Franziskanische Zeitschrift für das Heilige Land 78. Jahrgang 2024 / Heft 2
Mit dieser und den folgenden Ausgaben unserer Zeitschrift wollen wir unseren Blick auf den See Gennesaret und seine Umgebung richten: der See ist einer der wichtigsten Orte des Wirkens Jesu. Die Orte klingen uns in den Ohren: Kafarnaum, Chorazin, Tabgha, der Berg der Seligpreisungen. Wir wollen uns in den nächsten Ausgaben diesen Orten nähern und natürlich der Botschaft dieser Orte. Ein weiterer Schwerpunkt der kommenden Ausgaben soll auf „Biblischen Gestalten“ liegen: P. Sigfrid Grän OFM(†) hat versucht, uns einen Zugang zu manchen Personen der biblischen Geschichte zu verschaffen und zugleich soll – wo es möglich ist – deren Verortung im Heiligen Land gezeigt werden. Engelbert Kolland – oft haben wir von diesem Franziskaner aus dem Zillertal berichtet, der bei den Drusenaufständen in Damaskus mit anderen zehn Gefährten sein Martyrium erlitt. Nun ist es sicher: diese Märtyrer von Damaskus werden bald heiliggesprochen werden! Kurz soll der Besuch von Kardinal Pierbattista Pizzaballa in Gaza erwähnt werden: der Patriarch hat alles ihm Mögliche unternommen, um die kleine christliche Gemeinschaft im Gazastreifen zu besuchen, ihnen zu helfen, auf ihre Nöte zu hören, ihnen in diesem furchtbaren Kriegsgemetzel nahe zu sein. Man kann nur Hochachtung vor diesem Schritt haben: kein Politiker – und für gewöhnlich haben diese ja Sehr verehrte Leserinnen und Leser, liebe Freunde des Heiligen Landes! meist markige Worte und „beachtenswerte Friedensvorstellungen“ – keiner dieser Politiker setzte bis jetzt einen Fuß in das Kriegsgebiet. Im Vorwort der letzten Ausgabe unserer Zeitschrift erwähnte ich die Situation in Gaza. Daraufhin bekam ich sehr erboste Reaktionen, alles im Rahmen einer „political correctnes“: es wäre doch klar, welche Seite der Kriegsparteien hier „im Recht“ sei. Nun, ich möchte nur an die zehn Gebote erinnern und an Jesu Bergpredigt. Das ist eine „biblical correctnes“ und das ist die Quintessenz des Christentums. Von Max Frisch stammen die Worte: „Wir können das Arsenal der Waffen nicht aus der Welt schreiben, aber wir können das Arsenal der Phrasen, die man hüben und drüben zur Kriegsführung braucht, durcheinanderbringen.“ Wir Kommissare des Heiligen Landes, sei es in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, danken Ihnen ausdrücklich für alle Hilfe in den letzten Monaten, um die christliche Gemeinschaft im Land des Herrn zu unterstützen. Und wir bitten Sie weiterhin um Ihr Gebet für dieses heilige und so geschundene Land und seine Bewohner. Im Namen meiner Mitbrüder darf ich Ihnen eine schöne, friedliche Sommerzeit wünschen,
2/2024 3 Inhalt Der See Gennesaret und seine Umgebung Heinrich Fürst/Gregor Geiger Das Heilige Grab in Gelnhausen – Bad Homburg Petrus Schüler Der Boden der Grabeskirche – es fällt Licht in das Dunkel der Jahrhunderte Petrus Schüler Ausstellung in München: Oskar Schindler – Lebemann und Lebensretter Kardinal Pizzaballa in Gaza Petrus Schüler Biblische Gestalten Lebensbilder aus dem Alten Testament Sigfried Grän P. Hartwig Huckle OFM Petrus Schüler Die Märtyrer von Damaskus auf dem Weg zur Heiligsprechung Marinella Bandini Titelbild: Schiff auf dem See Gennesaret Rückseite: Adam und Eva, Kanzel Kaufmännerkirche Erfurt Alle Fotos in der Zeitschrift (wenn nicht anders angegeben) © Petrus Schüler Seite 14 Seite 4 Seite 20 Seite 24 Seite 35 Seite 26 Seite 36 Seite 23
4 2/2024 Der See Gennesaret und seine Umgebung Heinrich Fürst/Gregor Geiger er See Gennesaret ist der größte Süßwassersee im Heiligen Land. Während er im Alten Testament nur am Rande vorkommt, spielt er im Neuen Testament eine wichtige Rolle, lagen doch viele der Orte, an denen Jesus wirkte, in seiner Nähe, vor allem am Nordufer. In verschiedenen – modernen wie antiken – Sprachen gibt es für den See unterschiedliche Bezeichnungen, die allesamt mit Orten oder Landschaften in seiner Umgebung in Beziehung stehen. Im Deutschen ist die Bezeichnung „See Gennesaret“ üblich; sie kam in hellenistischer Zeit auf (1Makk 11,67, Lk 5,1), nach dem gleichnamigen Ort (hebr. Ginnosar). Im Hebräischen heißt der See Jam Kinnéret („See – wörtlich Meer – von Kinneret“), und zwar schon in der Bibel (z. B. Num 34,11), nach dem gleichnamigen Ort. Eine volkstümliche Erklärung leitet diesen Namen vom hebräischen Wort Kinnor,„Harfe“, ab, da er in etwa die Form einer Harfe habe. Dagegen wird eingewandt, dass Ortsnamen nach Musikinstrumenten ungewöhnlich sind, dass aber Orte öfter nach Göttern benannt wurden. So wird diskutiert, ob es einen semitischen Gott gab, der Kinnor, oder eine Göttin, die Kinneret hieß und mit einer Harfe abgebildet wurde. Auf Englisch heißt er Sea of Galilee, „Meer von Galiläa“ (ähnlich im Spanischen). Dieser Name findet sich auch im Neuen Testament (Mk 1,16, Mt 4,18: „See von Galiläa“). Im etwas späteren Johannesevangelium wird er auch „See von Tiberias“ genannt (Joh 6,1), eine Bezeichnung, die sich im Arabischen (Buhairat Tabarije) oder auch im Italienischen, Polnischen oder Russischen erhalten hat. Der See Gen- Der See Gennesaret zur Zeit Jesu © www.bibelwerklinz.at D
2/2024 5 nesaret ist 21 km lang und bis zu 12 km breit und liegt gut 200 m unter dem Meeresspiegel. Die genaue Höhe schwankt je nach Ergiebigkeit der Niederschläge: Der bisherige historische Tiefststand war –215 m (im Herbst 2002), bei –209 m gilt er als voll (zuletzt erreicht 2004). Er ist der am tiefsten gelegene Süßwassersee der Erde. Er ist ca. 45 m tief; seine Oberfläche beträgt etwa 165km2, d. h. ein Drittel des Bodensees. Die Vegetation um den See ist subtropisch, der Sommer sehr heiß und die Luft dabei feucht, für Mitteleuropäer nicht sehr angenehm. Doch der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus schwärmt in seinem Geschichtswerk „Über den Jüdischen Krieg“: Weintrauben und Feigen, die königlichsten Früchte, kann man zehn Monate lang ohne Unterbrechung ernten, die anderen Früchte sogar während des ganzen Jahres. Berühmt ist auch der Fischreichtum des Sees; besonders bekannt ist der „Petrusfisch“, eine Barsch-Art, die in den Restaurants um den See angeboten wird und eine Kostprobe wert ist. Bootsfahrt über den See Viele Pilgergruppen nutzen die Möglichkeit, mit dem Boot eine Fahrt über den See Gennesaret zu machen. Als Ausgangs- und Zielpunkte kommen in Frage: Tiberias oder Ginnosar am Westufer oder Ein Gev auf der anderen Seite des Sees, bei ausreichend hohem Wasserstand auch Kafarnaum. Angesichts des faszinierenden Rundpanoramas auf dem See empfiehlt es sich, die See Gennesaret See Gennesaret Ausgrabungsgelände Tel Kinneret, Akropolis. Am rechten oberen Bildrand ist Tabgha zu erkennen. Boot auf dem See, Aufnahme aus dem Anfang des 20. Jh., Fotoarchiv Kommissariat München
