setzt sich dieser Dialog fort, wie uns das Evangelium des Johannes im 13. Kapitel berichtet. Und ganz ähnlich unserer Liturgie wird nach der Fußwaschung die Heilige Messe fortgesetzt. Kommen wir nun wieder zurück zu unserer Pfarrei in der nur wenige Meter entfernten Kirche „S. Croce“ – „Zum Heiligen Kreuz“ in Nikosia: am Abend des Gründonnerstages „platzt die Kirche aus allen Nähten“ wenn an zwölf erwachsenen Männern die Fußwaschung vollzogen wird. Der „moderne“ europäische Christ mag einwenden: „Nur an Männern? Ist das nicht veraltet, gibt es da keine ansprechenderen Formen?“ Nun, die „Stunde der Frauen“ ist gekommen, wenn am Ende der Feier das Allerheiligste in Prozession in einem Seitenaltar deponiert wird. Schon den ganzen Tag haben Frauen aus der Pfarrei Blumen, Teppiche, Kerzen arrangiert und bilden ein Spalier für die Prozession. Niemand fühlt sich ausgeschlossen, alle haben ihren Platz und ihre Aufgabe. Ich möchte anfügen, dass es eine Gruppe von vor allem asiatischen Frauen gibt, die „Ordnungsdienste“ in der Kirche versehen: auch bei den normalen Sonntagsgottesdiensten sind sie an Umhängen zu erkennen, wenn sie zum Beispiel die zahlreichen Gläubigen zum Empfang der Hl. Kommunion führen. Bei der „Großen Passion“ am Karfreitag machen sie es wie man es von Bodyguards kennt: sie fassen sich bei den Händen und bilden so Ketten, um für Ordnung zu sorgen. Und ich kann den Lesern versichern, dass das sehr, sehr effektiv ist! Wehe dem, der versucht, sich durchzudrängeln um einen besseren Platz zu bekommen! Liturgie der Fußwaschung in der Hl. Kreuz Kirche Nikosia Passion am Karfreitag Katholiken auf Zypern Katholiken auf Zypern
IM LAND DES HERRN 14 4/2023 Am Karfreitag steht das Kreuz des Herrn im Mittelpunkt der (sehr langen) orthodoxen Liturgie, es werden zwölf Evangelien gesungen und wenn es die Antiphon „Heute wurde er ans Kreuz gehängt …“ erklingt, wird ähnlich wie in unserer Liturgie ein Kreuz in Prozession in die Mitte der Kirche getragen und verehrt. In Nikosias Innenstadt gibt es eine Hauptstraße, eine sehr touristisch geprägte Meile, die zum Checkpoint führt, zum Grenzübergang in den türkischen Teil der Stadt. Am Abend ist diese Straße übervoll von ganz in schwarz gekleideten Gläubigen, die an einer Prozession mit einer liegenden Ikone des toten Christus teilnehmen: die dumpfen Klänge von Trommeln werden von Trauermärschen der Blasmusik unterbrochen. Am Morgen des Karfreitags sind die Mitbrüder mit Beichthören beschäftigt, im Garten des Klosters aber sind vor allem die lateinamerikanischen und asiatischen Gläubigen eifrig dabei, die letzten Vorbereitungen zur „Großen Passion“ zu treffen: eine Heiliges Grab wird aufgebaut, der Chor übt, die Gewänder werden vorbereitet: am Nachmittag wird die Passion ähnlich unserer „Passionsspiele“ inszeniert: von der Verurteilung Jesu bis zur Grablegung. „Textbuch“ ist allein das Evangelium – jetzt in Englisch, damit alle dem Geschehen folgen können. Die Gläubigen gehen von Station zu Station, ein Chor singt das Lied „Via dolorosa“. Hier wird deutlich, dass die Franziskaner immer Rücksicht auf die verschiedenen Traditionen nehmen und versuchen, alle einzubinden. An dieser Stelle wird es Zeit, über einen weiteren, ganz neuen Aspekt der Seelsorge auf der Insel Zypern zu berichten, über die religiöse Situation im Nordteil der Insel. Neue Herausforderungen Wie schon am Anfang erwähnt, ist die Zahl der Christen im türkischen Nordteil der Insel verschwindend gering. Die Präsenz der katholischen Kirche beschränkte sich allein auf den Ort Kyrenia (türkisch: Girne). In dieser schönen Hafenstadt gibt es eine kleine, der heiligen Elisabeth geweihte Kapelle, die von Engländern gegründet wurde, die dort gern ihren Sommerurlaub verbrachten. Einen katholischen Priester gab es nicht, also hat sich jeden Sonntag ein Franziskaner mit dem Auto auf den Weg nach Kyrenia gemacht, um 12 Uhr mittags den Gottesdienst in der Kapelle zu feiern. Das war die einzige Heilige Messe auf der ganzen Insel, und so kamen in den letzten Jahrzehnten immer schon katholische Gastarbeiter dort zusammen, so dass die Kapelle mit ca. 60 Plätzen lange schon zu klein war. Vor ungefähr zehn Jahren erschienen auf einmal zu dieser Messe einige junge Afrikaner. Sie berichteten unseren Patres, dass in Famagusta, der Hauptstadt des Nordteiles einige hundert afrikanische Studenten aus verschiedenen afrikanischen Ländern an der Universität studieren, gefördert durch Stipendien des nordzypriotischen Staates. Sie konnten herausfinden, dass es diese Gelegenheit zur Messe in Kyrenia gibt und versuchten, dorthin zu kommen. Nicht einfach zu bewerkstelligen im Nordteil der Insel, wo man sich gern sehr europäisch geben will und es daher am Sonntag keine öffentlichen Verkehrsverbindungen gibt. Und wer nimmt schon afrikanische Anhalter mit? Trotzdem ließen sich einige Studenten nicht davon abbringen, am Sonntag nach Kyrenia zu „trampen“. Bald fragten sie unsere Mitbrüder, ob es nicht möglich sei, auch einen Gottesdienst in Famagusta zu haben. Das war unseren Mitbrüdern dort praktisch nicht möglich, denn in allen unseren Klöstern auf Zypern gibt es an allen Sonntagen in allen Heiligen Messen so viele Gläubige, dass man einfach auf keinen Gottesdienst verzichten kann. Schließlich fand man eine Lösung: in Famagusta hat die Universität den Christen ein altes Kinogebäude zur Verfügung gestellt, wo Gottesdienst gefeiert werden kann. Man einigte sich darauf, dass der Pater, welcher den Gottesdienst in Kyrenia feiert, danach nach Famagusta fährt, um dort den Studenten Gelegenheit zu geben, am Sonntagsgottesdienst teilzunehmen. Man konnte damit noch nicht ahnen, dass damit ein neues Kapitel der katholischen Kirche in Nordzypern einsetzte.
