Im Land des Herrn | 78. Jahrgang | 2024 - 2

IM LAND DES HERRN 22 2/2024 und der Armenisch-Apostolischen Kirche, die alle sofort scharfen Protest gegen diese Aktion einlegten und den Zugang wieder öffneten. Die im Sommer 2023 ausgeführten Arbeiten wurden ausgeführt von der Abteilung Altertumswissenschaften (Dipartimento di Science dell’Antichità) der Universität „Sapienza“ Rom unter Leitung von Francesca Romana Stasolla, Dozentin für Christliche und Mittelalterliche Archäologie. Auch wenn es noch eine Zeit braucht, um alle Ergebnisse zu veröffentlichen, kann man doch schon bemerkenswerte Ergebnisse nennen: Wir wissen, dass der Begräbnisplatz außerhalb der Mauern Jerusalems im Gebiet eines aufgelassenen Steinbruchs lag, und wir wissen, dass dieses Steinbruchgelände später landwirtschaftlich genutzt wurde. Auch der Besucher der Grabeskirche kann Reste dieses Steinbruchs sehen, wenn er hinunter zur Grotte der Auffindung des hl. Kreuzes geht und dann rechts die Strukturen des Steinbruchs sieht. Dieser Steinbruch erstreckte sich weiter nach Norden und Osten. Wer gute Beziehungen zu den armenischen Geistlichen der Grabeskirche hat, kann einen größeren Teil des gleichen Steinbruchs unter der Helena-Kapelle sehen. Bei den jüngsten Ausgrabungen wurden Trockenmauern gefunden, die auf eine Parzellierung der landwirtschaftlichen Flächen schließen lässt. Pollen und Pflanzenmaterial werden noch genau untersucht. Am direkten Eingang zum eigentlichen Grab wurden zwei Marmorstufen sichtbar, über die die Pilger das Grab betraten. Ein Glücksfall für die Archäologen war der Fund von Münzen zwischen den Marmorstufen. Es war allgemein üblich, Münzen nach Vollendung eines Baues zu deponieren. Die jüngste der Münzen datiert aus dem Jahre 378 n. Chr. Somit lässt sich eine weitere Schlussfolgerung ziehen: als die berühmte Pilgerin das Heilige Land besuchte – wohl in den Jahren zwischen 381–384 n. Chr. – und Plätze, Wege, Liturgien etc. beschrieb, war der Bau der Rotunde erst seit kurzem abgeschlossen. Was Stasolla und ihre Ausgräber jedoch überraschte, war, dass kaum römische Reste aufzufinden waren. Man meinte, hier Reste römischer Tempel zu finden. Die Ausgrabungen konnten bis in den Vorraum der Grabeshöhle ausgedehnt werden. Unter dem Fußboden wurde der gewachsene Fels sichtbar, der hier bis zur Glätte abgetreten war – für die Archäologen ein Indiz, dass das Grab Christi schon in frühchristlicher Zeit intensiv besucht und verehrt wurde. Die Arbeiten am Fußboden der Rotunde wurden auch mit kurzer Unterbrechung im Herbst 2023 fortgesetzt. Dabei wurden jeweils kleine Areale bearbeitet, damit der Gottesdienst und die Verehrung des Grabes so wenig wie möglich gestört wird. Dabei wurde dann u. a. ein römischer Weg in Ost-West-Richtung gefunden, auch tauchten wieder verschiedene Kanäle des immer wieder renovierten Entwässerungssystems auf. In der direkten Umgebung der Umfassungsmauern wurden verschiedene Strukturen entdeckt, die in Zukunft Aufschluss geben können über das Aussehen des Grabes in frühchristlicher Zeit. Momentan ist es sicher zu früh, um die Ausgrabungen abschließend beurteilen zu können. Wir dürfen gespannt sein, was uns der Fußboden der Grabeskirche noch über ihre Geschichte erzählen wird. Helena-Grotte der Grabeskirche; rechts im Bild die Überreste des ehemaligen Steinbruchs

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