6 2/2024 IM LAND DES HERRN einschlägigen Texte aus den Evangelien zu lesen, namentlich die Geschichte vom Sturm auf dem See: Am Abend dieses Tages sagte er zu ihnen: Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren. Sie schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; und andere Boote begleiteten ihn. Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich mit Wasser zu füllen begann. Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen? Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein. Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben? (Mk 4,35–40). In eine fortgeschrittenere Phase der Glaubensgeschichte der Jünger weist die Geschichte vom Gang Jesu auf dem Wasser, in der Petrus zu glauben versucht und doch wieder versagt: „Gleich darauf drängte er die Jünger, ins Boot zu steigen und an das andere Ufer vorauszufahren. Inzwischen wollte er die Leute nach Hause schicken. Nachdem er sie weggeschickt hatte, stieg er auf einen Berg, um für sich allein zu beten. Als es Abend wurde, war er allein dort. Das Boot aber war schon viele Stadien vom Land entfernt und wurde von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten Gegenwind. In der vierten Nachtwache kam er zu ihnen; er ging auf dem See. Als ihn die Jünger über den See kommen sahen, erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst. Doch sogleich sprach Jesus zu ihnen und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht! Petrus erwiderte ihm und sagte: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme! Jesus sagte: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot und kam über das Wasser zu Jesus. Als er aber den heftigen Wind bemerkte, bekam er Angst. Und als er begann unterzugehen, schrie er: Herr, rette mich! Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind. Die Jünger im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: Wahrhaftig, Gottes Sohn bist du“ (Mt 14,22–33). Tiberias Tiberias (hebr. Tvérja, arab. Tabaríje) ist die Hauptstadt von Galiläa und hat gut 40.000 Einwohner. Durch seine vielen Hotels und seine zentrale Lage ist es eine gute Basis für Besuche im Norden des Landes. Freilich hat das starke Wachstum der letzten Jahrzehnte die Stadt etwas unförmig werden lassen. Geschichte: Von den Städten, die einstmals am See blühten, ist nur diese erhalten geblieben. Herodes Antipas (4 v. Chr. – 38 n. Chr.) erbaute sie in den Jahren 17–22 n. Chr. als neue Hauptstadt für Galiläa, zwischen der heutigen Stadt und den heißen Quellen von Hammat Tverja. Sie lag an der Stelle einer älteren unbedeutenderen Siedlung, wahrscheinlich das im Buch Josua (19,35) erwähnte Rakkat. Mit dem Namen Tiberias wollte er seinen Oberherrn und Gönner, Kaiser Tiberius (14–37 n. Chr.), ehren. Er nahm Stillung des Sturmes, St. Matthias Berlin
2/2024 7 beim Bau keine Rücksicht auf einen vorhandenen Friedhof. Daher mieden die Juden Tiberias zunächst als unrein, Priester durften es nicht betreten. Ob Jesus je hier war, wissen wir nicht. Der üble Ruf von Tiberias änderte sich, als nach der Zerstörung Jerusalems und der Vertreibung der Juden aus Judäa (135 n. Chr.) der Sanhedrin (Hohe Rat) und die jüdische Gelehrtenwelt sich nach Galiläa zurückziehen mussten. Bereits um die Mitte des 2. Jh.s kam Rabbi Schimon Schimon bar Jochai nach Tiberias und erklärte es zur „reinen“ Stadt. Das einst gemiedene Tiberias wurde mit der Zeit sogar zu einer der vier „heiligen Städte“ des Judentums. Zum Beweis seines hohen Ranges kann Tiberias auf mehrere Rabbinergräber verweisen: das Grab von Jochanan ben Zakkai, des Gründers der Rabbinerschule von Javne (Ende des 1. Jh.s); das Grab des Gelehrten Rabbi Akiba, der den Bibeltext bis auf die Anzahl der Buchstaben autoritativ festgelegt hat und der wahrscheinlich 135 n. Chr. als Märtyrer des Bar-Kochba-Aufstandes gestorben ist; das Grab des Rabbi Meïr Baal ha-Nes (des „Wundertäters“, Blick auf das südliche Tiberias, die Kuppeln am unteren Bildrand gehören zum Grab von Rabbi Meir Baal ha-Nes Abfahrtsplatz der Bootsfahrten in Tiberias See Gennesaret See Gennesaret
8 2/2024 2. Jh.). Zu ihnen kam im Mittelalter noch das Grab des Rabbi Mosche ben Maimon (Maimonides) hinzu. Um 400 wurde hier der Jerusalemer Talmud vollendet; obwohl in Tiberias entstanden, wird er Jerusalemer Talmud genannt, um ihn vom Babylonischen Talmud zu unterscheiden, einer in Mesopotamien (Babylon) entstandenen Parallelüberlieferung. Während der überlieferte Bibeltext jener talmudischen Zeit noch weitgehend ein Konsonantentext war und die Einfügung der richtigen Vokale der Überlieferung und der Kenntnis des Lesers überlassen blieb, begann man im 8. Jh. in Tiberias die Vokale durch Punkte über und unter den Buchstaben anzuzeigen. Diese tiberiensische Punktation setzte sich durch und ist bis heute im hebräischen Bibeltext maßgebend. Im Lauf des 4. Jh.s bekam Tiberias durch die Bemühungen des jüdischen Konvertiten Josef von Tiberias eine Kirche; 451 n. Chr. wird erstmals ein Bischof Johannes erwähnt. Da die Juden von Tiberias 614 mit den Persern gemeinsame Sache gemacht und Kirchen und Klöster zerstört hatten, nahm Kaiser Heraklius nach der Wiedergewinnung des Landes im Jahr 628 an den Juden grausame Rache. Als 635 die Araber Tiberias erobert hatten, wurde Tiberias Hauptstadt des nördlichen Verwaltungsbezirkes. 