4/2023 15 Sonntagsgottesdienst in Famagusta Wir sind in Europa gewöhnt, „dass die Kirche alles organisiert“, so ist das auch in Zypern! Nur dass „Kirche“ hier nicht die organisierten Strukturen meint: Kirche ist Gemeinschaft der Gläubigen und es ist der Heilige Geist der sie antreibt. Einige Male bin ich mitgefahren zum Gottesdienst im Nordteil der Insel. Im Kyrenia langen die Plätze in der Kapelle schon lange nicht mehr, man hat einen Holzaufbau vor der Kapelle geschaffen, ähnlich eines Zeltes, so dass jetzt 250 Leute Platz finden. Und dieser Platz wird benötigt! Die ehrwürdige Kapelle musste auch im Inneren verbessert werden und mein Vorgänger als Kommissar des Heiligen Landes, P. Werner Mertens, besorgte eine ansprechende Holzfigur der heiligen Elisabeth, die jetzt die Kapelle schmückt (Elisabeth ist eine franziskanische Heilige und auch sie, aus Ungarn gebürtig, hat ihr Leben in einem ihr anfangs fremden Land verbracht). Nach dem Gottesdienst ist auch immer „vor dem Gottesdienst“: man trifft sich, plant nächste Aktivitäten, Gruppen bleiben zusammen zum Gebet, fast immer gibt es Taufen, denn schließlich ist es eine junge Gemeinschaft (ich war eigentlich immer der mit Abstand älteste Kirchenbesucher). Dann bleibt für den Pater auch nicht mehr viel Zeit, man fährt eine gute Stunde, um nach Famagusta zu kommen und irgendwo auf dem Weg dorthin muss man etwas zum Essen finden. In Famagusta am alten Kino angekommen, braucht der Priester den Gottesdienst nicht weiter vorzubereiten, das besorgen die Studenten selbst: es gibt eine Musikband und einen Chor, die englische und afrikanische Gesänge vorbereiKatholiken auf Zypern Katholiken auf Zypern Einige der Bandmitglieder bei der Vorbereitung des Gottesdienstes in Famagusta
IM LAND DES HERRN 16 4/2023 ten, andere übernehmen die Sakristeidienste: die Kapelle dient auch anderen Gruppen zum Gottesdienst; da wird erst der „lutherische Altar“ entfernt, eine Madonna darf nicht fehlen und natürlich Blumen! Auf einer großen Leinwand werden die Gesänge angezeigt und vorher die Warnungen, unbedingt die Mobiltelefone auszuschalten. Zwei Studenten stehen an der Tür; wer zu spät kommt, kann nicht einfach den Raum betreten, während die Heilige Messe schon angefangen hat! Da muss man schon warten bis zum Beispiel die Lesung zu Ende ist. Ich habe nie unter 100 Personen gesehen, die den Gottesdienst besucht haben und meist war ich der einzige „Weiße“. Am Ende des Gottesdienstes geht man auch nicht sofort auseinander, da wird gefragt, wer denn zum ersten Male hier ist. Und dass man unbedingt am nächsten Sonntag wiederkommen soll, denn schließlich kommt der Pater extra für uns aus dem griechischen Teil. Aber am besten gleich am nächsten Freitag kommen, da wird der Kreuzweg gebetet. Und einmal im Monat wird ein kleiner Wagen reingeschoben mit einer riesigen Torte (vom Typ her immer eine riesigeTorte, mit der man einen Diabetiker umbringen kann): wer hatte Geburtstag in diesem Monat – der muss die Torte anschneiden. Mir war es immer etwas peinlich, wenn dann auch erklärt wurde: wir haben einen Pater aus Jerusalem hier! „Oooooooo!“ Es ist scheinbar eine afrikanische Tradition, dass die Mitbrüder dann auch immer etwas für den Konvent mitbekommen: meist Eier. Kyrenia und Famagusta waren die beiden ersten Kaplaneien, die von Nikosia aus betreut wurden, im Laufe der Zeit kamen Lefke und Lefkosa hinzu, wie in der Karte ersichtlich. Lefkosa ist nichts anderes als der türkische Name für den Nordteil der Stadt Nikosia und dort sind es auch wieder Studenten, die um die Hilfe der Brüder angefragt haben. Für uns als Europäer ist es sehr einfach, am Checkpoint zu Fuß in den türkischen Teil der Stadt zu gelangen. Für die afrikanischen Studenten dagegen ist diese Grenze schwer zu überwinden, denn in den letzten Jahren setzt im türkischen Teil der Insel eine gewisse Islamisierung ein, die der Staat Türkei vorantreibt. Dazu gehört, dass gezielt über den Nordteil der Insel moslemische Migranten ins Land geschleust werden, Muslime beim Gebet in der ehemaligen Hagia Sofia in Lefkosa, jetzt Moschee
