Franziskanische Zeitschrift für das Heilige Land 79. Jahrgang 2025 / Heft 1
Ein Bild des (orthodoxen) Osterfeuers in der Grabeskirche Jerusalem steht am Beginn der neuen Ausgabe unserer Zeitschrift und lässt uns an das höchste Fest der Christenheit denken – Ostern, Fest der Auferstehung unseres Erlösers Jesus Christus. Passend zum Osterfest finden Sie einen kleinen Artikel zu den Glocken der Grabeskirche und einen längeren Artikel mit dem Titel „NON EST HIC“ („ER IST NICHT HIER“): es geht um einen Nachbau des Heiligen Grabes in Florenz. Dieser Nachbau ist heute Teil des Museums „Marino Marini“ und dort wurde in den letzten Monaten eine Ausstellung gezeigt, die den Ort der Auferstehung Christi wieder einmal in unseren europäischen Kontext gebracht hat. Das „Highlight“ war der katholische Altar von Golgota, der das erste Mal in seiner Geschichte außerhalb Jerusalems zu sehen war. Wie ist denn die aktuelle Lage im Heiligen Land? Ich weiß nicht, wie oft mir diese Frage gestellt wird. Sie bekommen hier einen kleinen Einblick in die Situation in Jerusalem. In Verantwortung für unsere Pilger bieten wir im Moment noch keine Reisen an, aber Sie können sicher sein, dass wir „in den Startlöchern stehen“. Syrien erlebt seit einigen Monaten einen radikalen Wandel und wir können nur hoffen, dass sich dieser Prozess friedlich und zum Wohl des Volkes fortsetzt. Einige Mitglieder der aktuellen Übergangsregierung sind den Franziskanern gut bekannt: sie kommen aus dem Norden Syriens, aus genau der Region, in der die MitbrüSehr verehrte Leserinnen und Leser, liebe Freunde des Heiligen Landes! der unter widrigsten Umständen und teilweise auch unter Todesgefahr in den letzten Jahren bei ihren wenigen Gläubigen geblieben sind und die Botschaft Christi nicht verleugnet haben. Wer denkt da nicht an unseren lieben neuen Heiligen Engelbert Kolland, dem auch wieder ein kleiner Artikel gewidmet ist. Im letzten Jahr konnte das „Studium Biblicum“ an der Flagellatio Jerusalem sein 100-jähriges Bestehen feiern. Wegen des Krieges waren keine großen Feiern möglich, aber wir möchten unseren Lesern den Ort und seine Geschichte vorstellen. NON EST HIC – der junge Mann, der den drei Frauen am Ostermorgen die Nachricht der Auferstehung Jesu verkündet, fährt fort mit den Worten: „Seht, da ist die Stelle wohin man ihn gelegt hat.“ Wenn wir uns mit den Nachbauten des Heiligen Grabes beschäftigen, dann tun wir das im übertragenen Sinn. Doch die Ostergeschichte geht weiter: zwei der Jünger gehen nach Emmaus, andere gehen nach Galiläa. Niemand bleibt beim leeren Grab, denn ER IST NICHT HIER. Jesus Christus sagt selbst zu seinen Jüngern, wie es nach Tod und Grab weitergehen soll: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!“ Im Namen der deutschsprachigen Kommissare des Heiligen Landes wünsche ich ihnen ein gesegnetes, fröhliches Osterfest,
1/2025 3 Inhalt Biblische Gestalten Abraham, Stammvater Israels und Vater des Glaubens Sigfried Grän OFM Das Kloster der Flagellatio Heinrich Fürst OFM/ Gregor Geiger OFM Ein Ort mit 2000 Jahren Geschichte Gianantonio Urbani (Studium Biblicum Franciscanum, Jerusalem) Sonderbriefmarke zu Ehren des Heiligen Engelbert Kolland Non est hic – Er ist nicht hier Das Heilige Grab in der Kapelle Rucellai in Florenz Petrus Schüler OFM Die Glocken der Grabeskirche Jerusalem Marie-Armelle Beaulieu Jerusalem im Krieg? – Ein Franziskaner aus Jerusalem berichtet Gregor Geiger OFM Nachrichten aus dem Heiligen Land Gregor Geiger OFM / Petrus Schüler OFM „Ökumenische Regelungen sorgen für ein gutes Miteinander zwischen den Christen“ Cécile Lemoinegor Titelbild: Osterfeuer in Jerusalem Rückseite: Szene in Gaza Alle Fotos in der Zeitschrift (wenn nicht anders angegeben) © Petrus Schüler Seite 4 Seite 9 Seite 17 Seite 13 Seite 18 Seite 33 Seite 26 Seite 36 Seite 29
4 1/2025 nter den biblischen Gestalten, die wir in dieser Schrift vorstellen, ist Abraham eine der bedeutendsten. Das wird schon aus den Ehrentiteln erkennbar, die man diesem Patriarchen zugelegt hat. Er ist der „Freund Jahwes“, Jahwe aber ist „der Gott Abrahams“. Niemand kommt ihm „an Ruhm gleich“ (Sir 44,19). Er ist der „Vater Israels“ (Jes 51,2) und der „Vater der Gläubigen“ (Röm 4,11). Er ist der Inbegriff des „Segens für die Völker“ (Gen 12,3) und wir von Gott selbst „Prophet“ genannt (Gen 20,7). Als Träger der Verheißungen ist er für die Juden „unser Vater Abraham“, der seinen Kindern das Himmelreich sichert, dessen Seligkeit ausgemalt wird als „Sitzen-Dürfen in Abrahams Schoß“. – Jesus hat übrigens das Recht der Kinder Abrahams anerkannt, hat aber gegen jede diesbezügliche Überheblichkeit polemisiert: Wenn es sein muss, kann sich Gott aus Steinen „Kinder Abrahams“ erwecken (Mt 3,9). Der Name als Programm Ursprünglich hieß unser Patriarch „Abram“. Und die Forschung sieht darin ein Bekenntnis zur Macht und Würde Gottes: „Vater (ab: eine Gottesbezeichnung) ist erhaben (ram)“. – Als Gott mit Abram einen Bund geschlossen hatte, änderte er dessen Namen in „Abraham“, den die Bibel in volkstümlicher Weise (d. h. wissenschaftlich nicht ganz korrekt) als „Vater der Menge“ erklärt (raham heißt Volksmenge). Damit wäre angespielt auf die zahlreiche Nachkommenschaft, die Abraham von Gott verheißen wurde. – Ergiebiger für unser Verständnis Abrahams ist eine Auslegung des Titels „Vater des Glaubens“ oder „der Gläubigen“. Hinter ihm steht die Überzeugung, dass uns Abraham in vorbildlicher Weise vor Augen führt, was „glauben“ heißt: Gott vorbehaltlos vertrauen, auch wenn Verstand und Gefühl und alle äußeren Umstände dagegen U Abraham als „Vater der Menge“, dargestellt auch das „Sitzen-Dürfen in Abrahams Schoß“, Griechisch-orthodoxe Kirche Kafarnaum Biblische Gestalten Abraham, Stammvater Israels und Vater des Glaubens Sigfried Grän OFM
