Im Land des Herrn | 79. Jahrgang | 2025 - 1

IM LAND DES HERRN 8 2/2025 helfen, der Abraham zugesichert hat (was freilich Hagar nicht wissen kann): „Ich will auch den Sohn der Magd zu einem großen Volk machen.“ – „Was ist dir, Hagar?“, ertönt plötzlich eine Stimme vom Himmel, „fürchte dich nicht, denn Gott hat die Stimme des Knaben dort, wo er liegt, gehört. Steh auf, nimm den Knaben und halte deine Hand schützend über ihn, denn zu einem großen Volk will ich ihn machen.“ – Ein Trost für alle Leidenden und Verzweifelten: Gerade dann, wenn Gott fern zu sein scheint, kann er nahe sein. In der Herrlichkeit seiner himmlischen Existenz kann er durchaus das Wimmern eines ausgesetzten Menschenkindes vernehmen. Und er kann dieses Kind, das nach irdischen Maßstäben verloren erscheint, zum Stammvater eines großen Volkes machen. Gott muss, um seine Ziele zu verwirklichen, keine spektakulären Wunder tun. Er muss nur (und das tut er in unserem Fall) Hagars Augen für die bereits vorhandenen Möglichkeiten öffnen. Er zeigt ihr einen Brunnen, der schon immer in der Nähe war, den Hagar aber in ihrer Verzweiflung nicht wahrgenommen hat. Nun aber sieht sie ihn und wird tätig. Sie tränkt ihren halbtoten Sohn, so dass er mit dem Leben davonkommt. – Und unsere Erzählung schließt mit Sätzen voller Optimismus: „Gott war mit dem Knaben. Er wuchs heran, ließ sich in der Wüste nieder und wurde ein Bogenschütze. Er wohnte in der Wüste Paran, und seine Mutter nahm ihm eine Frau aus dem Land Ägypten“ (vgl. Gen 21,20f.). Das weitere Schicksal Ismaels Ein Bibel-Leser, der sich für das weitere Schicksal Ismaels interessiert und ein Fachlexikon befragt, erfährt Folgendes: Ismael taucht noch einmal auf, als Abraham gestorben ist und bestattet werden soll. Er begräbt ihn zusammen mit seinem Bruder Isaak in der Höhle von Machpela (Gen 25,9). Er selber stirbt mit 137 Jahren, und obwohl er nicht „Erbe der Verheißung“ war, wurde er von Gott gesegnet. Und die zwölf von ihm abstammenden Fürsten, die Ahnherren der zwölf arabischen Stämme, fühlten sich berufen, „zu einem großen und unabhängigen Volk zu werden“ (vgl. Gen 17,20). – Für den durchschnittlichen Israeliten waren die Nachkommen Ismaels immer respektierte, aber auch gefürchtete Leute. Sie waren tüchtige Beduinen, die frei umherschweiften und in der Steppe lebten, die aber auch vorübergehend in der Nähe der sesshaften Bevölkerung ihre Zelte aufschlugen und fähig zu Raub und Plünderung waren. – Vom (ägyptischen) Josef erfahren wir, dass er an „ismaelitische Kaufleute“ als Sklave verkauft wurde. Im Buch der Richter hören wir, dass Gideon die Ismaeliter besiegte (Ri 8,24). In der jüdisch-christlichen Theologie spielen Ismael und seine Nachkommen eine schillernde Rolle. Auf der einen Seite haben wir höchst positive Prophezeiungen über Ismael („Ich will ihn zu einem großen Volk machen“, Gen 21,13). Auf der anderen Seite wird im frühen Christentum, nämlich vom hl. Paulus, wieder ein scharfer Unterschied gemacht zwischen den „Kindern der Verheißung“ und dem „Sohn der Sklavin“ (vgl. Gal 4,28f.). Und Paulus schärft seinen Christen nachdrücklich ein: Wir sind keine „Ismaeliten“, d.h. keine Kinder der Sklavin, sondern der Freien, d.h. „Kinder der Verheißung wie Isaak“ (Gal 4,28ff.). – Der Gott Abrahams ist hier großherziger: Für ihn ist auch Ismael ein „Sohn und Nachkomme Abrahams“, auf dem das Wohlgefallen des Schöpfers ruht. Isaak, das Kind der Verheißung Richten wir unsere Aufmerksamkeit nun auf Isaak, den mittleren der drei großen Patriarchen („Abraham, Isaak und Jakob“), den der hl. Paulus ehrfürchtig als „unseren Vater“ bezeichnet (Röm 9,10). – Wir haben in der vorletzten Folge schon darauf hingewiesen, dass er einen merkwürdigen, nicht ganz leicht zu deutenden Namen trägt. „Isaak“ kommt von der hebräischen Wortform „jizchak“ und heißt: „er lacht“, wobei allerdings offen bleibt, wer der Lachende ist. Es könnte der Vater sein, dann würde der Name die Freude Abrahams zum Ausdruck bringen,

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