Im Land des Herrn | 78. Jahrgang | 2024 - 3

26 3/2024 In unserem Text wird diese Gegnerschaft nicht ausdrücklich hervorgehoben und bedacht. Aber sie ist wohl im Hintergrund gegenwärtig und bewirkt die Spannungen zwischen den Brüdern, aus denen schließlich der erste Mord hervorgeht. Die „Spende“ oder das Opfer Als handle es sich um eine Selbstverständlichkeit, sagt unser Text: „Eines Tages brachte Kain Jahwe eine Spende von der Frucht des Feldes dar, auch Abel brachte eine Spende von den Erstlingen seiner Schafe, von ihrem Fett.“ Dass der Mensch seinem Gott etwas „spendet“ (der entsprechende hebräische Ausdruck in unserem Text meint noch nicht das kultische Speise-Opfer, sondern ganz allgemein eine Gabe, die man Gott darbringt), ist Ausdruck für ein zwiespältiges Verhältnis des Menschen seinem Gott gegenüber. Vor dem Sündenfall im Paradies wäre der Mensch wohl nicht auf den Gedanken gekommen, dass er seinem Gott unbedingt etwas schenken müsse. Jetzt aber, nach der Vertreibung, ist an die Stelle des einstigen Gottvertrauens ein gewisses Misstrauen getreten: Ist Gott mir wohlgesonnen? Ist er mir gnädig und kann ich etwas dafür tun, mir seine Gnade zu sichern? Es sind also die von Gott verbannten Menschen, die sich mit einem Opfer an Gott wenden und ihn bitten, er möge sich mit seiner Gunst ihrer annehmen. Dass der Mensch sich seines Gottes nicht mehr „sicher“ sein kann, wird übrigens durch den weiteren „Gang der Handlung“ bestätigt. Grundlose Bevorzugung Unser Text fährt fort: „Jahwe achtete auf Abel und seine Spende, auf Kain und seine Spende achtete er nicht.“ – Das Aufregende an dieser Aussage ist der Mangel an Begründungen. Jeder Leser oder Hörer unserer Stelle fragt doch unwillkürlich: Was hat Kain falsch, was hat Abel besser gemacht? – Wir erfahren darüber nichts. Offenbar liegt dem Erzähler daran, die Annahme des Opfers ganz in den freien Willen Gottes hineinzuverlegen, gemäß einer berühmten Selbstaussage Jahwes: „Ich gewähre Gnade, wem ich will, und ich schenke Erbarmen, wem ich will“ (Ex 33,19). (Wenn man unbedingt eine in der Sache liegende Begründung für Abels Bevorzugung finden will, kann man darüber spekulieren, ob auf der damaligen Stufe der Entwicklung das blutige Tieropfer Abels mehr Gewicht hatte als das unblutige Speiseopfer Kains. Das ist aber eine bloße Vermutung!) Nicht beantwortet wird auch die andere, naheliegende Frage: Wie hat Kain denn gemerkt, dass er mit seiner Gabe bei Gott nicht „angekommen“ war? – Auch darüber lassen sich nur Vermutungen anstellen. Einigermaßen einsichtig ist die Annahme, dass Kain nach seinem Opfer in der Arbeit weniger Erfolg hatte als Abel. Vielleicht hatte er eine Missernte, während sich Abels Herden reichlich vermehrten. So schien Abel von Gott gesegnet, Kain aber übergangen und missachtet. Kains Zorn „Den Neid jag auf der Stelle fort – aus Neid geschah der erste Mord“, hat man früher den Kindern im Religionsunterricht beigebracht, nachdem man die Geschichte von Kain und Abel durchgenommen hatte. „Da entbrannte Kain sehr und es senkte sich sein Angesicht“, sagt der Urtext. Beachten wir: Es ist hier weniger von Neid als von Zorn die Rede, und dieser Zorn des Zurückgesetzten richtet sich primär nicht gegen Abel, sondern gegen Gott. Auf die Abwendung Gottes reagiert Kain seinerseits mit einer Opfer von Kain und Abel, Heilige Stiege, Rom IM LAND DES HERRN

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