30 1/2025 die Menschen auf die Flachdächer, neugierig, manche auch jubelnd. Indirekte Auswirkungen gibt es dagegen sehr wohl. Zunächst fällt das weitgehende Fehlen von Pilgern und die völlige Abwesenheit von Touristen auf. Wer Jerusalem mit seinen vollen Gassen und vollen Kirchen kennt: Davon ist es weit entfernt. Wer sich mit Schrecken an die lange Schlange vor dem Grab Jesu erinnert: Es sind nur einzelne Personen dort, manchmal kann man sogar im Grab verweilen. Die einzigen Pilgergruppen, die auch während des Krieges nicht aufgehört haben, das Heilige Land zu besuchen, sind solche aus dem Fernen Osten (vor allem aus Indonesien) und aus Nigeria. Mag sein, dass sich Christen aus Indonesien oder Nigeria daran gewöhnt haben, in Gefahr zu leben. Für die wenigen Pilger oder für die Christen, die hier leben, sind fast leere Gassen und Kirchen durchaus angenehm, nicht aber für die vielen, die von Pilgern und Touristen leben. Geschäfte und Hotels sind entweder geschlossen oder fast leer. Pilgerführer und Busfahrer sind arbeitslos. Und nicht zu vergessen: Auch die Franziskaner und andere geistliche Gemeinschaften, die Kirchen und Heiligtümer betreuen, sind ohne Einnahmen. Normalerweise können die Brüder von Spenden und den Kollekten bei Gottesdiensten leben und die Kirchen unterhalten. Jetzt fällt das weg. Erschwerend kommt hinzu, dass seit der Pandemie die Spenden aus der Weltkirche stark zurückgegangen sind. Die Gassen der Stadt sind zwar nicht überfüllt, aber die Spannungen sind fast handgreiflich zu spüren. Die verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die sich zu „normalen“ Zeiten zwar nicht lieben, aber doch irgendwie miteinander auskommen, begegnen sich mit Misstrauen und Angst voreinander. Den vielen Soldaten und Sicherheitskräften gelingt es in der Regel, gewaltsame Konfrontationen zu verhindern, aber weniger angespannt wird die Stimmung dadurch nicht. Der Krieg hat zu einem Rechtsruck in der israelischen Regierung und der israelischen Bevölkerung geführt. Natürlich sind nicht alle Israelis radikal, aber solche, die für ein friedliches Nebeneinander eintreten, sind weniger und stiller geworden. Vor allem eine Gruppierung tut sich hervor: die so genannten National-Religiösen. Das sind vor allem junge Männer, sie sind nicht, wie die Ultra-Orthodoxen, traditionell (also meist schwarz) gekleidet, sondern tragen normale westliche Kleidung, dazu die Kippa (das jüdische Käppchen) und einen Tallit (einen Gebetsschal unter der Kleidung, mit Fransen, die zwischen Hemd und Hose heraushängen). Manchmal ziehen Grüppchen von ihnen durch Einsamer Kufija-Händler in den Straßen der Altstadt IM LAND DES HERRN Ständige Polizeikontrolle in der Altstadt
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