Im Land des Herrn | 77. Jahrgang | 2023 - 4

IM LAND DES HERRN 32 4/2023 klar vortrug, aber dieser die Argumente nicht gelten ließ. So wurde er zunächst Apostolischer Administrator des Lateinischen Patriarchates und am 10. September 2016 empfing er in Bergamo die Bischofsweihe. Im Jahre 2020 wurde er dann „offiziell“ als Lateinischer Patriarch im Rang eines Erzbischofs ernannt und empfing einige Tage später vom Papst das Pallium. Zu diesen nüchternen Daten, die den Eindruck erwecken könnten, als handele es sich hier um eine steile „kirchliche Karriere“, sollen einige Aspekte angefügt werden, die etwas seine Person beleuchten: P. Pierbattista war als Kustos ein Mensch mit Visionen und Mut zu Entscheidungen, auch wenn diese Entscheidungen uns als seinen Mitbrüdern zunächst nicht plausibel erschienen. Ich erinnere mich sehr gern an die Zusammenarbeit mit ihm, als ich im Ökonomat der Kustodie in Jerusalem einige Jahre viel mit ihm zu tun hatte. Sein Arbeitsstil war „wenig italienisch“: kurze Mails oder Telefonate, bei denen man genau wusste, was zu tun war. Eine klare Sprache, um seine Vorhaben und Visionen zu verdeutlichen. Beschränkung auf das Wesentliche. Bei manchen anstehenden Problemen dachte ich mir: wie wird der Kustos wohl das Problem lösen? Und am Ende war ich oft verblüfft von seinen Lösungsvorstellungen und wie er sie dann auch in der Praxis konsequent umgesetzt hat. Sein Wesen mag dem Außenstehenden etwas kühl erschienen sein: aber er kannte seine Mitbrüder gut und konnte bei persönlichen Problemen sehr langmütig sein. Seine Warmherzigkeit drückt weniger in Worten aus, als mehr in Taten: er hat seine „Sorgenkinder“ und um diese kümmerte er sich, ohne darüber groß zu sprechen. Wenn in der Sommerzeit wenige Mitbrüder bei der täglichen Prozession in der Grabeskirche zu erwarten waren, kam er selbstverständlich und reihte sich bei den Mitbrüdern ein. Auch im Refektorium unseres Hauptklosters St. Salvator bediente er, wenn Hilfe gebraucht wurde und nutzte diese Gelegenheit, mit allen Mitbrüdern auch persönlich zu sprechen und zu scherzen. Die großen Zelebrationen waren nicht seine Leidenschaft, besonders bei den Gelegenheiten, wenn er Mitra und Pectorale (Kreuz) zu tragen hatte – aber er zeigte uns und den Mitfeiernden, dass er „ganz bei der Sache“ und gut vorbereitet war. Als er dann schon als Patriarch zwischen und nach den langen Zelebrationen für sich selbst entschied, nicht mehr mit den Würdenträgern in den Pausen zurückgezogen im Konvent der Grabeskirche einen Kaffee zu nehmen, wurde mir klar, dass er großen Wert auf den Kontakt mit den Gläubigen legt und dafür gern ein Stück Bequemlichkeit opfert. Der neue Kardinal ist ein leidenschaftlicher Mensch und seine Leidenschaft ist das Heilige Land. Mit ihm hat das Heilige Land eine kräftige, klare Stimme, die jetzt noch mehr in der Weltkirche zu hören sein wird. Eine schwere Probe für den neu ernannten Kardinal sind die jüngsten kriegerischen Auseinandersetzungen: er kennt die Menschen „auf beiden Seiten“ und er fühlt mit ihnen. Aber er lässt sich von keiner Seite vereinnahmen; am 16. Oktober bietet er sich selbst als Austausch für die verschleppten Geiseln an und ist einer der wenigen, die sich kompromisslos für den Frieden einsetzen. Als ich den neuen Kardinal in einem Schreiben fragte, wie ich ihn denn von nun an ansprechen solle, antwortete er mir, dass wir alles „einfach weitermachen wie bisher“. Auch die ihm zugeteilte Titelkirche ist eher unscheinbar: S. Onofrio auf dem Gianicolo, der geistliche Sitz des Ritterordens vom Heiligen Grab. Seine erste Heilige Messe als Kardinal feierte er in der Marienkirche S. Maria Maggiore am Hauptaltar, unter dem die Reliquien der Krippe von Betlehem aufbewahrt werden. S. Onofrio in Rom, die Titelkirche von Kardinal Pizzaballa

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