749 und 1033 fügten Erdbeben der Stadt schwere Schäden zu. Auch unter dem Kreuzfahrerfürsten Tankred (ab 1099) blieb Tiberias Hauptstadt des Nordbezirks. Doch war die Stadt anscheinend ziemlich heruntergekommen. Jedenfalls gründete Tankred weiter nördlich an dem Platz der heutigen Altstadt eine neue Kreuzfahrerstadt und umgab sie mit Mauern, während die byzantinisch-arabische Stadt südlich davon endgültig verfiel. Die Erinnerung an das Wirken Jesu am See Gennesaret wurde jetzt allein in Tiberias (und Magdala) gepflegt, da die historischen Stätten am Nordufer unzugänglich waren. Doch die Herrlichkeit war nur von kurzer Dauer. Schon 1187 startete Saladin von Tiberias aus die Rückeroberung des Landes für den Islam. Bei den Mamluken (nach 1247) geriet die Stadt ins Abseits und wurde zum Dorf. Tiberias erholte sich erst wieder, als der Beduinenscheich Daher al-Omar gegen die Osmanen rebellierte und Tiberias zu seiner Domäne machte. Er baute 1745 die Mauern und Türme der Kreuzfahrerstadt wieder auf und lud Juden ein, den Ort zu besiedeln. Von 1860 an und dann wieder nach 1912 setzten neue jüdische Immigrationswellen ein. Tiberias wurde wieder eine Stadt, entwickelte sich zur Hauptstadt Galiläas und zu einem wichtigen Badeort. Im Unabhängigkeitskrieg 1948 war Tiberias fest in israelischer Hand, so dass die arabische Bevölkerung floh und die Moscheen verödeten. Im Nordwestteil der Kreuzfahrerstadt, die der jetzigen Altstadt entspricht, ist noch die Zitadelle mit ihren vier Ecktürmen erhalten; die Mauern und Türme sind aus dem dunklen Basalt der Gegend. Die Franziskanerkirche an der Strandpromenade ist so klein (20x6 m) und zwischen Hotels und Restaurants eingekeilt, dass sie von vielen gar nicht wahrgenommen wird. Sie stammt aus der Kreuzfahrerzeit und ist dem hl. Petrus geweiht. Als Monument der Kreuzfahrerepoche ist sie, ähnlich der St.-Anna-Kirche in Jerusalem, deshalb erhalten geblieben, weil sie zur Moschee umgewandelt worden war; im Innern kann man an der rechten Seitenwand, also nach Süden, nach Mekka, gewandt, noch die Umrisse der nachträglich eingebauten muslimischen Gebetsnische erkennen. Es wird vermutet, dass man beim Bau die Formen eines Bootes nachahmen wollte – man erkennt das besonders von außen an der Apsis. Die Franziskaner bemühten sich 1641, die kleine Kirche zu erwerben, aber erst 1757 gelang dies. Noch einmal 90 Jahre später, zehn Jahre nach dem schweren Erdbeben von 1837, konnten die Franziskaner hier eine ständige Niederlassung errichten. Bei der Jahrhundertüberschwemmung, die die Stadt 1934 heimsuchte, erlitt die Kirche schwere Schäden, die Anlass gaben, 1944 eine gründliche Renovierung durchzuführen, bei welcher der Maler Emilio Ritz zurückhaltende Fresken anbrachte. Im Vorhof des Kirchleins steht eine Reproduktion der bekannten Petrusstatue aus dem PetersIM LAND DES HERRN
2/2024 9 dom in Rom. Ihr gegenüber errichteten 1944 Soldaten der Freien Polnischen Armee, die in der Pilgerunterkunft einquartiert waren, ein Kriegerdenkmal mit Bild der Muttergottes von Tschenstochau. Die 1932 errichtete lateinische Pfarrei für die arabischen Katholiken von Tiberias und der Gegend um den See war seit dem israelischen Unabhängigkeitskrieg weitgehend verwaist, doch hat sich inzwischen aus Einwanderern und Gastarbeitern eine Gemeinde mit neuem Gesicht gebildet. Neben der Petruskirche besteht seit 1903 eine franziskanische „Casa Nova“, eine einfache Pilgerunterkunft. Westlich des Leonardo-Plaza-Hotels fand man den Mosaikboden einer Synagoge (20x20 m) aus dem 6. Jh. In einem Lorbeerkranz zwischen Feststräußen des Laubhüttenfestes lautet die Gedenkinschrift: „Proklos, Sohn des Krispos, stiftete dies.“ Die Synagoge wurde durch das Erdbeben von 749 beschädigt, war aber danach wieder in Funktion. Erst in der Kreuzfahrerzeit wurde sie überbaut. An der Hauptstraße nach Westen, nach oben, Richtung Nazaret, sieht man links (südlich) der Straße eine moderne Konstruktion aus weißen Stahlträgern. Dort befindet sich das erwähnte Grab von Rabbi Mosche ben Maimon (geboren 1135 in Cordoba/Spanien, gestorben 1204 in AltInneres der Franziskanerkirche © Vuk See Gennesaret See Gennesaret Grab des Maimonides
10 2/2024 kairo). Im Westen nennt man ihn gewöhnlich mit seinem lateinischen Namen Maimonides, im Hebräischen hat man aus den vier Anfangsbuchstaben seines Namens Rabbi Mosche ben Maimon die Kurzform Rambam gebildet. Er war der berühmteste jüdische Gelehrte des Mittelalters und Leibarzt Saladins. Mit seinen Kenntnissen der Philosophie von Aristoteles bis zu den arabischen Philosophen beeinflusste er auch die christliche Philosophie und Theologie des Mittelalters: Er war der erste, der versuchte, das Weltbild der griechischen Philosophie mit dem der Bibel in Einklang zu bringen. Christliche Gelehrte, vor allem Albert der Große und Thomas von Aquin, bauten auf seinen Arbeiten auf. Der Zugang zum Grab befindet sich in der Jochanan-ben-Zakkai-Straße. Südlich der Stadt, auf halbem Weg zwischen der Altstadt und den heißen Quellen von Hammat Tverja, stieß man auf imposante Überreste der römisch-byzantinischen Stadt. Unmittelbar westlich der heutigen Uferstraße befand sich eine römische Basilika, die in byzantinischer Zeit zur Kirche (21x15 m) umgewandelt wurde, und südlich davon ein Halbrund (griech. Exedra), das für kleinere Theater- oder Musikaufführungen gedient haben mag. Auch Tiberias hatte seinen etwa 12 m breiten Cardo (Hauptstraße). Er verlief parallel zum Seeufer bis zu einem monumentalen Südtor. An seiner Ostseite lagen neben den üblichen Läden eine Markthalle und eine große Badeanlage (42x31m) mit teilweise erhaltenen Mosaiken. Auf ihnen sind neben Pflanzen, Vögeln und Großtieren auch Fische zur Geltung gebracht. Es ist verführerisch, ein öffentliches Gebäude (5x10 m) aus dem 3. Jh. mit sehr einfachem Mosaikboden ohne Menschen- und Tierdarstellung als Sitz des Sanhedrins zu betrachIM LAND DES HERRN Heiße Quellen im Nationalpark Tiberias
2/2024 11 ten. In neuerer Zeit wurden außerdem ein Theater und ein römisches Bad freigelegt. Erstaunlich war, dass die teilweise bis zu 5 m Höhe erhaltene byzantinische Stadtmauer bis auf den Berenikeberg (20 m unter dem Meeresspiegel, d. h. ca. 190 m über dem See) hinauf- und wieder herabführte. Diese aufwendige Mauer geht offensichtlich auf Kaiser Justinian zurück, der auch die christliche Basilika auf diesem Berg geschützt wissen wollte. Man erreicht sie auf einem Schotterweg entweder von unten, vom Stadtteil Ge’ullim aus, oder (nur zu Fuß oder mit geländegängigem Fahrzeug) von oben, vom Swiss Forest („Schweizer Wald“). Die Basilika (mit Vorhof 48x28 m) war dreischiffig und hatte drei Apsiden. In der Mittelapsis liegt ein Ankerstein mit einem Loch in der Mitte zum Befestigen des Seils, wie ihn die Fischer am See benutzten, aber von überdimensionaler Größe und fast einer halben Tonne Gewicht. Es ist kein ähnlicher Fall bekannt; in anderen antiken Kirchen befand sich an dieser Stelle ein Heiligengrab oder ein Reliquienschrein. Auch aus der Kreuzfahrerzeit gibt es Spuren der Verehrung dieses Ankers. Kann man ihn mit Jesus, dem Menschenfischer, in Verbindung bringen? Der Anker kann auch als Symbol der christlichen Hoffnung verstanden werden, von der der Hebräerbrief (6,19) sagt: „In ihr haben wir einen sicheren und festen Anker der Seele, der hineinreicht in das Innere hinter dem Vorhang.“ Ebenfalls sehenswert sind die Reste der Synagoge, die 1962 beim Grab des Rabbi Meïr Baal ha-Nes oberhalb der alten Schwefelquellen (weiße Kuppel) entdeckt wurde und nach einer Inschrift Severus-Synagoge genannt wird. Sie ist in einem Nationalpark (Hammat Tverja) zugänglich gemacht worden. Bereits die unterste Ankerstein (dunkel, mit Loch) in der Apsis der Berenike-Kirche See Gennesaret See Gennesaret