4/2023 17 die im griechischen Teil nicht besonders gern gesehen sind. Daher ist es der zypriotische Staat, der sehr genau hinsieht, wer ins Land kommen will. Die alteingesessenen moslemischen Zyprioten waren nie besonders religiös, und das soll sich jetzt nach türkischem Willen ändern. Im Bild ist ein Freitagsgebet in der Hauptmoschee in Lefkosa zu sehen: in der ehemaligen christlichen Kathedrale sind es nur eine Handvoll Männer, die zum Gebet kommen. Mittlerweile sieht man besonders am Stadtrand große Moscheen im Bau. Auch die Beziehungen zum Christentum sind geschichtlich sehr entspannt. So können Sie auf dem hinteren Umschlagbild einen Empfang zur Begrüßung des Päpstlichen Nuntius sehen, an dem selbstverständlich auch der Imam von Nikosia teilnimmt. Wir können nur hoffen, dass dieses religiöse Gleichgewicht bestehen bleibt. Die Entstehung der neuen Gemeinden im Nordteil der Insel trägt jetzt schon seine Früchte: einige der afrikanischen Studenten, die aus ihren Heimatländern keine Franziskaner kannten, haben um Aufnahme in unseren Orden gebeten und sind mittlerweile Mitglieder der Kustodie des Heiligen Landes und auch teilweise schon im Theologie-Studium. Und was die Kaplaneien (Gottesdienstorte) im Nordteil der Insel angeht, konnte ich vom Kommissariat München aus mit Hilfe Ihrer Spenden einiges helfen: werden in Deutschland Klöster aufgelöst, dann weiß man oft nicht, was man mit Gewändern, alten Kelchen oder anderer Kirchenausstattung anfangen soll. Diese Dinge schicken wir nach vorheriger Renovation nach Zypern, wo sie dringend benötigt werden und hochwillkommen sind. Ein weiteres Arbeitsfeld für die Brüder ist die Seelsorge an Urlaubern. Vor allem die kleine Gemeinde in Paphos ist vor allem eine „sommerliche Gemeinde“, denn die wenigen ortsansässigen Katholiken (die Gläubigen stammen aus 40 verschiedenen Nationen) werden im Sommer von vielen Urlaubern bereichert. Unsere Mitbrüder werden an diesem Ort von zwei Priestern der Bild der Kirche des Heiligen Paulus in Paphos Katholiken auf Zypern Katholiken auf Zypern
IM LAND DES HERRN 18 4/2023 in Argentinien gegründeten neuen Gemeinschaft „Verbo incarnado“ unterstützt. Die historisch bedeutsame „Paulus-Gedächtnis-Kirche“ befindet sich nahe den riesigen Ausgrabungsfeldern der Stadt und liegt somit sehr zentral. Das Kirchengebäude wurde von der griechisch-orthodoxen Kirche an die anderen christlichen Kirchen zur Nutzung übergeben, aber da Lutheraner und Anglikaner ihre Kirchen ja nicht so stark frequentieren, wird die Kirche heute eigentlich schon als katholische Kirche angesehen und das Lateinische Patriarchat errichtete ganz in der Nähe ein kleines Pfarrzentrum. Einen besonderen Klang speziell für nordeuropäische Ohren hat der Name „Agia Napa“, eine vor allem von Schweden und Engländern bevölkerte Kleinstadt, wenig südlich von Famagusta im griechischen Teil der Insel gelegen. Das einstige Fischerdorf hat sich nach der türkischen Besetzung des Nordteiles der Insel zu einem touristischen Highlight entwickelt – allerdings ein Tourismus in der Art wie man ihn von Mallorca kennt. Kilometerlange