1/2025 5 Vater des Glaubens Vater des Glaubens sprechen. Unter diesem Gesichtspunkt hat man in unserer biblischen Abrahams-Darstellung (vgl. Gen 12–25) uralte Überlieferungen über einen musterhaften Stammvater gesammelt, die nicht als historische Protokolle zu werten sind, sondern als theologische Aussagen, die unter anderem auch erzieherische Funktion haben. Der fromme Israelit (und in seiner Nachfolge der fromme Christ) möge sich Abraham zum Vorbild nehmen und so konsequent die Wege Gottes gehen, wie das Abraham getan hat. Dann wird auch er erfahren dürfen: Gott verlässt keinen, der ihm die Treue hält. Er segnet ihn vielmehr und lässt ihn für andere zum Segen werden. Abrahams Lebensweg In der vorliegenden Folge unserer Serie stellen wir zunächst die „Lebensgeschichte“ Abrahams vor, wie wir sie der Bibel entnehmen können (wobei wir immer daran denken wollen: es handelt sich hier nicht um eine moderne Biografie, sondern um eine Sammlung von erbaulichen Legenden und Anekdoten, wie sie sich um die Gestalt eines großen Mannes gebildet haben. Den Inhalt einzelner Episoden, die theologisch z.T. sehr interessant sind, werden wir im Anschluss an unser „Lebensbild“ entfalten und diskutieren). Die Heimat Abrams war Ur in Chaldäa. Dort erging eines Tages, Abram war schon fünfundsiebzig Jahre alt, der Ruf Gottes an ihn: Verlass dein Vaterhaus und zieh in das Land, das ich dir zeigen werde! – In Begleitung seiner Frau Sara und seines Neffen Lot brach Abram mit seiner ganzen Habe auf und zog auf Gottes Weisung in das Land Kanaan, das er als Nomade durchstreifte, wobei er sich an manchen Orten längere Zeit aufhielt. Als es wegen der Weidegründe zwischen den Hirten Abrams und Lots zu einem Streit kam, trennt sich Abram von Lot, wobei er ihm großmütig die besseren Gebiete überließ. Bald wurde Lot das Opfer eines Überfalls. Er geriet in die Gewalt von fünf Königen. Aber Abram war reich und wehrhaft genug, mit einer Privattruppe von 318 Mann die Verfolgung der Entführer aufzunehmen und seinen Neffen zu befreien. – Bei seiner Rückkehr bewirtete ihn der Priesterkönig Melchisedek von Salem (Jerusalem) mit Brot und Wein und segnete ihn. Dafür gab ihm Abram den Zehnten von all seiner Habe. (Ein Hinweis, dass schon für den Stammvater Israels Jerusalem ein heiliger Ort war, auch wenn noch viele Jahrhunderte vergehen mussten, bis es dort einen Tempel und eine amtlich bestellte Priesterschaft gab.) Neue Visionen Nach diesen Ereignissen er- schien Gott dem Abram in einer Vision und versprach ihm, seine Nachkommen so zahlreich zu machen wie die Sterne am Himmel. Abram glaubte seinem höchsten Herrn, aber der Augenschein stand gegen ihn: Er war und blieb kinderlos. Da versuchte er, mit seinen menschlichen Möglichkeiten der himmlischen Verheißung nachzuhelfen. Da seine Frau Sara unfruchtbar war, zeugte er, wie es das altorientalische Recht gestattete, mit seiner ägyptiMoslemisches Heiligtum der Trennung Abrahams und Lots, Nebi Jaquin, östlich von Hebron
6 1/2025 IM LAND DES HERRN schen Sklavin Hagar einen Sohn, den er Ismael nannte. Doch wegen der Eifersucht Saras musste er Hagar und Ismael verstoßen. Beide ließen sich in der Wüste Paran nieder, und Ismael wurde zum Stammvater der Araber. Gott aber verhieß in einer neuen Erscheinung dem neunundneunzigjährigen Abram und seiner neunzigjährigen Frau Sara einen eigenen Sohn. Um diese Verheißung zu bekräftigen, schloss er mit Abram einen feierlichen Bund, wobei er sich verpflichtete, Abram das Verheißene Land, einen Sohn und zahlreiche Nachkommenschaft zu geben. Im Hinblick auf die vielen Nachkommen wurde der Name Abram nun in „Abraham“ (Vater der Völker) geändert. – Abraham seinerseits versprach Gott völlige Hingabe und Treue, und als äußeres Zeichen dieser Gottverbundenheit sollte Abraham selbst und jeder seiner männlichen Nachkommen beschnitten werden. „Isaak: Er lacht“ Bevor es zur Geburt des heißersehnten Stammhalters kam, wurde Abraham einer weiterem Gottesbegegnung gewürdigt: Als er bei den Eichen von Mamre in der Nähe von Hebron zeltete, erschienen ihm eines Tages drei Engel in Gestalt wandernder Männer. Und nachdem ihnen Abraham Gastfreundschaft erwiesen hatte, versprachen sie ihm: In einem Jahr wird deine Frau einen Sohn haben. – Sara, die das Gespräch mitgehört hatte, konnte angesichts ihres hohen Alters nur lachen (sie tat es heimlich, um die Gäste nicht zu kränken). Auf dieses Lachen führt man den Namen „Isaak“ zurück, der wörtlich bedeutet „er lacht“ und Verschiedenes ausdrücken kann: Die Freude des Himmels über ein Kind, auf dem Gottes Gnade ruht. Aber auch die Verwunderung der Mitmenschen, die bei den vorliegenden Umständen nicht mehr mit der Geburt eines Nachkommen gerechnet haben. – Aber noch war Isaak nicht auf der Welt. Da ereignete sich nach biblischer Darstellung ein Zwischenfall, der die göttlichen Verheißungen fast vereitelt hätte. Als sich Abraham im Negev aufhielt, ließ Abimelech, der König dieser Drei Engel bei Abraham, Bartolomeo Altomonte, Kunstsammlungen Stift Seitenstetten © stift seitenstetten Abraham verstößt Hagar mit Ismael, Bartolomeo Altomonte, Kunstsammlungen Stift Seitenstetten © stift seitenstetten
1/2025 7 Gegend, Sara in seinen Harem holen. Er tat das guten Gewissens, weil Abraham Sara als seine Schwester ausgegeben hatte. Gott aber erschien dem König im Traum und kündigte ihm ein Strafgericht an, worauf Abimelech die fremde Frau schleunigst (und unberührt) an ihren Ehemann zurückschickte. – Endlich kam der glückliche Tag: Sara gebar dem hundertjährigen Abraham einen Sohn, den man Isaak nannte und im Gehorsam gegen Gottes Weisung am achten Tag beschnitt. Die schwerste Glaubensprobe Abraham hatte es mit seinem Gott nicht leicht. Sein Glaube wurde mehr als einmal auf die Probe gestellt. Gott führte ihn Wege, die Abraham nicht überschaute. Er gab ihm Verheißungen, für die Abraham nicht die geringsten Garantien hatte. Aber alle diese bisherigen Erfahrungen waren irgendwie harmlos im Vergleich zu dem, was Gott eines Tages, als Isaak zu einem kleinen Jungen herangewachsen war, von Abraham verlangte: „Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak und geh in das Land Morija, und bring ihn dort auf einem der Berge, den ich dir nenne, als Brandopfer dar!“ (Gen 22,2). – Obwohl dieser Befehl jeder Logik und jedem menschlichen Gefühl widersprach, gehorchte Abraham, wenn auch schweren Herzens. Er war bereit, seine ganze Hoffnung, seine ganze Zukunft preiszugeben. In letzter Sekunde wurde dieses Opfer durch das Eingreifen eines Engels verhindert. An Stelle Isaaks wurde ein Widder als Brandopfer dargebracht. – Bis heute drängt es jeden BibelLeser über den Sinn dieser Glaubensprobe zu diskutieren (und wir werden auf die Problematik dieser Episode eingehen!). Zick, Opfer Isaaks © Diözesanmuseum Freising Foto: Walter Bayer Vater des Glaubens Vater des Glaubens
