12 FRANZISKANER 3|2023 gehörten die Aufhebung des Missionsverbots von 1724 sowie die Rückgabe katholischen Besitzes aus der Zeit vor dem Verbot. Letzteres traf auf heftige lokale Widerstände. Eine weitere Hypothek für das Christentum in China war der Aufstand der Taiping 1850–1864 (unter Führung Hong Xiuquans 洪秀全 1814–1864), einer Bewegung, die vor allem von marginalisierten ethnischen Minderheiten getragen wurde und die Teile der christlichen Lehre mit volksreligiösen Elementen vereinte. Dieser Aufstand gegen die Qing-Herrscher forderte insgesamt 20–30 Millionen Todesopfer und wurde mit dem Christentum in Verbindung gebracht. Vor allem protestantische Missionare waren darum bemüht, christliche Akzente in den Modernisierungsdebatten der intellektuellen Elite Chinas zu setzen, wie beispielsweise Young J. Allen (1836–1907), dessen Wanguo gongbao 萬國公報 – Chinese Globe Magazine – eine der ersten chinesischsprachigen Zeitungen mit einer internationalen Perspektive war. Im Rahmen der »4.-Mai-Bewegung« von 1919, die vor allem rationalistisches westliches Gedankengut rezipierte, wurde das Christentum als Religion jedoch zunehmend negativ bewertet. Generelle Kritik an den Aktivitäten christlicher Gemeinschaften in China und deren missionarischer Prägung äußerte eine Sammelbewegung u. a. von Anhängern der Kommunistischen Partei und der nationalistischen Guomindang – die »Anti-Christentums-Bewegung« von 1922–1927. Auch als Reaktion auf diesen generellen Trend begannen die katholische und die protestantische Kirche ab den 1920er Jahren die Ausbildung einheimischer Priester, Pfarrer und Katecheten zu fördern. In der katholischen Kirche war die Problematik bereits in dem Apostolischen Schreiben »Maximum Illud« (1919) Papst Benedikts XV. angesprochen worden. Auf protestantischer Seite erfolgte dies durch die Initiative chinesischer Pfarrer, die 1924 in Schanghai das National Christian Council als neues Leitungsgremium gründeten. Damit setzte im frühen 20. Jahrhundert ein Übergang von Missionskirchen zu eigenständigen Ortskirchen ein, eine Entwicklung, die nach 1949 in der VR China politisch als Nationalisierung forciert wurde. Ein spezifisch kommunistischer Ansatz zur Kontrolle der Religionsgemeinschaften wurde dabei in den frühen 1950er-Jahren umgesetzt: Die katholische wie auch die protestantische Kirche Chinas wurden jeweils zur Gründung einer nationalen politischen Massenorganisation gezwungen, den sogenannten Patriotischen Vereinigungen. Diese Maßnahme fügte sich in die politischen Kampagnen der frühen 1950er-Jahre ein: Der außenpolitische Druck infolge des Koreakriegs (1950–1953) führte zu einer Verdammung westlicher Einflüsse in China. Zugleich richteten sich »Säuberungs«-Kampagnen gegen ideologische Gegner wie Großgrundbesitzer, »Konterrevolutionäre«, Händler und Unternehmer. Die Patriotischen Vereinigungen unterliegen der staatlichen Kontrolle und fungieren somit als »Transmissionsriemen« zur Umsetzung der Regierungspolitik in den Kirchen. Ein besonderes Problem auf katholischer Seite ist die Anbindung an den Papst, der von staatlicher Seite als »ausländische Macht« abgelehnt wird. Als Zeichen der nationalen Unabhängigkeit vollzog die Chinesische Katholische Patriotische Vereinigung auf staatlichen Druck hin ein Jahr nach ihrer Gründung 1958 die ersten Bischofsweihen ohne päpstliche Genehmigung. Auch wenn sich die katholische Kirche in China als eine Kirche versteht, teilen sich die Gemeinden jedoch bis heute entlang der Frage, in welchem Maße sie bereit sind, mit staatlichen Institutionen zusammenzuarbeiten. Gemeinden, die der Patriotischen Vereinigung angehören und somit in staatliche Strukturen eingebettet sind, stehen solche gegenüber, die außerhalb dieser Strukturen bleiben. Letztere werden traditionell auch »Untergrundkirche« genannt. Die Beweggründe für die jeweilige Ausrichtung einer Gemeinde sind sehr komplex und müssen als Ergebnisse von Abwägungen über die Grundfrage gesehen werden, wie sich der eigene Glaube am besten in einem autoritär bis diktatorischen System leben und verbreiten lässt. © PICTURE ALLIANCE / ULLSTEIN BILD Rückkehr von China-Missionaren im Jahr 1954. Nach einem Gefängnisaufenthalt waren sie durch die kommunistischen Machthaber des Landes verwiesen worden. Zuvor hatte der Vatikan 1949 den Kommunismus verurteilt. Gemeint war zwar vor allem die Situation in Europa, aber die Verurteilung verschlechterte das Verhältnis zwischen dem Vatikan und der Kommunistischen Partei Chinas. In der Folge wurden ausländische katholische Missionare zwischen 1951 und 1954 fast vollständig vertrieben.
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