Strandmeilen mit Restaurants, Clubs, Geschäften und vielem mehr prägen das Gesicht des Ortes, der einstmals ein kleines, unbedeutendes Fischerdorf war. Im historischen Ortskern gibt es zwar ein Klostergebäude („Kreuzfahrergotik“), welches aber schon seit Jahren wegen Renovierung geschlossen ist. Aber selbst hier haben die Franziskaner eine „Sommergemeinde“: in einem der zahlreichen Hotels wird die Heilige Messe gefeiert. Die Kustodie des Heiligen Landes kann in diesem Landesteil keinen neuen Konvent errichten, aber es gibt schon Verhandlungen mit der griechisch-orthodoxen Kirche, bei denen es um die Übergabe einer Kirche geht. In der nächsten Ausgabe unserer Zeitschrift werde ich Ihnen noch einige andere Facetten der Insel aufzeigen, besonders was die christliche Geschichte und die enge Verbindung mit dem Heiligen Land angeht. Verwendete Literatur The Franciscans in Cyprus, Edizioni Terra Santa Milano 2010 Pascha Easter in Cyprus, Father Filotheos, Akritas publishers, Athen 1992 Dieser Artikel wurde uns freundlicher Weise zur Verfügung gestellt von israel & palästina – Zeitschrift für Dialog 1-2023. Der Autor ist Islamwissenschaftler und Autor und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin tätig. Ostergrab in der Marienkirche Agia Napa
4/2023 19 Das East New Imperial Hotel in Jerusalem und seine Geschichte Ruben Schenzle ersetzen wir uns ins Jerusalem des 19. Jahrhunderts, als das Hotel in der Altstadt erbaut wurde. Durch eine Vielzahl unterschiedlicher Quellen, z. B. Reiseberichte europäischer Pilger zu den Heiligen Stätten Jerusalems, kann dies ein spannendes und vielfältiges Unterfangen sein. Die neu eröffnete Eisenbahnlinie verbesserte die Reisebedingungen der Pilger nach Jerusalem ungemein. Deren Weg führte sie normalerweise von Europa mit dem Schiff zum Hafen in Jaffa. Von Jaffa aus folgte nach Jerusalem eine Reise mit einer Kamelkarawane. Der Zugverkehr hingegen verkürzte die Reisezeit auf drei bis vier Stunden. Als auch der Handel in den 80er Jahren zu florieren begann, kam es zu großen Veränderungen am Jaffator, das zum zentralen Punkt der Stadt wurde. Unter anderem gehörte dazu der Bau von Geschäften und des GRAND NEW HOTELS, dem heutigen New Imperial Hotel. Das wachsende Interesse und der Einfluss Europas in Jerusalem lassen sich an der wachsenden Zahl von Pilgerhospizen in und um die Altstadt erkennen. Das Neue Tor wurde extra für das Französische Hospiz geöffnet. Auch andere Länder errichteten und betrieben Gästehäuser, um ihren Pilgern eine angemessene Unterkunft zu bieten. So baute Russland 1863 im außerhalb der Altstadt gelegenen russischen Viertel ein Hospiz, das später die russisch-orthodoxe Kirchenmission wurde, im selben Jahr öffneten das Österreichische Hospiz und das Paulushaus, 1908 das Deutsche Hospiz. Eine weitere wichtige Akteurin war die griechisch-orthodoxe Kirche. Diese war bereits vor Ort etabliert und verfügt bis heute über einen der größten Landbesitze in Jerusalem und der ganzen Gegend. Der größte Teil der einheimischen arabischchristlichen Bevölkerung gehörte der griechisch-orthodoxen Kirche an. Durch die Zuwendungen ihrer Mitglieder wuchs die Zahl der kirchlichen Besitztümer im Laufe der Jahrhunderte. Mit diesem Wissen mag es nicht verwundern, dass gerade die griechisch-orthodoxe Kirche zwischen 1884 und 1889 das luxuriöseste V Ansicht des Weges vom Jaffa-Tor in Richtung Bahnhof, aus „Gartenlaube“ 1893 © Raynald Wagner