IM LAND DES HERRN 8 1/2025 Tod und Begräbnis Als Sara 127 Jahre alt geworden war, verschied sie in Kirjat-Arba, dem heutigen Hebron. Abraham erwarb dort für vierhundert Silberstücke das Grundstück eines gewissen Efron (in Machpela bei Mamre), wo er seine Frau in einer Höhle beisetzte. Hier wurde er auch selbst begraben, als er schließlich im Alter von 175 Jahren sein Leben beendete. – So lebte und starb Abraham tatsächlich als „Vater des Glaubens“ und nicht als einer, der „schauen“ durfte. Denn von der großen Nachkommenschaft, die Gott ihm verheißen hatte, sah er nur einen einzigen Menschen, nämlich seinen Sohn Isaak. Und von dem „Verheißenen Land“, in das Gott ihn hatte aufbrechen lassen, besaß er am Ende seiner Tage nur jenes Stückchen Erde, in dem seine Frau und er selbst ihre letzte Ruhestätte fanden. Historische Schlussbemerkung Geben wir am Schluss dem Historiker noch kurz das Wort: Wie wir schon sagten, ist alles, was uns von Abraham erzählt wird, sehr stark von Legenden verklärt. Das Bild des wirklichen Abraham lässt sich unter den vielen Übermalungen der späteren Jahrhunderte kaum mehr in seiner Urgestalt freilegen. – Vermutlich lebte der historische Patriarch um 1500 v. Chr. in den Steppengebieten von Südpalästina. Seine Nachkommen wurden in dieser Gegend allmählich sesshaft und übernahmen dabei nicht nur das Land, sondern auch die Kultstätten Kanaans. Sie verehrten aber dort ihren eigenen Gott Jahwe, den „Gott ihrer Väter“, ähnlich wie später das junge Christentum heidnische Heiligtümer „taufte“. Blinder Bettler am verschlossenen Eingang der Höhle Machpela in Hebron © Vuk
1/2025 9 ls Anfang der Via Dolorosa, des Kreuzweges, wird herkömmlich die Geißelungskapelle (lat. Flagellatio) betrachtet, die in einem ummauerten Hof rechts der Straße liegt. Ihr Türmchen ist schon von der Straße aus gut zu erkennen. 1836, in einer Periode der Schwäche der osmanischen Zentralregierung, als Ibrahim Pascha, der Gouverneur von Ägypten, auch Palästina beherrschte, gelang es den Franziskanern, auf dem angenommenen Gebiet der Burg Antonia Fuß zu fassen. Mit dem Ertrag der ersten bayerischen Palmsonntagskollekte für das Heilige Land, den Herzog Maximilian 1838 persönlich überbrachte, wurde an der Stelle der verfallenen mittelalterlichen eine neue Geißelungskapelle erbaut. Eine Gedenktafel, welche der Katholische Arbeiterverein von Bayern anlässlich einer Pilgerfahrt im Jahr 1900 anbringen ließ, erinnert daran. Die Kapelle wurde 1927–1929 vom FranDas Kloster der Flagellatio Heinrich Fürst OFM/ Gregor Geiger OFM A Äußeres der Geißelungskapelle
10 1/2025 IM LAND DES HERRN ziskanerarchitekten Antonio Barluzzi in mittelalterlichem Stil erneuert. Die drei Glasfenster stellen die Geißelung, das Händewaschen des Pilatus und den Triumph des Barabbas dar. In der Kuppel über dem Altarraum ist eine Dornenkrone dargestellt, die von Glasrosen durchsetzt ist. Durch sie fällt gedämpftes Licht in die Kirche – selbst im Todesleiden hat der Gläubige Hoffnung auf Licht. 1903 wurde an der Westseite des Hofes die Verurteilungskapelle unter Leitung des deutschen Franziskanerbruders Wendelin Hinterkeuser errichtet. Sie steht auf den Grundmauern einer mittelalterlichen orthodoxen Kirche. Die Altäre sind Produkte des späten Nazarenerstils. Das eigentlich Interessante an der Kirche ist der hintere Teil des Fußbodens mit seinen großflächigen rötlichen Steinplatten, die sich als Lithostrotos im Nachbargrundstück Ecce Homo fortsetzen (siehe Seite 15). Der Hof oder eine der beiden Kapellen sind ein guter Platz, sich den Anfang der Passion Jesu vor dem Richterstuhl des Pilatus zu vergegenwärtigen, wie sie in der Leidensgeschichte aufgezeichnet ist: Als Jesus vor dem Statthalter stand, fragte ihn dieser: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Du sagst es. Als aber die Hohepriester und die Ältesten ihn anklagten, gab er keine Antwort. Da sagte Pilatus zu ihm: Hörst du nicht, was sie dir alles vorwerfen? Er aber antwortete ihm auf keine einzige Frage, sodass der Statthalter sehr verwundert war. Jeweils zum Fest pflegte der Statthalter einen Gefangenen freizulassen, den das Volk verlangte. Damals war gerade ein berüchtigter Mann namens Jesus Barabbas im Gefängnis. Pilatus fragte nun die Menge, die zusammengekommen war: Was wollt ihr? Wen soll ich freilassen, Jesus Barabbas oder Jesus, den man den Christus nennt? Er wusste nämlich, dass man Jesus nur aus Neid an ihn ausgeliefert hatte. Während Pilatus auf dem Richterstuhl saß, sandte seine Frau zu ihm und ließ ihm sagen: Habe du nichts zu schaffen mit jenem Gerechten! Ich habe heute seinetwegen im Traum viel gelitten. Inzwischen überredeten die Hohepriester und die Ältesten die Menge, die Freilassung des Barabbas zu fordern, Jesus aber hinrichten zu lassen. Der Statthalter fragte sie: Wen von beiden soll ich freilassen? Sie riefen: Barabbas! Pilatus sagte zu ihnen: Was soll ich dann mit Jesus tun, den man den Christus nennt? Da antworteten sie alle: Ans Kreuz mit ihm! Er erwiderte: Was für ein Verbrechen hat er denn begangen? Sie aber schrien noch lauter: Ans Kreuz mit ihm! Als Pilatus sah, dass er nichts erreichte, sondern dass der Tumult immer größer wurde, ließ er Wasser bringen, wusch sich vor allen Leuten die Hände und sagte: Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen. Das ist eure Sache! Da rief das ganze Volk: Sein Blut – über uns und unsere Kinder! Darauf ließ er Barabbas Nach dem Verhör des Pilatus, Verurteilungskapelle
1/2025 11 frei, Jesus aber ließ er geißeln und lieferte ihn aus zur Kreuzigung (Mt 27,11–26). An den langen Trakt des Klostergebäudes neben beiden Kapellen schließt sich das Studium Biblicum Franciscanum, das „Franziskanische Bibelstudium“, an. Eigentlich gehören akademische Institutionen nicht zu den Schwerpunkten des Franziskanerordens, wenigstens nicht (mehr) im deutschen Sprachraum. Dieses Studium wurde 1924 gegründet, zunächst um die von den Franziskanern betreuten heiligen Stätten wissenschaftlich zu untersuchen. Daraus hat sich eine angesehene Hochschule entwickelt, anfangs mit den Schwerpunkten Archäologie sowie biblischer und christlicher Geographie, später kamen die klassischen Fächer der Bibelwissenschaft, alt- und neutestamentliche Exegese und Theologie sowie die biblischen Sprachen Hebräisch und Griechisch, hinzu. Schon bald wurde das Studium an die römische Franziskanerhochschule Antonianum angegliedert. Diese wurde 2005 eine kirchliche Universität, das Jerusalemer