Im Land des Herrn | 78. Jahrgang | 2024 - 1

1/2024 33 m Frühling 1860 befand sich zu Jerusalem als außerordentlicher apostolischer Visitator, der vor einigen Jahren als Erzbischof von Smyrna verstorbene Monsignore Spaccapietra aus dem Lazaristenorden. Dieser heiligmäßige Prälat außerte in vertraulichem Kreise den Wunsch, am Gründonnerstag im Abendmahlssaale das heilige Meßopfer darbringen zu können. Der kühne Plan mußte indeß noch ein tiefes Geheimnis bleiben. Der hochwürdigste Kustos des hl. Landes, Guardian der Franziskaner, wurde damit vertraut gemacht. Derselbe sagte seine Hilfe zu. Am Mittwoch der hl. Charwoche wandte sich letzterer mit der unverfänglichen Bitte an den Vorsteher des Derwischklosters, in dessen Mauern der Abendmahlssaal liegt, es möge einigen Pilgern gestattet sein, am folgenden Morgen in dem Heiligtum ihre Gebete zu verrichten. Die Bitte wurde anscheinend gerne bewilligt, und am Vorabend den wenigen Mitwissenden bedeutet, sich in der Frühe des folgenden Morgens bereit zu halten. Gegen halb vier Uhr erschien der Erzbischof mit seinem Diener und noch mehreren Teilnehmern beim Pilgerhause, wo sich der Rest der Eingeladenen zu ihnen gesellte. Der Diener des Erzbischofs schritt mit einer Laterne voraus, und in tiefer Bewegung folgte der kleine Zug durch die noch toten, engen Gassen der hl. Stadt. Es waren die beiden Benediktiner Maurus und Placidus Wolter, ersterer der nachmalige Erzabt von Beuron, Eine Gründonnerstagsmesse im Abendmahlssaale Petrus Schüler Die Kustodie des Heiligen Landes ist nicht nur im Heiligen Land selbst, sondern auch in Syrien, Libanon, in Jordanien, in Teilen Ägyptens, auf Zypern und Rhodos mit den verschiedensten Konventen und Aufgaben vertreten. Darüber hinaus gibt es in (fast) jeder Franziskanerprovinz weltweit einen „Kommissar“ des Heiligen Landes: ein Mitbruder, der die Beziehungen zur Kustodie aufrecht erhält, der Spenden sammelt, Pilgerfahrten durchführt und für alle Anliegen zuständig ist, die das Heilige Land und die Kustodie betreffen. In Washington ist das Kommissariat mit einem großen Kloster vertreten und von dort gehen sehr viele Aktivitäten aus. Unter den Druckwerken, die nicht nur in englischer Sprache erschienen, befand sich in früheren Zeiten ein deutschsprachiger Kalender, der „Kreuzfahrer-Kalender“, der sich besonders an die deutschsprachigen Freunde des Heiligen Landes in den USA wendete. Vor knapp 100 Jahren, im Oktober 1928, erschien in der Zeitschrift dieser Reihe der nachstehende Artikel, der ein Licht auf die schwierigen Verhältnisse am Abendmahlssaal in der Mitte des 19. Jahrhunderts wirft. In der Beschreibung dieses fast abenteuerlichen Geschehens begegnen dem Leser unserer Zeitschrift einige Personen, die in früheren Artikeln schon behandelt wurden. I Inneres des Abendmahlssaales um das Jahr 1860 aus Meßmer „Das Heilige Land“, München 1860, Klosterbibliothek St. Anna München

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