IM LAND DES HERRN 20 4/2023 Hotel an einem Platz ersten Ranges errichtete: das Grand New Hotel am Jaffator. Ursprünglich war das Hotel zweistöckig gebaut. Das Erdgeschoß wurde an Handwerksbetriebe und Handelsunternehmen vermietet. Wie bereits erwähnt, florierte die Gegend um das Jaffator im ausgehenden 19. Jahrhundert. Der Grundriss des New Imperial Hotels ist einzigartig in der Altstadt. Vier Arkaden führten zu einem zentralen Hof. In diesen Arkaden wurden orientalische Waren und touristische Souvenirs angeboten. Das machte das Hotel zur modernsten und attraktivsten Einkaufspassage der damaligen Zeit. Die Architektur des Gebäudes wirkt sehr majestätisch und recht europäisch: Hohe, große Fenster, Balkone an der Vorderseite, der Haupteingang mit neoklassizistischen Säulen, die jeweils ein kleines Satteldach tragen, wirken repräsentativ. Bevor das zweite Stockwerk um 1897 aufgesetzt wurde, befand sich über dem roten Ziegeldach eine hölzerne Sonnenterrasse. Während der Bauarbeiten wurde an dieser Stelle eine Säule aus der Römerzeit ausgegraben. Eine Inschrift weist darauf hin, dass es sich um einen römischen Armeestützpunkt der zehnten Legion gehandelt hat. Die Familie Dajani Seit 1948 wird das Hotel von der Familie Dajani geführt. Die Geschichte der Familie lässt sich über 700 Jahre zurückverfolgen. Ihre Ursprünge liegen auf der arabischen Halbinsel. Damals zogen Teile der Familie nach Spanien und kämpften dort auf Seiten der christlichen Reconquista in Andalusien. Aus diesem Zweig ging Ahmed Dajani (1495–1561) hervor, der sowohl Scheich in Marokko als auch zu einem bedeutenden Sufi-Führer wurde. Wegen seiner besonderen Verdienste ernannte ihn der osmanische Sultan während einer Pilgerreise nach Jerusalem zum Verwalter des Davidsgrabes. Die Erinnerung an diese Anfänge wird von der Familie bis in die Gegenwart gepflegt. Heute existieren viele Familienlinien, die über Nordafrika, Palästina und – als Folge des arabischisraelischen Konflikts – über die ganze Welt zerstreut sind. Um ihre Stellung als Verwalter des Davidsgrabes zu unterstreichen, gaben sich die Nachkommen von Ahmed Dajani den Beinamen Daoudi, die arabische Bezeichnung für David. Als Hüterin des Grabes Davids war die Familie Dajani auch für den Saal des Letzten Abendmahles verantwortlich, der sich direkt über dem Grab Davids befindet. Im Laufe der Jahre erwarb der Daoudi-Clan immer mehr Land rund um das Grab und siedelte sich auf dem ganzen Berg Zion an. Das Land gehörte bis zur Enteignung durch den osmanischen Sultan dem römisch-katholischen Franziskanerorden. Der seit über 400 Jahren etablierte Daoudi-Clan wurde so etwas wie die Jerusalemer Aristokratie erster Klasse mit viel Einfluss und Macht in der Stadt. Viele der Familienangehörigen bekleideten politische Römische Säule im Innenhof des Hotels, gut lesbar LEGi(onis) X FR(etensis), ein Hinweis auf die hier in der Nähe stationierte römische Legion
4/2023 21 Ämter oder hatten hohe wirtschaftliche Positionen inne. 1898 weigerten sie sich, dem Deutschen Kaiser für den Bau einer katholischen Kirche und eines Klosters auf dem Zionsberg Grund und Boden zu verkaufen. Erst durch die persönliche Intervention des Sultans kam es zu einer Einigung über die Grundstücke der heutigen Dormitio-Abtei. Der Familie Dajani wurden große Ländereien zur treuhänderischen Verwaltung zugesichert. Doch noch vor der Einweihungsfeier mit dem Deutschen Kaiser, die direkt gegenüber dem Davidsgrab stattfand, sahen sich die osmanischen Behörden aus Angst vor Demonstrationen und Störungen gezwungen, benachbarte Familien zu verhaften. Dies ist nur eine der Geschichten, die das Ansehen der Dajanis in der palästinensischen Gesellschaft verdeutlichen. Nach dem arabisch-israelischen Krieg 1948 war