Bibelstudium deren Fakultät für Biblische Wissenschaften und Archäologie. Dadurch können die Studenten – derzeit knapp 100 – akademische Abschlüsse machen (bis zum Doktorat), die auch in Europa anerkannt sind. Zur Fakultät gehören eine umfangreiche Fachbibliothek und ein archäologisches Museum im Parterre des Gebäudes. Es umfasst eine multimediale Ausstellung über die Geschichte der Stadt Jerusalem, ausgehend von den archäologischen Funden, die an Ort und Stelle gemacht wurden, und eine Einführung in den Kreuzweg. Die umfangreiche archäologische Sammlung des Instituts mit Funden vor allem aus den franziskanischen Ausgrabungen ist gegenwärtig im Umbau. Ein erster Teil wurde 2018 wiedereröffnet. Sechs antike Räume wurden restauriert: eine byzantinische Zisterne, Kreuzfahrerräume sowie ein malerischer Hof aus mamelukischer Zeit. Die ausgestellten Fundstücke beleuchten politische Institutionen aus der herodianischen Zeit, das alltägliche Leben zur Zeit des Neuen Testaments und das Mönchtum in der Judäischen Wüste (mit einem georgischen Mosaik aus dem 6. Jahrhundert n. Chr., eines der weltweit ältesten Zeugnisse in georgischer Sprache und Schrift). Einige Räume beschäftigen sich mit dem Leben Jesu: seine Geburt in Betlehem, sein verborgenes Leben in Nazaret, sein öffentliches Wirken in Galiläa (Kafarnaum, Tabgha und Kana), seine Passion, sein Tod und seine Auferstehung in Jerusalem (von Getsemani bis zur Grabeskirche). Die Sammlungsstücke kommen zum großen Teil von Ausgrabungen, die von den Franziskanern in den letzten 150 Jahren durchgeführt wurden, darunter Fresken, Keramik, byzantinische Mosaike, Münzen, Statuen- und Architekturfragmente, bronzezeitliche Grabbeigaben, Särge und Georgisches Mosaik im Museum der Flagellatio Kloster der Flagellatio Kloster der Flagellatio
12 1/2025 Ossuarien (teils beschrieben), Schmückstücke, Öllampen, usw. Sie stammen aus verschiedenen Epochen, von der Kanaanäerzeit (2. Jahrtausend v. Chr.) bis zur Kreuzfahrerzeit (11. /12. Jahrhundert n. Chr.). Genau gegenüber dem Eingang zum Grundstück der Franziskaner ist der Endpunkt eines Tunnelganges aus herodianischer Zeit, dessen Eröffnung im Herbst 1996 zu blutigen Unruhen geführt hat. Der Ausgang wird seither von israelischen Sicherheitskräften eigens bewacht, der Eingang ist bei der Klagemauer. Daneben führt eine Rampe zur arabischen Omarijeschule hinauf. Sie steht am Ort der Burg Antonia. In der Mamlukenzeit nach den Kreuzfahrern war hier eine Koranschule, danach Sitz des Gouverneurs von Jerusalem. In der Mitte der Südfront erlauben Fenster den Blick auf den Tempelplatz. In der Römerzeit gab es hier Treppen direkt hinunter auf den Tempelplatz, so dass die Soldaten die Möglichkeit hatten schnell einzugreifen, wenn Unruhen ausbrachen. So berichtet beispielsweise die Apostelgeschichte: Schon wollten sie ihn (Paulus) umbringen, da brachte man dem Obersten der Kohorte die Meldung hinauf: Ganz Jerusalem ist in Aufruhr! Da nahm er sogleich Soldaten und Hauptleuten hinzu und eilte zu ihnen hinunter (Apg 21,31–32). Rechts neben den Aussichtsfenstern befand sich mit der Dornenkrönungskapelle aus der Zeit der Kreuzfahrer eine dritte Kapelle auf dem vermuteten Gelände der Burg Antonia. Sie wurde beim Erdbeben von 1927 weitgehend zerstört; der erhaltene Chorraum dient heute als Lehrerzimmer der Schule und ist nicht öffentlich zugänglich. Wie die beiden genannten Geißelungs- und Verurteilungskapellen ist auch diese Kapelle nicht als historische Festlegung zu verstehen. Es handelt sich vielmehr um Devotionalkapellen, welche an einzelne Momente der Leidensgeschichte erinnern. IM LAND DES HERRN Inneres der Omarijeschule, im Hintergrund der Tempelplatz © Neva Gasparo/CTS
1/2025 13 Ein Ort mit 2000 Jahren Geschichte – 100 Jahre Studium Biblicum Gianantonio Urbani (Studium Biblicum Franciscanum, Jerusalem) Originalplan von B. Bagatti mit den Buchstaben zur Lokalisierung © Studium Biblicum Franciscanum
14 1/2025 IM LAND DES HERRN as Kloster bei der Geißelungskapelle, Sitz des Studium Biblicum Franciscanum, befindet sich in einem Viertel von Jerusalem mit langer Geschichte. Anhand von archäologischen Zeugnissen, die von der hasmonäischen Zeit bis zum Mittelalter reichen, hilft uns dieser Ort, die Geschichte der Stadt neu zu lesen und ihre Komponenten im Kontext des Evangeliums wiederzugeben. Wie sah die Flagellatio in den 1920er Jahren aus, zur Zeit der Gründung des Studium Biblicum Franciscanum? Artefakte und Überreste der Geißelungs- und der Verurteilungskapelle erlauben es uns, einige historische Zeiträume besser zu verstehen. Um die archäologischen Zeugnisse, die dort gefunden wurden, einzuordnen, beziehen wir uns auf einen von P. Bellarmino Bagatti erstellten Plan des Stadtviertels: „Das Viertel der Flagellatio erstreckt sich heute über eine Breite von 30 bis 50 m und eine Länge von 120 m. Ausgrabungen und Studien fanden von 1838 bis 1928 nur schrittweise und teilweise statt … Überall, wo es möglich war, bemühte ich mich, alle Details gründlich zu überprüfen, so dass ich mir ein ziemlich genaues Bild der Entwicklung des Gesteins bis zum heutigen Zustand machen konnte. Hinzu kamen architektonische Elemente und Keramiken, die bei Ausgrabungen entdeckt und im Lapidarium aufbewahrt wurden.“ In den Bereichen A und B wurde die römische Pflasterung identifiziert, die auch an anderen Orten in der Stadt gefunden wurde. Sie wurde auf die Zeit der Aelia Capitolina datiert, als Jerusalem von Kaiser Hadrian tiefgreifend verändert wurde. Im Jahre 130 n. Chr. besuchte er die Stadt. Die Pflasterung war dazu bestimmt, einen großen Platz mit einem Triumphbogen zu Ehren des Kaisers zu gestalten, wie es einen am Damaskustor (früher: Säulentor) gibt. Die Flagellatio weist größere Pflasterflächen auf, die zu verschiedenen Zeiten zwischen dem Ende des 19. und dem Beginn des 20 Jahrhunderts entdeckt wurden. Zahlreiche Forscher haben sie untersucht. In der Nähe befindet sich ein Wasserbecken mit Stufen, das sich auch unter dem Ecce Homo-Konvent erstreckt: es ist unter dem Namen Struthionteich bekannt. Der Buchstabe B markiert den Rand oder Stylobat eines nord-süd-orientierten Kolonnadenkomplexes. Bagatti schreibt: „… der Boden wird von einer wunderschönen Steinmauer begrenzt, die einen Meter breit ist und zu einem Podest führt ... Es kann sich nur um die oberste Stufe des Sockelunterbaus (Stylobat) einer Kolonnade handeln.“ Auf einer Länge von 17 m durchquert dieser Stylobat den größten Teil der gepflasterten Zone. Ecce Homo Bogen während der Ausgrabungen. Der linke Teil des Triumphbogens ist jetzt Teil der Kirche, der rechte Teil ist offen von der Straße (Via dolorosa) zu sehen. Dieser Bogen gibt auch einen Eindruck, wie wohl der besagte Hadrian-Bogen ausgesehen mag. © wiki Commons D