IM LAND DES HERRN 12 2/2024 Schicht aus dem 1. Jh. n. Chr. könnte eine Synagoge gewesen sein, wenn es auch keinen Beweis dafür gibt. Nach Zerstörung durch das Erdbeben von 306 (?) wurde im 4. Jh. hier wieder eine Synagoge (15x13 m) gebaut, die in einem späteren Stadium prächtig ausgestattet wurde. Das Schönste daran ist das prächtige und an sich gut erhaltene Fußbodenmosaik, durch das leider eine spätere Mauer verläuft. Sein Thema ist das gleiche wie in Bet Alfa: oben der Toraschrein mit liturgischen Symbolen; im Hauptfeld Helios, der Sonnengott, in Herrschergeste auf seinem Wagen und mit einem Globus in der anderen Hand. Um ihn herum sieht man in einem Kreis die hebräisch beschrifteten Tierkreiszeichen, in den Ecken symbolisieren vier Frauen die Jahreszeiten. Unten finden sich zwei Löwen, welche neun Felder mit griechischen Inschriften flankieren. Nur die Szene der Opferung des Isaak fehlt gegenüber Bet Alfa. Dafür ist die künstlerische Qualität eine ganz andere als dort; es ist ein weiteres Zeugnis einer liberaleren jüdischen Frömmigkeit aus der ersten Hälfte des 4. Jh.s. Und erst recht erstaunlich: Eine der Widmungsinschriften nennt als Stifter einen „Severus, Schüler der berühmtesten Patriarchen des Sanhedrin“. Also auch im Umkreis des Sanhedrin wurden solche halbmythologischen Darstellungen akzeptiert. Als die Synagoge im 5. Jh. zerstört worden war, folgten noch zwei Neubauten in Basilikaform an gleicher Stelle. Die ältere dieser Nachfolgesynagogen wurde im 7. Jh. zerstört, vielleicht bei der byzantinischen Rückeroberung des Landes (628) nach dem Persereinfall, weil die Juden mit den Persern gemeinsame Sache gemacht hatten. Die darauf folgende letzte Synagoge ging Mitte des 8. Jh.s unter, als die Abbasiden aus Bagdad die neuen Herren des Landes wurden. Die Mosaikdarstellungen, die nicht jüdischer Orthodoxie entsprechen, hatten ein Nachspiel in der jüngsHammam Suleiman im Nationalpark
2/2024 13 ten Vergangenheit: In einer Nacht im Mai 2012 wurden Teile des wertvollen Mosaiks, vor allem die bildlichen Darstellungen und die griechischen Inschriften, mutwillig schwer beschädigt, was auf religiös-extremistischen jüdischen Hintergrund der Vandalen, die nicht gefasst werden konnten, hindeutet. Im Nationalparksgelände finden sich außerdem Reste der römischen Thermen. Das mit Kuppeln überwölbte Gebäude rechts vom Eingang des Nationalparks ist das Hammam („Bad“) Suleiman, das Ende des 18. Jh.s errichtet wurde. Es verdankt seinen Namen einer mittelalterlichen arabischen Legende, nach der König Salomo (arab. Suleiman) dieses Bad errichtet haben soll; er habe Dämonen geboten, die Wasser der heißen Quellen zu erhitzen. Heute ist in diesem Gebäude ein kleines Museum untergebracht, in dem Funde aus dem Bereich der Thermen ausgestellt sind. An dieser Stelle soll ein kurzer Abschnitt über einen Bewohner am See Gennesaret eingefügt werden, der uns meist unbekannt ist: Der Klippdachs Dem Besucher des Heiligen Landes wird dieses eigenartige, kaninchenähnliche Tier am ehesten in Tabgha am See begegnen. Eigentlich „Klippschiefer“ genannt, findet man diesen Pflanzenfresser sehr oft dort, wo er Nahrung findet. Das kann in den Schluchten östlich Jerusalems sein, wo er sehr scheu auftritt. In Galiläa ist er weit verbreitet und am See kann man die Tiere oft im größeren Verband betrachten, wie sie auf Steinen liegen und scheinbar „Sonne tanken“. Wer sichergehen will, Klippdachse zu sehen, dem sei der Nationalpark En Gedi am Toten Meer empfohlen: die dortigen Klippdachse sind an den Menschen gewöhnt und lassen sich gern dabei zuschauen, wie sie behende in den Bäumen nach Grün suchen. Und sollte jemand gar kein Glück haben: man findet das possierliche Tier auch im Mosaik dargestellt, und zwar wieder am See Gennesaret: in den Mosaiken der Brotvermehrungskirche. Zoologisch wird das Tier in die Nähe des Elefanten angesiedelt. Doch auch aus der Bibel ist uns der Klippdachs bekannt, so heißt es bei den Speisevorschriften im Buch Levitikus: „… ich sollt für unrein halten den Klippdachs, weil er zwar wiederkäut, aber keine gespaltenen Klauen hat; …“ (Lev 11,5) Hier wird der Klippdachs fälschlicher Weise wegen seiner andauernden Kaubewegungen zu den Wiederkäuern gezählt. Dieser Irrtum setzt sich fort, wenn es im Buch Deuteronomium heißt: „…von den Großtieren, die wiederkäuen oder ganz gespaltene Klauen haben, dürft ihr aber folgende nicht essen:Kamel, Hase, Klippdachs…“ (Dtn 14,7) Doch die prominenteste Bibelstelle für den Klippdachs ist wohl der Psalm 104, wo es heißt: „Die hohen Berge gehören dem Steinbock, dem Klippdachs bieten die Felsen Zuflucht.“ (Psalm 104,18) Klippdachs am See Gennesaret und in den Bäumen von En Gedi See Gennesaret See Gennesaret
14 2/2024 elnhausen, die „Barbarossa-Stadt“ auf halbem Wege zwischen Frankfurt und Fulda, ist bekannt für ihre Kaiserpfalz und die sehenswerte Innenstadt mit zahlreichen alten Fachwerkbauten. Über dem Markt erhebt sich die evangelische Marienkirche, einst Klosterkirche der Prämonstratenser. Die im „Rheinischen Übergangsbaustil“ erbaute Kirche besitzt eine reiche mittelalterliche Ausstattung und bildet mit seinen Türmen, Kapellenanbauten und dem reichen Bauschmuck ein eigenes Areal, eine Art „Heiliger Bezirk“, der sich von der quirligen Stadt allein schon durch die exponierte Lage abhebt. Nordöstlich der Marienkirche, immer noch in diesem kirchlichen Areal, befand sich im späten Mittelalter eine Heiliggrab-Anlage aus einem Karner, einer Michaelskapelle und dem Nachbau eines Heiligen Grabes. Schon Gustaf Dalman, der profunde Erforscher der Nachbauten des Heiligen Grabes im deutschen Sprachgebiet, schreibt schon vor hundert Jahren: „Ein bisher unerhelltes Dunkel schwebt über der Entstehung des Heiligen Grabes, das sich bis Juni 1825 auf dem evangelischen Friedhofe zu Gelnhausen, dicht hinter einem Beinhause, befand, aber damals abgebrochen und mit großer Sorgfalt auf dem reformierten FriedDas Heilige Grab in Gelnhausen – Bad Homburg Petrus Schüler G Marienkirche Gelnhausen