die Familie gezwungen, ihre Häuser am Berg Zion zu verlassen, da das Gebiet auf der israelischen Seite der sogenannten „Grünen Linie“ lag. Einer der wenigen, der in Jerusalem blieb, war Mohammed Taher Dajani Daoudi. Als zu Beginn des Krieges die Familien Morcos aus Palästina fliehen mussten, zogen einige hundert palästinensische Flüchtlinge in das verlassene New Imperial Hotel. Mohammed Dajani war inzwischen in der Gastronomie am Flughafen von Qalandiya tätig. Am 15. Juli 1949 schloss das griechisch-orthodoxe Patriarchat mit ihm einen Vertrag, der seiner Familie das Pachtrecht für das Hotel über drei Generationen zusicherte. In den folgenden Jahren war das Hotel Sitz der Handelskammer von Jerusalem und der arabischen Stadtverwaltung. Der elegante Ballsaal blieb ein beliebter Ort für Feste und Hochzeiten. Mit Einverständnis des Patriarchats übertrug Mohammed Dajani den Pachtvertrag vor seinem Tod auf seine Söhne Suleiman und Abu Walid. Somit gilt Abu Walid, der das Hotel bis heute betreibt, rechtlich noch immer als Pächter der ersten Generation. Ostansicht des Abendmahlsaales, im Vordergrund der Friedhof der Dajani-Familie. In den unteren Steinlagen sind römische (sekundär verbaute) Steine erkennbar New Imperial Hotel New Imperial Hotel
IM LAND DES HERRN 22 4/2023 Das Hotel als Wunschobjekt der Siedler – Ateret Kohanim Ateret Kohanim ist eine national-religiöse und neo-zionistische Organisation, die im jüdischen Viertel der Altstadt nahe der Westmauer eine Jeschiwa unterhält. Die Jeschiwa wird von Rabbiner Shlomo Aviner geleitet und kann bis zu etwa 150 Studenten aufnehmen. Neben dem religiösen Studium ist es das Ziel der Jeschiwa, die jüdische Präsenz in der Altstadt zu stärken. Besonderes Augenmerk richtet diese Gruppe auf Grundstücke, die vor den arabischen Unruhen von 1929 und 1936 jüdisches Eigentum waren, oder deren jüdische Besitzer nach den Ereignissen von 1948 geflohen sind. Im Jahre 2009 besaß Ateret Kohanim 20 Objekte mit mehr als 50 Wohnungen im muslimischen und christlichen Viertel. Außerdem betreiben sie eine Reihe von Läden und führen archäologische Ausgrabungen in der Altstadt durch, die zu weiteren Konflikten führen. Darüber hinaus sind sie seit 2000 stark an den Siedlungsaktivitäten in den Ostjerusalemer Stadtteilen Silwan, Sheik Jarrah, Ras al Amud und Abu Dis beteiligt. Dort werden diese Grundstückstransaktionen zugunsten von Ateret Kohanim sogar von der Israel Land Administration, der offiziellen Regierungsbehörde für Grundstücksgeschäfte, gefördert. Umstrittene Eigentumsverhältnisse Das griechisch-orthodoxe Patriarchat ist nach dem Staat Israel und dem Jüdischen Nationalfonds der drittgrößte Grundbesitzer des Landes. Im Laufe der Jahrhunderte wuchs die Zahl seiner Besitztümer durch Schenkungen aus der arabisch-christlichen Gemeinde vor Ort. Selbst der Staat Israel ist von der griechisch-orthodoxen Kirche abhängig. So ist beispielsweise das Gelände der Knesset (israelisches Parlament) von ihr gepachtet. Obwohl die Mehrheit der Kirchenmitglieder arabisch ist, sind sie im höchsten Entscheidungsgremium des griechischen Patriarchats, der Heiligen Synode, nicht in der entsprechenden Stärke vertreten. Arabische Geistliche finden sich nur auf den unteren Ebenen der kirchlichen Hierarchie. Die Synode besteht aus 18 Bischöfen, die alle Griechen sind. Nur ein Platz ist einem Palästinenser zugedacht. Die Wahl des Patriarchen erfolgt gemäß einem komplizierten Verfahren, nach einem jordaniKomplex des Abendmahlsaales vom Kloster der Franziskaner (Coenacolino) aus
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