1/2025 15 Eine der topografischen Besonderheiten Jerusalems sind die Felsaufschlüsse, die an verschiedenen Orten in der Stadt und in einigen alten Gebäuden zu finden sind. In diesem Viertel befinden sich mindestens drei, die sich durch Einkerbungen, Hohlräume, die als Wasserbecken dienen, auszeichnen. Hinzu kommen geschliffene, hohle Stellen, die Wasserkrüge enthalten können. Die Buchstaben C, E, F und H zeigen, wo der Fels aus den Steinplatten herausragt oder sichtbar ist. Der Fels grenzt an einige Bauwerke in der Nähe der Burg Antonia (Buchstabe G). Im Frühjahr 1983 begannen auf unserem Gelände die Renovierungsarbeiten an der Aula Magna, die später Aula B. Bagatti heißen und genug Platz schaffen sollte, um die Bibliothek zu vergrößern. Diese Arbeiten wurden von zwei Brüdern durchgeführt, P. Stanislao Loffreda ofm und P. Eugenio Alliata ofm. Sie wiesen auf zahlreiche Einkerbungen im Fels hin sowie auf Überreste von Höhlen aus spätbyzantinischer und arabischer Zeit. Auf der Pflasterung des Lithostrotos sind viele Spuren von eingeritzten Spielfeldern (tabulae lusoriae) zu finden. Ein Teil der Spiele, die auf den Steinpflastern dargestellt werden, beziehen sich auf das Johannesevangelium, Kapitel 19. Sie sind auch unterschiedlich, da einige auf die damalige griechisch-römische Gesellschaft zurückgehen. Ein besonderes Augenmerk gilt einer Inschrift, die beim Besuch des Kaisers im Jahre 130 n. Chr. in den Stein geritzt wurde. Ein Teil dieser Inschrift befindet sich seit 1903 in unserem Museum; der andere wurde zufällig 2014 gefunden und 2016 im Israel-Museum im Rahmen einer Ausstellung über den Besuchs Hadrians in Jerusalem präsentiert. Beide Inschriftenteile wurden bei diesem Anlass vereinigt. Die verschiedenen Etappen Hier eine kurze Zusammenfassung der Etappen, die dazu beigetragen haben, den Standort des Studium Biblicum Franciscanum mit dem Ort der Geißelung gleichzusetzen: 1. Die hasmonäische-herodianische Phase (2.– 1. Jahrhundert v. Chr.), zu der die Stufen des Hadrian-Inschrift bei der Ausstellung im Israel-Museum: erster Teil aus der Flagellatio, der zweite Teil bei Ausgrabungen am Damaskustor 2014 gefunden. Beide Teile wurden hier das erste Mal wieder vereint. Studium Biblicum Franciscanum Studium Biblicum Franciscanum
16 1/2025 IM LAND DES HERRN Struthionteichs, der numismatische Beweis und die Nähe der archäologischen Stätte des Ecce Homo-Konvents gehören. Pater Stanislao Loffreda weist auf Folgendes hin: „Das Vallum, das die nördliche Flanke des Turms der Burg Antonia schützte, entspricht, wenn auch nur teilweise, dem Verlauf der heutigen Straße zwischen dem Geißelungskloster im Norden und der moslemischen Schule im Süden.“ 2. Die herodianische Phase (1. Jahrhundert v. Chr.) mit der Burg Antonia, von der einige architektonische Elemente im Terra Sancta Museum zu sehen sind. Dennoch wurden sie aus ihrem Kontext gerissen. Im Museum werden auch zahlreiche Zeugnisse des ersten jüdischen Aufstands (66–70 n. Chr.) ausgestellt. 3. Die römische Phase (2. Jahrhundert n. Chr.) mit dem Bau der Straße und des Platzes, der zu einem Torbogen führt. Dieser wurde später anlässlich des Besuchs von Kaiser Hadrian zu einem Triumphbogen umgestaltet. Fragmente von Straßenbelägen, Stufen, flache Wasserbecken und niedrige Mauern sind Zeugnisse der späteren Phasen, die sich von der römischen Zeit bis zum Mittelalter (12.–13. Jahrhundert) erstrecken. Sie können bis in die spätbyzantinische Zeit zurückreichen. Die beiden Bereiche, zu denen die Kirche und die Kapelle gehören (Buchstaben A, M und N), gehen auf das Mittelalter zurück (12.–13. Jahrhundert). Als Heilige Stätten erinnern sie an Episoden aus der Heiligen Schrift: die Verurteilung Jesu durch Pilates und die anschließende Geißelung. Hier entstand im 14. Jahrhundert die Via Dolorosa. Artikel aus „Terre Sainte Magazine“ Mai/ Juni 2024, die Übersetzung besorgte Frau Rose-Marie Eisenkolb Römisches Pflaster mit „Spielbrettern“ der Soldaten, heute in der Verurteilungskapelle der Flagellatio
1/2025 17 ach Bekanntwerden der bevorstehenden Heiligsprechung von Engelbert Kolland ergriff der Österreichische Philatelistenverein St. Gabriel – die Initiative und stellte ein Ansuchen an die Österreichische Post AG um Herausgabe einer Sonderbriefmarke „Heiliger Engelbert Kolland“. Diese wurde am Freitag, 24. Jänner 2025, im Rahmen eines Festaktes mit Heiliger Messe und anschließender Präsentation der Marke den zahlreich erschienenen Engelbertverehrern und Briefmarkenliebhabern in Ramsau im Zillertal vorgestellt. Festzelebrant Weihbischof Hansjörg Hofer, der im Beisein von Franziskanerprovinzial Fritz Wenigwieser OFM, Pf. Hans Peter Proßegger, Pf. Piotr Patyk und Dekan Ignaz Steinwender der Heiligen Messe vorstand, freute sich über diesen „Nachklang“ der Heiligsprechungsfeierlichkeiten und sprach in der Predigt davon, dass der Heilige Engelbert Kolland, der ja selbst ein sehr fleißiger Briefschreiber war (es gab zu seiner Zeit auch bereits die aufklebbaren Briefmarken, wie wir sie heute kennen), wohl nie davon geträumt hat, selbst einmal auf eine Sonderbriefmarke verewigt zu sein. Viele seiner Briefe sind in der Engelbertbiografie von P. Gottfried Egger OFM nachzulesen, Weihbischof Hofer zitierte einen davon, wo Engelbert die Eltern und Großeltern ermahnte, den Glauben an die Kinder weiterzugeben und ihnen Vorbilder zu sein. Die Briefmarke sei nun ein weiterer Mosaikstein, um den Heiligen Engelbert bekannter zu machen. Im Anschluss an den Gottesdienst folgte die offizielle Präsentation der Sondermarke. Zu Beginn schilderte der Obmann des Philatelistenvereins, Mag. Wilhelm Remes, die Entstehungsgeschichte der Sonderbriefmarke und betonte die große Aktualität des Heiligen Engelberts angesichts der derzeitigen Lage in Syrien, der der zu Lebzeiten Engelbert sehr ähnlich sei. Anschließend richtete Bürgermeister Fritz Steiner Grußworte an die Anwesenden. Die Gemeinde Ramsau lud alle Anwesenden ins Gemeindehaus, wo ein Sonderpostamt eingerichtet war und die Briefmarke erworben werden konnte, zu einer Agape ein. Die Marke „Heiliger Engelbert Kolland“ mit einem Nennwert von 1,50 € ist ab sofort im Online-Shop der Post und in den Niederlassungen erhältlich. Pfarre Zell am Ziller Die Sondermarke zu Ehren des Heiligen Engelbert Kolland N