2/2024 15 hofe zu Homburg vor der Höhe wieder aufgebaut wurde.“ Dieses „unerhellte Dunkel“ bleibt bis heute: wir wissen nicht viel über die Entstehung dieses Baues; oft waren es ja heimkehrende Pilger, die einen Nachbau errichteten oder es waren Gelübde. Bei der Grabkapelle in Gelnhausen wissen wir über die Gründe zur Errichtung nichts, nur, dass sie um 1490 errichtet wurde. Auch wenn ihre bauliche Gestalt der „Aedicola“ in Jerusalem zu dieser Zeit entspricht, so kann Dalman eine interessante Feststellung machen: „Die ganze Anlage im Inneren wie im Äußeren gibt sich als eine unmittelbare Nachbildung nicht der Grabkapelle von Jerusalem, sondern des Heiligen Grabes von Nürnberg von 1459 …“ Dieses erwähnte Heilige Grab in Nürnberg ist nicht mehr erhalten, wir sind aber über seine Geschichte recht gut unterrichtet: „Im Jahr 1453 war GEORG KETZEL mit Kurfürst Friedrich II. von der Mark in Jerusalem, und 1459 ließ er auf dem damaligen „neuen Spitel Kirchhof“ jene Kapelle bauen…“ Dalman bemerkt bezüglich der Ähnlichkeit der Bauten: „Auch jemand, der nie in Jerusalem war, hätte den Nürnberger Bau in dieser Weise nachbilden können.“ Das heißt: Das Heilige Grab in Gelnhausen orientierte sich in erster Linie an diesem Vorbild, welches von Jerusalem-Pilgern errichtet wurde. Auch wenn das Nürnberger Vorbild heute nicht mehr vorhanden ist, gibt es einen „Nachbau“: im Jahre 1878 wurde vor der Nürnberger Lorenzkirche ein Wetterhäuschen errichtet, welches im Zweiten Weltkrieg den Bomben zum Opfer fiel und dann zum „100. Geburtstag“ im Jahre 1978 wiederaufgebaut wurde. Kaum einer der zahlreichen Touristen in Nürnbergs Innenstadt käme wohl auf den Gedanken, dass dieses kleine Häuschen eine Reminiszenz an das Heilige Grab in Jerusalem ist. Doch kehren wir zurück nach Gelnhausen: Wir sind in der glücklichen Lage, auch etwas zur liturgischen Einbindung der Wetterhäuschen vor der Nürnberger Lorenzkirche Heilige Grab Gelnhausen – Bad Homburg Heilige Grab Gelnhausen – Bad Homburg Heiliges Grab auf dem Reformierten Friedhof
IM LAND DES HERRN 16 2/2024 Grabkapelle in das liturgische Leben an der Marienkirche zu wissen. J. Haupt („Kronjuwel Gottes. Die Marienkirche in Gelnhausen“, Kassel 1982) zitiert eine Quelle um das Jahr 1490: „… das Begraben des Cruzifixes, welches am Charfreytag in einer Procession herumgetragen, mit Singen und Niederfallen geehret, und endlich mit Sammet und Seiden gekleidet, in das H.Grab geleget zu werden pflegte. Welches heilige grab noch hiesigen Orts auf dem Pfarr-Kirch-Hof zu sehen …“ Somit folgen wir mit dieser kurzen Beschreibung einer Linie, was die liturgischen Feiern am Heiligen Grab betrifft: schon die Pilgerin Egeria berichtet über die Zeremonien der spätantiken Osterliturgie, später entwickelt sich im mittelrheinischen Raum eine spezielle Osterliturgie, die sicher auch Vorbild für umliegende Gegenden war. Mit der Reformation verlor der Grabbau natürlich an Bedeutung, wurde aber immerhin weiter in Ehren gehalten und auch baulich erhalten. Die Lage neben der Hauptkirche der Stadt auf dem die Kirche umgebenden Friedhof war bis in das 19 Jh. ein gewisser Schutz. Als vor 200 Jahren das Gelände um die Kirche neu gestaltet wurde, musste das enge, noch mittelalterliche Straßennetz modernisiert werden. Die Post- und Handelsstraße von Frankfurt am Main nach Leipzig führte direkt an der Nordflanke der Marienkirche vorbei, und diese Straße war stark frequentiert. So sollte der Weg im nordöstlichen Bereich der Marienkirche begradigt werden und das Heilige Grab stand zum Abbruch. Das rief das kunstsinnige Landgrafenpaar FriedrichVI. Joseph von Hessen-Homburg (1769–1829) und seine Frau Elizabeth, geborene Prinzessin von Großbritannien und Irland (1770–1840) auf den Plan: sie hörten vom Verkauf des Bauwerks und ließen durch den Freiherrn Gremp von Freudenstein den Bau für die Summe von 500 Gulden kaufen. Der Landgraf erinnerte sich nämlich an Äußerungen seines verstorbenen Vaters, der fälschlicher Weise den Grabbau mit Kaiser Friedrich I. Barbarossa in Verbindung brachte. Doch dieser Irrtum trug dazu bei, dass sich die Kapelle bis heute – wenn auch in Bad Homburg – erhalten hat. Denn das Das Heilige Grab auf dem Friedhof der Marienkirche vor 1824 nach J. E. Ruhl
2/2024 17 19. Jh. wird in Gelnhausen als „Jahrhundert der Spitzhacke“ bezeichnet, in welchem viele Kulturgüter, so unter anderem auch die benachbarte Michaelskapelle (1289 erwähnt!) zerstört wurden. So wurde jeder einzelne Stein des Bauwerkes registriert, der Bau wurde ab dem 3. Juni 1825 niedergelegt und auf 21 Pferdewagen von Gelnhausen nach Homburg (ca. 60 km Entfernung) gebracht. Über diesen „Umzug“ sind wir gut informiert durch eine Akte aus der landgräflichen Kanzlei, welche in Kopien erhalten ist. Man nimmt an, dass die Kapelle in Gelnhausen noch verputzt war – ähnlich der anderen Bauten im Komplex Marienkirche. Doch im 19. Jh. herrschte die Meinung, dass mittelalterliche Bauten grundsätzlich nicht verputzt waren, und so wurde der Bau so errichtet, wie er sich heute noch zeigt. Beim Abbau in Gelnhausen wurde der Grundstein der Kapelle gefunden und in dessen Höhlung eine kleine, konische Glasflasche, die noch mit Wasser gefüllt war. Solche Glasflaschen als „Reliquienbehälter“ sind uns auch von anderen Orten bekannt, so zum Beispiel von einer abgebrochenen Kapelle in Cadolzburg oder vom Vorgängerbau der Michaelskirche in StutenseeBlankenloch. Der Landgraf ließ das in der Glasflasche vorhandene Wasser durch den Chemiker Prof. Morus aus Gießen, der damals Apotheker in Homburg war, untersuchen. Morus schreibt in seinem Gutachten: „Das mir von Sr. Hochfürstl. Durchlaucht… Landgrafen Friedrich Joseph zu Hessen etc. meinem gnädigsten Herrn zur chemischen Prüfung zugeschickte Wasser aus der Flasche, welche sich in dem Grundsteine des von Gelnhausen hierher versetzten Heil. Grabes befindet, ist durch seinen Gehalt so auffallend von unseren gewöhnlichen Brunnen- und Flusswassern verschieden und naht sich so sehr der einzig bekannten Analyse des Wassers des