Im Land des Herrn | 78. Jahrgang | 2024 - 1

1/2024 29 Die Grabkapelle als Arm eines Querschiffs zur Hauptkirche Wie schon in der Franziskanerkirche Augsburgs, die auch eine Grabkapelle umschloss, bildete die Kapuzinerkirche in Eichstätt auf der rechten Seite des Hauptschiffs einen Nebenbau, der wie der Arm eines Querschiffs anmutet. In Augsburg war der Nachkriegsbau der Kirche durch Dominikus Böhm ohne den Wiederaufbau der zerstörten Grabkapelle erfolgt. In Eichstätt, so weist Dalman nach, wurde beim barocken Neubau der Kirche das Heilige Grab versetzt. Ein Hinweis darauf dürfte darin zu sehen sein, dass manche Steine der Grabkapelle Zahlen eingeritzt haben, die bei der Versetzung helfen konnten, die korrekte Position zu wahren. Auf 5 mm genau gibt Dalman die Maße der Mauern, des Sockels und des Sims’ ebenso an wie die Position und Größe der Tür an, die zum Vorraum wie dem kleineren Durchgang zur Grablege, der aber wohl der Bequemlichkeit halber und um mehr Licht zu erhalten ca. 30–40 cm höher ist als das Jerusalemer Vorbild sowie anderer vergleichbarer Nachbauten. Die gesamte Ädikula besteht aus zwei gleichhohen Teilen, der Vorkapelle und der eigentlichen Grabkapelle, beide mit Kreuzrippengewölbe bedacht. Der hintere Raum ist oval. Die Ausfertigung und der Schmuck am Gesims sind so gut erhalten, „dass man“, so Dalman, „an seinem Alter zweifelt.“ Im Inneren ist außer der Bank mit einer hölzernen Jesusfigur hinter Gittern kein Schmuck zu finden. Die Luftlöcher zählt Dalman ebenso auf wie eine Nische, die zur Aufnahme von Altargeräten gedient haben mag. An der Eingangsseite des Heiligen Grabes führt „neuerdings“ eine Wendeltreppe auf das ebene Dach der gesamten Kapelle, das von einer hölzernen Balustrade mit romanischen Säulchen eingefasst ist. Über der Mitte des Rundbaus erhebt sich ein sechsseitiges Türmchen aus Holz. Schlichtere Vorgänger dieses Türmchens mussten wohl im Laufe der Jahrhunderte mehrfach erneuert werden. Das heutige ist über 3,60 m hoch. Das Kuppeldach ruht auf sechs 1,95 m langen Säulen. Ausrichtung und Maße der das Grab umgebenden Seitenkapelle mit einem dazugehörenden Altar lassen Prof. Dalman vermuten, dass das Heilige Grab in früherer Zeit (vor 1612) in einer rechteckigen Kapelle oder gar im Hauptschiff der Kirche gestanden haben muss. Trotz der anzunehmenden Versetzung bleibt der Eichstätter Grabbau nicht nur als der älteste erhaltene in Deutschland bemerkenswert. Auffallend ist die Verwandtschaft mit der Grabkapelle in der Domkrypta zu Capua, die nachweislich 1288 vollendet worden war. Eichstätt gilt als exakterer Nachbau, weil bereits die Beschreibung Theoderichs aus Jerusalem im Jahr 1172 sich wie eine für das Eichstätter Grab liest, wobei die Kopie um ein Fünftel kleiner als das Original ist. Warum eine Kopie des Jerusalemer Heiligen Grabs Jesu? Der besondere Reiz des Eichstätter Heiligen Grabs liegt trotz der Verkleinerung darin, dass es ein minutiöses Abbild des Grabes in Jerusalem zur Kreuzfahrerzeit ist. Nachdem unter großen Mühen mit dem Kreuzzug das Original erreicht worden und wieder in christlicher Hand war, muss es sehr erstrebenswert erschienen sein, auch andernorts ein originalgetreues Abbild zu haben und betreten zu können. Für Walbrun mag der Besitz einer Kreuzpartikel aus Jerusalem Anlass für die Stiftung einer Kreuzeskirche gewesen zu sein. Damit erhoffte er für sich und spätere Pilger, „ein die Seligkeit sicherndes gutes Werk getan zu haben“ (Dalman). Die Kapuziner pflegten treu das geistliche Erbe über Jahrhunderte. 1806 kam das Hochstift EichInneres des Grabbaues; Engelskapelle und Zugang zum Grabraum Heilige Grab Eichstätt Heilige Grab Eichstätt

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