18 1/2025 lorenz, das „italienische Athen“, ist sicher eine der schönsten Städte der Welt und gehört seit vielen Jahren schon zum Weltkulturerbe. Allein um das Zentrum der Altstadt in seinen wichtigsten Bauten zu erforschen, braucht der Besucher einige Tage. Unter den so zahlreichen außergewöhnlichen Museen, Palästen und Denkmälern – denken wir allein an die „Ponte Vecchio“, an den Dom mit seinem Baptisterium, an die Uffizien oder an Michelangelos „David“ – gibt es ein Heiliges Grab, dass im Mittelpunkt dieses Artikels stehen soll. Wenige Meter vom Fluss Arno entfernt, befindet sich im Komplex des Museums „Marino Marini“ die „Capella Rucellai“ als Teil der ehemaligen Kirche San Pancrazio. Wie im Bild zu sehen, enthält diese Kapelle einen Schatz, einen Nachbau des Jerusalemer Heiligen Grabes. Hinzu kommt, dass gerade im besagten Museum „Marino Marini“ eine hochkarätige Ausstellung seinen Platz F Non est hic – er ist nicht hier Das Heilige Grab in der Kapelle Rucellai in Florenz Petrus Schüler OFM Heiliges Grab im Rahmen der Ausstellung von der hinteren Seite
1/2025 19 hatte: „Il Tesoro di Terra Santa“ („Der Schatz des Heiligen Landes“) wurde vom 12. September 2024 bis zum 7. Jänner 2025 gezeigt; darauf soll in einem weiteren Artikel eingegangen werden. Beschäftigen wir uns nun mit diesem Meisterwerk: 1467 wurde dieser Renaissance-Tempietto („Tempelchen“) nach Entwurf von Leon Battista Alberti für die Stifterfamilie Rucellai fertiggestellt. Die Rucellai waren keine Unbekannten in der Stadt: es handelte sich um eine reiche Familie, die hauptsächlich vom Handel lebte. Auch Leon Battista Alberti zählte zu den bekanntesten Architekten in seiner Zeit, zumal er in päpstlichen Diensten stand und sich mit verschiedenen Arbeiten beschäftigte, nicht allein der Architektur. Man kann ihn mit Recht noch als „Universalgelehrten“ bezeichnen. Er stammte aus Genua (geboren 1404) und baute schon früher für die Familie Rucellai; beide Familien hatten die gleichen Ideale was Kunst und Kultur angeht. Seine Inspirationen empfing er von den großen Künstlern seiner Zeit: Brunelleschi, Ghiberti, Donatello und Masaccio. Architektonisch nahe steht dem „Tempietto“ des Heiligen Grabes die Fassade der Kirche „Santa Maria Novella“ neben dem Florenzer Hauptbahnhof – und damit für fast alle Besucher der Stadt eine bekannte Ansicht. Diese Ansicht der Fassade jener bekannten Dominikanerkirche Santa Maria Novella finden wir im Hintergrund eines für uns sehr interessanten Ölbildes wieder: in der „Collezione Giovanni Pratesi“ gibt es ein Ölgemälde mit Titel: Leon Battista Alberti präsentiert Giovanni Rucellai das Projekt der Kapelle des Heiligen Grabes für San Pancrazio. Dieses Bild wird auf etwa 1635 datiert und dem Maler Francesco Bianchi Buonavita zugeschrieben und ist Teil eines Zyklus mit der sich die Familie Rucellai stolz präsentiert. Gedacht waren diese großformatigen Bilder wohl für den Familienpalast der Rucellai in Florenz, stellen sie doch vor allem die Familiengeschichte dar. Schauen wir uns das Bild im Ausschnitt genauer an: Alberti zeigt Giovanni Rucellai Pläne des Heiligen Grabes in Jerusalem, er bedient sich dabei eines Zirkels und wir sehen im (erleuchteten) Hintergrund schon das davon inspirierte Heilige Grab („Tempietto“) in Florenz. Auf dem Gesamtgemälde erscheinen im dunkleren Hintergrund noch zwei wichtige Bauwerke: einmal der Familienpalast der Rucellai und die besagte Fassade von Santa Maria Novella. Bei aller Selbstdarstellung den die Ölgemälde für die Geschichte der Familie ausdrücken: mit dem Heiligen Grab steht das letzte Werk einer längeren Zusammenarbeit der beiden Seiten im Vordergrund und wir können wohl annehmen, dass damit auch die Verehrung des Heiligen Grabes dem Auftraggeber wichtiger scheint als andere Bauwerke. Hinweis darauf gibt uns die lateinische Inschrift über dem Eingang des Heiligen Grabes, welches der Familie Rucellai auch als eine Art Grabmonument dient: „Giovanni Rucellai, Sohn des Paolo, stiftete diesen Schrein, der nach dem Vorbild des Heiligen Grabes in Jerusalem gemacht wurde, um für seine Rettung durch den auferstandenen Christus zu beten, von dem alles kommt.“ Kapelle Rucellai Kapelle Rucellai Francesco Bianchi Buonavita: Leon Battista Alberti präsentiert Giovanni Rucellai das Projekt der Kapelle des Heiligen Grabes für San Pancrazio
20 1/2025 Kehren wir nun zum Bau zurück, wie er sich heute darstellt und eine Reihe der bekanntesten Nachbauten in Italien (Acquapendente, Aquilea, Pisa, Bologna) abschließt. Entgegen anderen Entstehungsgeschichten der Nachbauten des Heiligen Grabes steht hier keine Wallfahrt nach Jerusalem oder ein etwaiges Gelübde: Giovanni Rucellai war aber in Rom und könnte durchaus durch die dortigen Reliquien angeregt worden sein. Der ganze Bau hat eine Länge von gut 12 m und einer Breite von etwas über 6 m. Die Jerusalemer Gegebenheiten waren zu dieser Zeit durch Pilgerliteratur und Zeichnungen längst verbreitet. Hier in Florenz wurde jedoch auf die „Engelskapelle“ verzichtet, man gelangt direkt – und „geduckt“ – in den eigentlichen Grabraum. Die wie im Original auf der rechten Seite befindliche Grabbank ist 1,93 m lang und 80 cm breit und in rötlichem Marmor ausgeführt, ein weiterer Hinweis, dass man die Jerusalemer Situation kannte: dort war es der rötliche „MelekStein“. Die Wände im Inneren werden allerdings in „marmi finti“ ausgeführt, das heißt, dass der Marmor in Freskentechnik imitiert wird. Dabei wird auch Bildliches dargestellt: einmal eine Kreuzabnahme, bei der Josef von Arimathäa wohl eine gewisse Ähnlichkeit zu Giovanni Rucellai nicht verleugnet. Auch der Engelsstein fehlt nicht; hier in Florenz nicht in der Engelskapelle, aber an einer Außenwand. Oberhalb der Grabbank zeigt ein Fresko den Auferstandenen, hier also wieder ein Anklang an die Jerusalemer Verhältnisse. Noch deutlicher wird die Bedeutung des „Leeren Grabes“ im umlaufenden Fries (in Bild 1 gut sichtbar): YHESUM QUERITIS NAZRENUM CRUCIFIXUM. SURREXIT NON EST HIC – ECCE LOCUS UBI POSUERUNT EUM Hier wird der biblische Bericht des Ostermorgens nach Markus 16,6 zusammengefasst, wenn der Engel zu den drei Frauen sagt: „Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist Ausschnitt aus dem Gemälde IM LAND DES HERRN