Jordan von dem berühmten Chemiker Marcel, indem es Salzsaures Natrum, Salzsauren Kalk, Salzsauren Talk und Schwefelsauren Kalk, in sehr geringem Verhältnisse zu der Menge des Fluidums, in Verbindung mit einiger vegetablischen Substanz enthält, dass man nicht zweifeln kann, dass diese Flasche in Palästina mit Wasser aus dem Jordan gefüllt worden sey…“ (Bad Homburg Stadtarchiv, Nachlass Heinrich von Silber) Am Ende des 19. Jh.s wurde der Bau wieder renoviert; leider sah man damals den Bau wesentlich als Erinnerung an den Landgrafen und leider wurde der Bau auch lange nur als Abstellraum für Gartengeräte des Friedhofes genutzt. Dieses Schattendasein änderte sich mit Beginn des neuen Jahrtausends: eine breite Öffentlichkeit interessierte sich wieder für die wechselvolle Geschichte dieses Bauwerkes. Das Heilige Grab wurde mustergültig restauriert, und 2004 wurden diese Arbeiten mit dem Hessischen Denkmalschutzpreis ausgezeichnet. Wie schon im Foto am Anfang des Artikels zu sehen ist, steht der Sandsteinbau an erhöhter Stelle des Friedhofes und zeichnet sich im Äußeren durch den Zinnenkranz aus, der schon auf den ältesten Darstellungen erkennbar ist. Das Innere orientiert sich am Jerusalemer Original: man tritt zuerst in die sogenannte „EngelsPlan des Heiligen Grabes aus: „Dalmann: Das Grab Christi“, Bibliothek des Kommissariates Heilige Grab Gelnhausen – Bad Homburg Heilige Grab Gelnhausen – Bad Homburg
IM LAND DES HERRN 18 2/2024 kapelle“, in der sich der „Engelstein“ und ein Opferstock befinden, der Stein hat die gotische Inschrift „que(m) que(r)it(is). Die eigentliche Grabkammer ist leer. Fassen wir die wechselhafte Geschichte dieses Heiligen Grabes kurz zusammen: am Ende des 15. Jh.s wird in Gelnhausen neben der Kloster- und Pfarrkirche ein Grabbau errichtet, der sein Vorbild im Heiligen Grab vom Norisstift in Nürnberg hat, welches nicht mehr erhalten ist, aber sehr genau dem Jerusalemer Original nachgebaut wurde. Diese Grabkapelle war in das liturgische Leben der Marienkirche eingebunden. Trotz der Reformation in Gelnhausen blieb diese Kapelle erhalten und musste erst weichen, als Straßenarbeiten um die Kirche herum das erforderlich machten. Bei der Bevölkerung rief das Protest hervor, aber es ist dem Landgrafenehepaar FriedrichVI. Joseph von Hessen-Homburg und seiner Gattin zu verdanken, dass das ganze Gebäude nach Homburg versetzt wurde. Es bleibt zu hoffen, dass das Heilige Grab nicht nur als Kulturgut gesehen wird, sondern auch in der Zukunft eine liturgische Nutzung und damit eine Verehrung der Gläubigen erfährt. Erwähnenswert sei noch, dass auf dem Katholischen Friedhof in Bad Homburg eine im Jahre 1879 geweihte Friedhofskapelle steht, in deren Krypta sich ein Nachbau der Jerusalemer „Grabeshöhle“ befindet. Doch es gibt in der Stadt eine weitere starke Verbindung zu Jerusalem: die Erlöserkirche. Die Erlöserkirche Bad Homburg Die evangelische Hauptkirche der Stadt ist ein gutes Beispiel der wilhelminischen Neoromantik mit Einflüssen des Jugendstiles. Das Äußere der Kirche ist auf Fernsicht angelegt und erinnert an die deutschen Kaiserdome. Beim Betreten der Kirche tut sich ein weiter, festlich-byzantinisch Raum auf, der sofort an die protestantische Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg (auch kurz „Auguste Victoria“ genannt) erinnert. Ja, wir können fast von einer „Schwesterkirche“ sprechen, gehören doch diese beiden Kirchen dem Kirchbauprogramm Kaiser Wilhelms II. an. Hier wie dort übernahm Auguste Victoria, die Gattin des Kaisers, das Patronat über den Kirchenbau. Das erste Geschenk an die Erlöserkirche von Seiten Auguste Victorias war ein neoromanisches Kruzifix, welches das Kaiserpaar bei ihrer Jerusalem-Wallfahrt im Jahre 1898 der dortigen neuen Erlöserkirche stiften wollte. Die Jerusalemer Gemeinde jedoch wünschte sich eine andere Lösung und so fand dieses kostbare Kreuz in Bad Homburg einen angemessenen Platz. Vielfältig sind in der Erlöserkirche die Elemente, die eine Beziehung zu Jerusalem bzw. zum Heiligen Land haben: so empfängt dem Besucher über dem Hauptportal schon eine Darstellung des Himmlischen Jerusalem. Im Atrium der Kirche erscheint das Jerusalem-Kreuz, die riesigen Rosetten-Fenster des Querarmes haben links die Gottesmutter als Thema, rechts die Kreuzigung Jesu vor einem Panorama der Stadt Jerusalem. Auf dem hinteren Umschlagbild unserer Inneres der Engelskapelle mit dem Engelstein und Opferstock
2/2024 19 Zeitschrift ist dieses Fenster dargestellt. Selbst für die Orgeln in Jerusalem wie in Bad Homburg wurde der gleiche Orgelbauer gewählt: Wilhelm Sauer aus Frankfurt/Oder. Die Orgel in Bad Homburg ahmt in ihrer Prospektgestaltung sogar die Orgel der Himmelfahrtskirche Jerusalem nach, welche zwei Jahre vorher fertiggestellt wurde. Literatur „Jerusalem im Abendland Das Heilige Grab in Bad Homburg v. d. Höhe“ Ausstellungskatalog Stadtarchiv Bad Homburg v. d. Höhe 2008 Gustaf Dalman: „Das Grab Christi in Deutschland“, Leipzig 1922 Georg Wilbertz: „Die Marienkirche in Gelnhausen“, Die Blauen Bücher 2000 „Jerusalem im Abendland“ Flyer zur Ausstellung und Vorträgen, organisiert vom Stadtarchiv Bad Homburg im „Gotischen Haus“ 2008 Jürgen Krüger: „Die Erlöserkirche in Bad Homburg v. d. H, Die Blauen Bücher 2008 Blick zur Orgel, der hintere Prospekt ist der Orginalprospekt der Sauer-Orgel Apsismosaik der Erlöserkirche Heilige Grab Gelnhausen – Bad Homburg Heilige Grab Gelnhausen – Bad Homburg
