IM LAND DES HERRN 16 1/2024 Sie weist nach Norden, während der Tempel, die Ausrichtung, die in einer Synagoge zu erwarten wäre, nordöstlich liegt. Nördlich von hier liegen Golgota und das Grab Christi. Handelt es sich also um einen christlichen (judenchristlichen?) Bau? Um die Synagoge (Synagogenkirche?) des Pilgers von Bordeaux? Griechische Wandgraffiti, die von den Franziskanern B. Bagatti und E. Testa untersucht wurden, könnten dafür eine Bestätigung liefern; sie können interpretiert werden als: „O Je(sus, ich möge) leben, Herr des Herrschers“. Vielleicht liegt hier eine Anspielung an Ps 110,1–2 vor: Ein Psalm Davids. So spricht der HERR zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten und ich lege deine Feinde als Schemel unter deine Füße. Das Zepter deiner Macht streckt der HERR aus vom Zion her: Herrsche inmitten deiner Feinde! Dieser alttestamentliche Text wurde in der christlichen Theologie messianisch auf Jesus Christus gedeutet, und zwar schon im Neuen Testament (z. B. Mt 22,41–46). Aus der byzantinischen Zeit gibt es mehrere Autoren (z. B. Eusebius von Cäsarea und der Pilger von Bordeaux), die ein Davidsgrab in Betlehem (!) kennen. Diese Lokalisierung ist klar gegen das alt- und neutestamentliche Zeugnis, sie ist wohl beeinflusst von Betlehem als Herkunftsort Davids (1Sam 16,1–13). Ab dem 10. Jh. taucht wieder Jerusalem, und zwar jetzt der Zion, als Ort des Davidsgrabes auf – in jüdischen, christlichen und muslimischen Quellen. Diese Tradition fanden die Kreuzfahrer vor, ihnen verdankt der Raum des Davidsgrabes in etwa seine heutige Gestalt. Aus dieser Zeit stammt auch das Kenotaph Davids vor der Nische. Ungeachtet der mit vielen Fragezeichen behafteten Geschichte der Grabstätte von König David steht also fest, dass Juden, Christen und Muslime seit über 1000 Jahren hier sein Grab verehren, die Juden das von König David, die Christen das von David, dem Psalmendichter und Vorfahren Jesu, die Muslime das des Propheten David (Nabi Da’ud), der auch im Koran erwähnt wird. Das Davidsgrab ist ein heiliger Ort Vermeintliches Davidsgrab, gut erkennbar die Apsis über dem Grabmal
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