2/2025 5 Ismael und Isaak Ismael und Isaak eine ägyptische Magd namens Hagar in die Ehe gebracht. Und da Gott mir Kinder versagt hat, bitte ich dich: Schlafe mit meiner Magd. Vielleicht bekomme ich durch sie einen Sohn.“ Sara beschritt damit einen ganz legitimen Weg. Es gab damals weit verbreitete Rechtsbräuche, die Folgendes vorsahen: Die Frau konnte eine Leibmagd haben, die ihrem Mann nicht in demselben Maß wie seine eigenen Sklavinnen als Konkubine zur Verfügung stand. Gab nun die Frau bei Kinderlosigkeit diese Leibmagd dem Mann, dann galt das von der Magd geborenen Kind (die Sklavin gebar es in der Regel „auf den Knien der Herrin“) als Kind der Hausfrau (denn symbolisch war es ja aus dem Schoß der Herrin hervorgegangen). In unserer Geschichte kommt alles, wie es kommen muss: Hagar wird schwanger. Sie denkt aber nicht daran, das Kind in ihrem Schoß (gewissermaßen) zu verleugnen und es ihrer Herrin zuzuschreiben. Sie genießt vielmehr ihre Fruchtbarkeit wie einen Triumph über die kinderlose Sara. – Und da holt Sara, die sich in ihrer Rechtsstellung als Ehefrau und Herrin bedroht sieht, zum Gegenschlag aus. Sie überschüttet Abraham mit Vorwürfen: „Das Unrecht, das ich erfahre, komme auf dich! Ich habe dir meine Magd an den Busen gelegt, aber kaum merkt sie, dass sie schwanger ist, so verliere ich schon an Achtung bei ihr. Gott, der Herr entscheide zwischen mir und dir!“ – Abraham gibt sofort nach und erklärt: „Hager ist in deiner Hand, tu mit ihr, was du willst!“ Was das bedeutet, erfahren wir aus einer Rechtsordnung (Codex Hammurabi) aus der Umwelt Israels: Eine Magd, die von ihrem Herrn ein Kind hat – so wird dort bestimmt – und die sich verleiten lässt, sich deshalb ihrer Herrin gleichzustellen, möge wieder zur Sklavin degradiert werden. – Hagar wird also von Sara bewusst „erniedrigt“ („hart behandelt“, sagt unsere Übersetzung) und das erträgt sie nicht: Sie läuft ihrer Herrin davon, weit in Richtung Süden „an die Quelle auf dem Weg nach Schur“. Hier erscheint ihr der „Engel des Herrn“ (den man am besten als „die Person gewordene Hilfe Gottes für sein Volk“ deutet) und ermahnt sie: „Geh zurück zu deiner Herrin und ertrage ihre harte Behandlung ... Du bist schwanger und wirst einen Sohn gebären und ihn Ismael (Gott hört) nennen; denn der Herr hat auf dich gehört in deinem Leid.“ – Und dann wird Ismael von dem göttlichen Boten schon im voraus charakterisiert: Er wird ein echter Beduine werden, ein „Wildpferdmensch“, d.h. frei und ungestüm, kampfbereit sein Leben verzehrend in einem Krieg aller gegen alle, kurz: ein würdiger Sohn seiner aufsässigen und stolzen Mutter. Hagar gehorcht. Sie kehrt in Abrahams Haus zurück und bringt dort ihren Sohn zur Welt. Abraham nennt ihn Ismael. Und die Erzählung endet mit der Bemerkung: „Abraham war 86Jahre alt, als Hagar ihm den Ismael gebar.“ Die verzögerte Verheißung Zahlreiche Nachkommen hatte Gott seinem treuen Knecht Abraham verheißen. Aber die Erfüllung dieser Verheißung ließ lange, zermürbend lange, auf sich warten. So haben Abraham und Sara nach einem Ausweg gesucht, indem sie Hagar als „Mittelsperson“ für ihre Absichten und Pläne einsetzten. Das Kind, das aus dieser Verbindung entstand, war aber nicht der „Erbe der Verheißung“, sondern ein „Seitentrieb“, der aus der Verheißungslinie wieder ausgeschieden wurde. – Die Personen, die in unserer Geschichte die Handlung tragen, erscheinen in keinem guten Licht. Abraham wirkt kleingläubig und ungeduldig seinem Gott gegenüber. Den Frauen gegenüber ist er schwach und nachgiebig. Wie er Hagar sofort an Sara ausliefert und sie degradiert, wirkt auf den Leser unerfreulich. Auch Sara macht in ihrem Bestreben, sich mit allen Mitteln gegen Hagar durchzusetzen, keinen guten Eindruck. Die meisten Sympathien hat der Erzähler (und Leser) wohl für Hagar, auch wenn er zugeben muss, dass sie sich gegen Recht und Sitte verfehlt hat. – Kurz gesagt: Es herrscht in der ganzen Erzählung eine gespannte, trotzige, aggressive Stimmung. Und so hat es eine gewisse Logik, wenn der Leser vermutet: Das Kind, das in einer solchen Atmosphäre zur Welt kommt, kann nicht
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