20 2/2024 ir berichteten schon in früheren Ausgaben unserer Zeitschrift, dass nach der erfolgreichen Renovierung der eigentlichen Grabkapelle als nächster Schritt genaue Untersuchungen des Bodenbelages der Kirche und die Restauration dieses Bodens vorgesehen waren. Zwar hat die Corona-Pandemie den Zeitplan völlig durcheinandergebracht, doch konnte im Sommer des Jahres 2023 eine weitere Phase der Restauration abgeschlossen werden: in sieben intensiven Arbeitstagen (und den dazugehörigen Nächten) wurde der Boden direkt vor dem Eingang des Heiligen Grabes geöffnet, um archäologische Untersuchungen durchzuführen. Erinnern wir uns an die Arbeiten, die an der „Edicola“ ausgeführt wurden: sofort nach dem Osterfest 2016 wurde diese Renovierung begonnen und sollte bis zum Osterfest 2017 abgeschlossen sein. Um diesen ehrgeizigen Zeitplan einzuhalten, wurde vor allem in der Nacht gearbeitet, um den Gottesdienst und die Verehrung (Besuch) möglichst wenig einzuschränken. Ich war in dieser Zeit Organist der Grabeskirche und hatte jeden Morgen die Möglichkeit, den Fortschritt der Arbeiten zu beobachten. Durch die zahlreichen Erdbeben war vor allem die Nordseite in Mitleidenschaft gezogen worden, und dort wurde nach Entfernung der hässlichen Stützgerüste Stein für Stein der äußeren Mauerstruktur abgenommen und mittels eines Aufzuges auf Emporen der Franziskaner im Ostteil der Kirche gebracht, wo in einem Labor jeder einzelne Stein genauestens untersucht wurde. Nach Reinigung und ggf. Ergänzungen wurden die Steine in riesigen Regalen gelagert, bis sie wieder an ihrem alten Platz eingefügt wurden. Alle diese Arbeiten wurden von griechischen Spezialisten ausgeführt, die dem „Personal“ der Grabeskirche von Zeit zu Zeit auch Einblicke in ihre Arbeit gegeben haben. Für mich bleibt es ein unvergessliches Erlebnis, als uns in einer Art „Röntgen-Verfahren“ gezeigt wurde, dass im Bereich des eigentlichen Grabes (im Inneren als „Bank“ erkennbar) noch der gewachsene Fels vorhanden war. Der Boden der Grabeskirche – es fällt Licht in das Dunkel der Jahrhunderte Petrus Schüler W Fußboden in der Rotunde der Grabeskirche © Igor Hollmann
2/2024 21 Bei diesen Arbeiten wurde ein künstlicher Fußboden aufgeschüttet, um den eigentlichen Bodenbelag zu schützen. Im direkten Mauerbereich wurden einige Stellen geöffnet, und es wurden beispielsweise einige Öffnungen zu einem ausgeklügelten Regenwasser-Ableitungssystem sichtbar. Erinnern wir uns, dass die Rotunde eine offene Kuppel besaß, ähnlich der Kuppel des Pantheon in Rom, durch die Niederschläge eindringen konnten. Dem aufmerksamen Besucher werden die kleinen Wasserspeier im oberen Teil des Grabbaues schon aufgefallen sein, die genau diesem Zweck dienten. Durch die im Boden gefundenen Öffnungen wurde das Wasser dann in unterirdische Zisternen abgeleitet, von denen es mehrere im Komplex der Grabeskirche gibt. Der Pilger kann zum Beispiel die „Helena-Zisterne“ besuchen, deren Zugang auf dem Dach der Grabeskirche liegt. Auch auf dem Vorhof der Grabeskirche sind Öffnungen zu zwei riesigen unterirdischen Zisternen zu sehen. Die meist unzugänglichen Zisternen direkt unter der Kirche sind ein Grund für die ständige Feuchtigkeit in der Kirche und damit auch im Konvent der Franziskaner. Als Organist hatte ich ein kleines Zimmer in diesem Konvent: die Feuchtigkeit zersetzte auch den Stein, und damit musste man im Grunde jeden Tag den pulverisierten Stein wegkehren. Dass schon die Baumeister der konstantinischen Zeit das Wasserableitungssystem in die Planung der Kirche aufgenommen haben, zeigt ein „Tunnel“, der sich im Bereich der Franziskaner befindet: unter der Orgelempore beim Magdalena-Altar befindet sich der Einstieg in ein zufällig gefundenes Gewölbe, welches in einen niedrigen Gang (Höhe 1,30 m) mündet. Dieser Gang führt unterirdisch bis zum Felsen des Grabes Christi, wo er in einem „Gully“ endet. Eben dieser „Gully“ konnte bei den Erneuerungsarbeiten 2016/2017 intensiv erforscht werden. Hier verschwand nicht nur das Wasser des „offenen Auges“ der Kuppel, es wurden auch Erde, Sand und Abfall angespült. Schon bei früheren Untersuchungen wurden zahlreiche Mosaiksteinchen gefunden, Reste der einstmals prächtig geschmückten Kirche. Auch die Armenier besitzen Räume im Untergrund. Es ist darum auch ein Ziel der Untersuchungen gewesen, die verschiedenen Räume der verschiedenen Kommunitäten aufzunehmen und zu erforschen, um etwas über die Belastbarkeit des Bodens aussagen zu können. Auch diese Forschungen werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen, handelt es sich doch um einen Raum mit einer Baugeschichte von immerhin 1700 Jahren. Doch kehren wir zurück zu den Bodenuntersuchungen am Eingang der Grabkapelle. Die umfangreichen und langwierigen Restaurationsarbeiten werden von den drei hauptsächlich für die Kirche zuständigen Gemeinschaften verantwortet und auch finanziert: das griechisch-orthodoxe Patriarchat, das armenisch-apostolische Patriarchat sowie von Seiten der Katholischen Kirche die Franziskaner der Kustodie. Dabei sei erwähnt, dass die völkerrechtswidrige Besatzung der Altstadt durch Israel seit 1967 keinen Einfluss auf den Status der Heiligen Stätten hat: der jordanische König (auch Protektor des „Tempelberges“) hat bei der letzten Renovierung im Jahre 2016 eine erste sehr großzügige Spende für die Renovierung gegeben und damit explizit seine Funktion als Protektor bekräftigt. Natürlich versuchen die israelischen Autoritäten auch hier, unrechtmäßig einzugreifen: als sich vor einigen Jahren ein Stein am Eingang der Edicola um einige Millimeter verschob, sperrten die israelischen Behörden ohne Rücksprache mit den Besitzern (den drei Kommunitäten) den Zugang zur Grabkapelle. Es dauerte keine Stunde, bis der griechisch-orthodoxe Patriarch in der Kirche erschien, gefolgt von einem Vertreter der Kustodie Boden der Grabeskirche Boden der Grabeskirche Arbeiten an einem der Entwässerungskanäle an der Grabkapelle
IM LAND DES HERRN 22 2/2024 und der Armenisch-Apostolischen Kirche, die alle sofort scharfen Protest gegen diese Aktion einlegten und den Zugang wieder öffneten. Die im Sommer 2023 ausgeführten Arbeiten wurden ausgeführt von der Abteilung Altertumswissenschaften (Dipartimento di Science dell’Antichità) der Universität „Sapienza“ Rom unter Leitung von Francesca Romana Stasolla, Dozentin für Christliche und Mittelalterliche Archäologie. Auch wenn es noch eine Zeit braucht, um alle Ergebnisse zu veröffentlichen, kann man doch schon bemerkenswerte Ergebnisse nennen: Wir wissen, dass der Begräbnisplatz außerhalb der Mauern Jerusalems im Gebiet eines aufgelassenen Steinbruchs lag, und wir wissen, dass dieses Steinbruchgelände später landwirtschaftlich genutzt wurde. Auch der Besucher der Grabeskirche kann Reste dieses Steinbruchs sehen, wenn er hinunter zur Grotte der Auffindung des hl. Kreuzes geht und dann rechts die Strukturen des Steinbruchs sieht. Dieser Steinbruch erstreckte sich weiter nach Norden und Osten. Wer gute Beziehungen zu den armenischen Geistlichen der Grabeskirche hat, kann einen größeren Teil des gleichen Steinbruchs unter der Helena-Kapelle sehen. Bei den jüngsten Ausgrabungen wurden Trockenmauern gefunden, die auf eine Parzellierung der landwirtschaftlichen Flächen schließen lässt. Pollen und Pflanzenmaterial werden noch