1/2025 21 nicht hier. Seht, das ist die Stelle wohin man ihn gelegt hat.“ Sicher wäre noch einiges zu berichten zur Verwendung des Materials und zur äußeren Hülle des Baues, aber wenden wir uns nun der erst kürzlich zu Ende gegangenen Ausstellung zu. Glanzstücke aus dem Heiligen Land in Florenz „Die Meisterstücke aus dem Heiligen Land im Museum Marino Martini Florenz sind mehr als eine Ausstellung: Sie sind eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Glaube und Kunst, eine Brücke zwischen den Menschen“ Leyla Bezzi, Kuratorin der Ausstellung In den vielen Jahrhunderten der franziskanischen Präsenz im Heiligen Land arbeiteten die Brüder schon immer in ganz verschiedenen Aufgabenfeldern, wie zum Beispiel in der Erziehung, Pastoral, Krankenpflege und Pilgerbetreuung. Eine der wichtigsten Aufgaben jedoch war und ist die Sorge um die Heiligen Stätten. An manchen Stellen konnten die Franziskaner fast ununterbrochen wirken, manche Heiligtümer gingen verloren und manche verlorene Heiligtümer konnten wieder erworben werden. Der räumliche Mittelpunkt der Kustodie und ihrer Heiligtümer ist zweifellos Jerusalem und die benachbarten Orte wie Betlehem und Ain Karem. Persönlich mittellos, waren die Franziskaner auf Unterstützung von außen angewiesen; seit über 600 Jahren (Errichtung 1421 durch die Bulle „His quae pro ecclesiasticarum“ von Papst Martin V.) gibt es daher die „Kommissariate des Heiligen Landes“. In jeder Ordensprovinz gibt es einen Mitbruder, der sich für die Belange der Kustodie einsetzt. Diese Arbeit eines Kommissars schaut mitunter sehr vielfältig aus und man könnte kurz sagen: es geht um die personelle, spirituelle und finanzielle Unterstützung. Im Laufe der Zeit kam gerade auch der wissenschaftlichen Arbeit immer Blick in die Ausstellungsräume der Krypta, wo Paramente gezeigt werden, hier speziell ein Ornat aus dem Jahre 1675, Geschenk des Kommissariates Venedig Heiliges Grab von der Eingangsseite her Kapelle Rucellai Kapelle Rucellai
22 1/2025 IM LAND DES HERRN mehr Bedeutung zu. In unserer Zeitschrift konnten Sie zum Beispiel öfter von der Hauptbibliothek im Kloster St. Salvator in Jerusalem lesen – es ist die älteste Bibliothek des Landes und hat ihren Ursprung in einer Bibliothek mit Scriptorium im ursprünglichen Kloster beim Abendmahlssaal auf dem Zion. Selbst als die Franziskaner im Jahre 1551 von hier vertrieben wurden, nahmen sie ihre Bücher mit und hüteten sie in all den Jahren der osmanischen Herrschaft. Ein weiteres Arbeitsfeld, das erst in jüngerer Zeit dazugekommen ist: die Archäologie. Schon in der letzten Ausgabe unserer Zeitschrift konnten sie im Artikel „Kafarnaum“ darüber lesen und sie können den Ergebnissen dieser Arbeit überall im Heiligen Land begegnen. Der Sitz des „Studium Biblicum Franciscanum“ hat selbst seinen Sitz mitten in einem archäologisch interessanten Areal der Jerusalemer Altstadt – wir berichten mit zwei Artikeln in dieser Zeitschrift. Kommen wir nun zurück zum eigentlichen Thema dieses Artikels: die Ausstellung „Il tesoro di Terrasanta al Museo Marino Marini“ „Die Schätze des Heiligen Landes im Museum Marino Marini“ mit dem Untertitel „Der Altar der Medici und die Geschenke der Königshäuser“. Die Ausstellung zahlreicher Preziosen des Terra-Santa-Museums war in ähnlicher Form schon zu sehen: in Versailles, in Lissabon und zuletzt 2024 in Santiago di Compostella. Hier in Florenz wurden 108 Exponate ausgestellt, der Großteil aus dem Terra-Sancta-Museum Jerusalem, aber besonders für die lokalen Zusammenhänge wurden Dinge aus den Uffizien, aus dem Museum Capodimonte in Neapel und aus anderen italienische Sammlungen bereitgestellt. Nie waren die Franziskaner in ihrer Arbeit allein: verschiedene europäische Königshäuser haben ihre Arbeit in großzügigster Weise unterstützt, ja man könnte durchaus von einer Art Wettbewerb zur Unterstützung der heiligen Stätten sprechen. Es war vor allem sakrale Kunst, die uns heute noch von der Leidenschaft kündet, die Orte unserer Erlösung in geeigneter Weise auszustatten. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die „liturgischen“ Exponate des Museums meist auch weiterhin ihre Verwendung in der Liturgie finden. Ein schönes Beispiel ist hier im Bild zu sehen: der Sakramentsaltar der Kirche St. Salvator Jerusalem im Osterschmuck: nach der Liturgie des Gründonnerstages wird das Allerheiligste Sakrament in diesen Seitenaltar der Kirche gebracht und die anderen in der Kirche befindlichen Altäre ihres Schmuckes entblößt. Dazu wird der Altar mit (auch in Florenz ausgestellten) versilberten Schmuckteilen und Blumen geschmückt. Der Tabernakel zum Beispiel, eine Arbeit von Andrea und Gennaro De Blasio aus dem Jahre 1729, ist ein Geschenk des Kommissariates Neapel und dient so seit fast 300 Jahren der Verehrung der Eucharistie in St. Salvator. Die Franziskanerkustodie arbeitet seit Jahren intensiv daran, diesen Schatz in geeigneter Weise den Pilgern und dem interessierten Publikum vorzustellen. Der Name des Gesamtprojektes Sakramentsaltar St. Salvator Jerusalem im Osterschmuck
1/2025 23 ist „Terra-Santa-Museum“ und gliedert sich in zwei Teilprojekte: der archäologische Teil in den Räumen des „Studium Biblicum“ am Beginn des Kreuzweges wurde zum großen Teil schon eröffnet. Zahlreiche andere Exponate warten noch auf ihre geeignete Aufstellung in den dazu eigens restaurierten Räumlichkeiten des Hauptklosters St. Salvator beim Neuen Tor. Ein international hochkarätig besetztes Kuratorium leitet und begleitet die noch zu absolvierenden Arbeiten. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Restauration und wissenschaftliche Aufarbeitung für hunderte Exponate eine lange Zeit erfordert. Hinzu kamen in der Vergangenheit die Probleme, welche mit der Corona-Pandemie zusammenhängen, hinzu und erschwerten den Fortgang der Arbeiten. Das Gleiche lässt sich für die Auswirkungen des Gaza-Krieges sagen. Trotzdem wurden die Arbeiten am Museum nie ganz unterbrochen, im Gegenteil: die Renovierung der Räume geht voran und auch die Restauration der verschiedenen Objekte. Ein Beispiel, wie das manchmal auch im Heiligen Land möglich ist, zeigten wir im Artikel über die Restauration der Paramente in der letzten Ausgabe der Zeitschrift. Kommen wir nun zu einem der spektakulärsten Stücke der Ausstellung: der Altar auf der Plattform von Golgota, genannt der Annagelung. Dieser Altar, nur wenige Meter vom Ort der Kreuzigung Christi entfernt, ist nur im Gebrauch der Katholiken und es gehört sicher zu den eindrücklichsten Erlebnissen einer Pilgerreise, dort die Hl. Messe zu feiern, so nahe am Ort des Kreuzesopfers Christi. Auch beim Beten des Kreuzweges und der Täglichen Prozession der Franziskaner in der Grabeskirche hat der Altar seine Funktion. Jeden Nachmittag des Jahres besteigt unsere Prozession den Golgotafelsen, den Hymnus Vexilla regis singend: Der König siegt, sein Banner glänzt, geheimnisvoll erstrahlt das Kreuz, an dessen Balken ausgereckt im Fleisch des Fleisches Schöpfer hängt. Im Gebet am Ende dieser Station heißt es dann: Sie übernahmen Jesus. Er trug sein Kreuz und hing hinaus zur sogenannten Schädelhöhe, die auf hebräisch Golgota heißt. Hier kreuzigten sie ihn. V.: Hier durchbohren sie mir Hände und Füße. A.: Man kann all meine Knochen zählen. Herr, Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, um die sechste Stunde hast du hier auf Kalvaria zur Erlösung der Welt das Kreuzesholz bestiegen und zur Vergebung der Sünden dein Blut vergossen. Demütig bitten wir dich, laß uns nach unserem Heimgang voll Freude durch das Tor des Paradieses gehen, der du lebst und herrschest in Ewigkeit. Amen. Mit dem Hymnus und dem abschließenden Gebet wird in unnachahmlicher Weise die Würde und Bedeutung dieses Ortes ausgedrückt, besser als es jede Predigt und Erklärung je könnte. Altar der Kreuzannagelung © Neva Gasparo/CTS Kapelle Rucellai Kapelle Rucellai
24 1/2025 Dieser Altar ist nun das erste Mal, seit er als Stiftung des Großherzogs der Toskana, Ferdinando de’ Medici für eine andere Funktion vorgesehen war, in die Toskana zurückgekehrt. Auf die Person dieses illustren Herrschers aus dem Geschlechte der Medici einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, doch soll wenigstens erwähnt sein, dass er im Alter von 14 Jahren zum Kardinal ernannt wurde und nie die Priesterweihe empfangen hat. 1587 ungefähr nahm das Projekt Form an: es ging um ein Geschenk für die Grabeskirche in Jerusalem, aber es ging nicht um einen Altar: es sollte die „Umrahmung“ des Salbungssteines am Eingang der Grabeskirche werden. In den Sammlungen der Uffizien („Gabinetto Disegni e Stampe“) wird eine perspektivische Skizze eines gewissen Bernardo Buontalenti um das Jahr 1578 aufbewahrt, die uns hier im Bild eine Vorstellung des ursprünglichen Projektes gibt. Die Skizze enthält u. a. die Buchstaben FERDI. M. M., die auf den Stifter verweisen und wer den Jerusalemer Altar kennt, dem wird auffallen, dass an allen vier Ecken dieser noblen schmiedeeisernen Konstruktion ein Motiv erscheint, welches dem aufmerksamen Besucher der Grabeskirche immer schon gut sichtbar war: viermal das Wappen der Medici. Beim Vergleich des „Projektes“ ist klar, dass dieses Projekt nicht in der ursprünglichen Form umgesetzt worden ist. 1588 ist das Jahr, in dem das Werk begonnen und vollendet wurde, als Künstler werden Giambolgna, Pietro Francavilla und ein fra Domenico Portigiani genannt. Doch dann beginnen die Probleme des Transportes IM LAND DES HERRN Perspektivische Skizze des „Projektes Salbungsstein“ und der Salbungsstein, wie er sich heute zeigt
1/2025 25 und des Zolls und das Werk wird im Franziskanerkloster deponiert, bis diese Probleme gelöst werden können und die Einzelteile über Venedig nach Jerusalem gelangen. Wir sind über alle diese Vorgänge bestens informiert durch einen „Passaporto“ aus dem Jahre 1592. Doch nicht genug der Probleme: angekommen in Jerusalem, wird festgestellt, dass die Maße nicht richtig genommen worden sind: das Werk war zu kurz, um den ganzen Salbungsstein zu fassen. Es sollte aber nichts mehr geändert werden, schon gar nicht am Salbungsstein selbst und so wurde das Werk mit seinen kleinen, filigran gearbeiteten Bronze-Reliefs, die alle das Leiden, den Tod und die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus zeigen, im Kloster der Franziskaner so verändert, dass der heutige Altar für Golgota entsteht. Ein bemerkenswerter Kreislauf: die Medici stiften eine Umrahmung für den Salbungsstein in Jerusalem, die nach Jahren von Schwierigkeiten auch in Jerusalem ankommt, jedoch in seinen Dimensionen nicht zu verwenden ist. Von lokalen Kunsthandwerkern in einen Altar umgewandelt, dient er an einer der wichtigsten Stellen der Erlösung der Liturgie. Doch die Zeit geht auch an diesem Altar nicht spurlos vorbei: er muss restauriert werden (die nicht unerheblichen Kosten übernimmt das Museum sowie Organisationen und Einzelpersonen) und bei dieser Gelegenheit wird er in einer Ausstellung gezeigt, die ihren Platz bei einem der bekanntesten Nachbauten des Heiligen Grabes in Italien hat. Wenn unsere Leser die Zeitschrift in den Händen haben, wird der Altar schon wieder in Jerusalem sein, gemeinsam mit zahlreichen anderen Kunstwerken, an seinem gewohnten Platz. Literatur Ausstellungskatalog „Il Tesoro di Terra Santa al Museo Marino Marini“, Firenze 2024 Isabella Augart „Non est hic. Marterialisierungen des leeren Grabes Christi in der Cappella Rucellai“ Beitrag in „Kritische Berichte – Zeitschrift für Kunst und Kulturwissenschaften“ Ausgabe 3/2018 Wappen der Medici bei der Restaurierung © Federico Mulas, Museo M.M. Kapelle Rucellai Kapelle Rucellai
26 1/2025 Die Glocken der Grabeskirche Jerusalem Marie-Armelle Beaulieu 845 Jahre, ein schönes Alter er Kirchturm der Grabeskirche wurde 1179 von den Kreuzrittern gebaut, also dreißig Jahre nach ihrer Weihe. Ein anderer, achteckiger soll sich dort im 11. Jahrhundert befunden haben, so das Ergebnis der Untersuchungen, die 2013 von Ingenieuren der Nationalen Technischen Universität Athen durchgeführt wurden. Da uns kein Zeitdokument über seine Architektur Aufschluss gibt, müssen wir uns auf die Berichte von Pilgern verlassen sowie auf ihre Zeichnungen wie die von Conrad Grünemberg in seinem um 1487 erschieneD Blick auf den Komplex der Grabeskirche: Rechts neben den beiden Kuppeln der „Stumpf“ des Turmes (mit Gerüsten). Der davon rechts gelegene Turm gehört zur Erlöserkirche und weiter rechts ist der – natürlich glockenlose – Turm der Omar-Moschee zu sehen.
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