11 FRANZISKANER 3|2023 des Christentums in China Konvertiten Andreas Zheng eine Abschrift des Textes und übersetzte ihn ins Lateinische. Die Jesuiten nutzten diesen Fund, ohne jedoch auf theologische Unterschiede zwischen Jingjiao und Katholizismus einzugehen, bewusst als Beleg dafür, dass das Christentum keine »fremde Religion« sei, sondern bereits früh in China Wurzeln geschlagen hatte. Demgegenüber konzentrierten sich Dominikaner und Franziskaner auf die Bekehrung marginalisierter Bevölkerungsgruppen durch öffentliche Predigten. Die innerkatholische Auseinandersetzung über die korrekte Missionsmethode in China führte zum »Ritenstreit« des 17. Jahrhunderts, dessen Kern der Umgang mit dem Ahnenkult war: Die Jesuiten sahen ihn als rein sozialen Ritus und Ausdruck des Respekts gegenüber Älteren und Höhergestellten, der als Tugend der kindlichen Pietät (xiao 孝) die Grundlage der gesamten soziopolitischen Ordnung bildete, und erlaubten Konvertiten die Teilnahme. Dominikaner und Franziskaner sahen darin einen heidnischen Ritus, bei dem die Ahnen um Interventionen zugunsten der Familie gebeten wurden, und verboten die Teilnahme. Die römische Kurie folgte letztlich der Interpretation der Dominikaner mit einem offiziellen Verbot im Jahr 1707. Die Folge war: Das Christentum galt fortan in China als aufrührerische Irrlehre. Kaiser Yongzheng 雍正 (regierte 1723–1735) ließ daher 1724 die christliche Mission in ganz China verbieten und die Missionare des Landes verweisen. Katholische Gemeinden bestanden im Verborgenen weiter, auch durch das Wirken der beatae (tongzhen 童貞 / zhennü 貞女), freiwillig zölibatärer Laiinnen, als Katechetinnen, Predigerinnen und Täuferinnen. Mit den »Ungleichen Verträgen« des ersten und zweiten Opiumkrieges (1840–1842 bzw. 1856–1860) erzwangen westliche Großmächte die Öffnung Chinas und bahnten den Weg für neue katholische und protestantische Missionsaktivitäten in der Qing-Zeit (1644–1911). Zu den spezifischen Privilegien Dr. Dirk Kuhlmann, Sinologe und Historiker, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Redaktion des Instituts Monumenta Serica in Sankt Augustin 1 Christologische Lehre, nach der die göttliche und die menschliche Natur in der Person Jesus Christus geteilt und unvermischt seien. Sie wurde auf den Konzilien von Ephesos (431) und dem 2. Konzil von Konstantinopel (553) als Häresie verurteilt. Der Jesuit Matteo Ricci (l.) traf 1582 in Macau ein. Er trug die Gewänder buddhistischer Mönche und wurden von den Chinesen auch als solcher angesehen. Den ranghohen Beamten Xu Guangqi (r.) hatte er getauft. Eine Spurensuche UNTEN: © PICTURE ALLIANCE / CPA MEDIA CO. LTD
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