genau untersucht. Am direkten Eingang zum eigentlichen Grab wurden zwei Marmorstufen sichtbar, über die die Pilger das Grab betraten. Ein Glücksfall für die Archäologen war der Fund von Münzen zwischen den Marmorstufen. Es war allgemein üblich, Münzen nach Vollendung eines Baues zu deponieren. Die jüngste der Münzen datiert aus dem Jahre 378 n. Chr. Somit lässt sich eine weitere Schlussfolgerung ziehen: als die berühmte Pilgerin das Heilige Land besuchte – wohl in den Jahren zwischen 381–384 n. Chr. – und Plätze, Wege, Liturgien etc. beschrieb, war der Bau der Rotunde erst seit kurzem abgeschlossen. Was Stasolla und ihre Ausgräber jedoch überraschte, war, dass kaum römische Reste aufzufinden waren. Man meinte, hier Reste römischer Tempel zu finden. Die Ausgrabungen konnten bis in den Vorraum der Grabeshöhle ausgedehnt werden. Unter dem Fußboden wurde der gewachsene Fels sichtbar, der hier bis zur Glätte abgetreten war – für die Archäologen ein Indiz, dass das Grab Christi schon in frühchristlicher Zeit intensiv besucht und verehrt wurde. Die Arbeiten am Fußboden der Rotunde wurden auch mit kurzer Unterbrechung im Herbst 2023 fortgesetzt. Dabei wurden jeweils kleine Areale bearbeitet, damit der Gottesdienst und die Verehrung des Grabes so wenig wie möglich gestört wird. Dabei wurde dann u. a. ein römischer Weg in Ost-West-Richtung gefunden, auch tauchten wieder verschiedene Kanäle des immer wieder renovierten Entwässerungssystems auf. In der direkten Umgebung der Umfassungsmauern wurden verschiedene Strukturen entdeckt, die in Zukunft Aufschluss geben können über das Aussehen des Grabes in frühchristlicher Zeit. Momentan ist es sicher zu früh, um die Ausgrabungen abschließend beurteilen zu können. Wir dürfen gespannt sein, was uns der Fußboden der Grabeskirche noch über ihre Geschichte erzählen wird. Helena-Grotte der Grabeskirche; rechts im Bild die Überreste des ehemaligen Steinbruchs
2/2024 23 Ausstellung in München: Oskar Schindler – Lebemann und Lebensretter er sudetendeutsche Unternehmer Oskar Schindler (1908–1974) rettete gemeinsam mit seiner Frau Emilie 1200 Juden vor den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten. Dieser Akt der Menschlichkeit wurde erst 1993 mit dem Spielfilm Schindlers Liste einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Aus Anlass des 50. Todestages von Oskar Schindler erzählt das Sudetendeutsche Museum München in einer Sonderausstellung vom 7. Juni bis 27. Oktober 2024 die Geschichte seiner Rettungsaktion und veranschaulicht das Leben eines Menschen mit Charisma und widersprüchlichen Charakterzügen. Im Zentrum der Ausstellung steht ein spektakuläres Exponat: zwei originale Seiten einer Namensliste jüdischer Häftlinge, die bisher noch nirgendwo ausgestellt wurden. Ein vielfältiges Rahmenprogramm begleitet die Ausstellung, der Eintritt ist gratis. Oskar Schindler wurde auf seinen Wunsch hin in Jerusalem begraben – auf dem Friedhof der Pfarrei St. Salvator auf dem Zion. Der Friedhof ist täglich geöffnet. D Ausstellung im Sudetendeutschen Museum Friedhofseingang und Grab Schindlers auf dem Zion © Jakobus M. Raschko
24 2/2024 er erste Eindruck, den ich beim Betreten der Stadt hatte, war, dass es schwierig war, zu verstehen, wo man sich befand, dass es sehr schwierig war, Orte wiederzuerkennen, die man bis dahin kannte. Sie waren nicht mehr wiederzuerkennen. Etwas Ähnliches habe ich 2014/15 in Aleppo erlebt. Selbst diejenigen, die bei mir waren, waren sehr betroffen. Wir gingen schweigend durch die Straßen. Alles ist zerstört, es ist sehr schwierig, ein einziges intaktes Haus zu finden. Selbst diejenigen, die hier und da in Häusern leben, haben zwar ein Dach über dem Kopf, aber sie leben in unzumutbaren Zuständen. All dies ist sehr traurig, ja sogar zermürbend. Ich war fast vier Tage lang dort. Ich wollte bei ihnen sein. Ich wollte bei ihnen sein, und das habe ich getan. Ich habe alle Familien getroffen, was einfach war, weil sie alle am selben Ort wohnen. Natürlich habe ich auch die orthodoxe Gemeinde besucht. Der Bischof und der Pfarrer haben mich gut aufgenommen, es war gut, zusammen zu sein. Ich habe versucht, ihnen allen zuzuhören, einem nach dem anderen. Ich habe versucht, mich jedem einzelnen von ihnen vorzustellen. Ständig hörte man Feuergefechte, Explosionen. Manchmal ganz nah, manchmal weiter weg. Aber kontinuierlich. Kardinal Pizzaballa in Gaza Petrus Schüler Am 16. Mai 2024 reiste Kardinal Pierbattista Pizzaballa, Lateinischer Patriarch von Jerusalem, in den nördlichen Gazastreifen und besuchte die Gemeinde der Heiligen Familie. Er blieb vier Tage lang bei den Gläubigen und spendete zwei Jungen das Sakrament der Firmung. Er hörte sich die Geschichten der Menschen an, sah ihre Tränen. Bei seiner Rückkehr nach Jerusalem gab er sichtlich erschöpft eine Pressekonferenz. Lassen wir ihn selbst zu Wort kommen: D In der Schule der Rosenkranzschwestern in Gaza verarbeiten Jugendliche ihre Traumata
2/2024 25 Die Kämpfe gehen weiter. Und diese Situation löst bei den Menschen große Traumata aus, mit denen wir uns ernsthaft auseinandersetzen sollten. Jemand hat mich darauf hingewiesen, dass die Gesichter gelb sind, es ist nicht so, dass alle unbedingt krank sind. Aber oft ist das Essen sehr lange haltbar, also wenig Vitamine, kein Gemüse. Es gibt keine Kühlwagen, also gibt es kein frisches Gemüse. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Bevölkerung. Aber kein Wort des Unmuts, des Grolls, das ist auch ein Zeichen, dass die Gemeinschaft es geschafft hat, einigermaßen gut zu leben, so gut man in diesen Zeiten leben kann. Ich kann sagen, dass ich vor allem von dem Wunsch nach einem Ende des Krieges beeindruckt war. Und ich muss sagen, dass es mich beeindruckt hat, von den Menschen dort zu hören: „Wir, wir Christen, haben keine Gewalt im Blut, wir können das nicht verstehen.“ Das hat mir sehr gut gefallen. Was kann ich noch sagen? Ich möchte eine klare Botschaft an die Entscheidungsträger senden. Kein Töten mehr! Der Krieg muss beendet werden und es müssen Wege für verschiedene Hilfen eröffnet werden, um eine drohende humanitäre Krise zu vermeiden. Ich hoffe, dass dieser Albtraum schnell ein Ende hat. Nachricht von Christian Media Center Jerusalem Kardinal Pizzaballa in Gaza Kardinal Pizzaballa in Gaza Kinderzeichnungen in Gaza
heilig-land.deRkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=