Franziskaner - Herbst 2023

16 FRANZISKANER 3|2023 Sehr bedauerlich ist übrigens auch, dass trotz des sino–vatikanischen Dialogs direkter Kontakt der chinesischen Bischöfe nach Rom weiterhin kaum möglich ist. Kardinal Parolin hat am 15. Juli in einem Interview deshalb die Einrichtung einer regelmäßigen Kommunikation der chinesischen Bischöfe mit dem Papst gefordert. Als positiv ist anzusehen, dass nun doch zwei Bischöfe und ein Priester aus Festlandchina an der Weltsynode im Oktober in Rom teilnehmen können. Ist es richtig, dass die katholische Kirche in China in den letzten Jahren schrumpft und überaltert – weniger Priesterweihen, weniger Noviziatseintritte bei Schwesterngemeinschaften, weniger Taufen? Worauf ist dies zurückzuführen? Ist hierfür auch die zunehmende Repression nach innen auch gegenüber Religionsgemeinschaften eine Ursache? Und was heißt dies für die katholische Kirche in China? Es ist richtig, dass die Zahl der Berufungen in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist, bei den Schwestern sogar noch mehr als bei den Priesteramtskandidaten. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die Urbanisierung hat die Auflösung der katholischen Großfamilien auf dem Land mit sich gebracht. Aus diesen Familien kam früher ein Großteil der jungen Schwestern und Priester. Die – inzwischen aufgehobene – »Ein-Kind-Politik« hat außerdem dazu geführt, dass viele junge Männer und Frauen Einzelkinder sind. Der Entschluss für ein geistliches Leben bedeutet in diesen Fällen ein Ende der Familienlinie. Seit einigen Jahren ist es fast überall im Land verboten, dass Minderjährige Kirchen betreten, an Gottesdiensten oder an den katechetischen Sommerlagern teilnehmen. Auch wenn diskret noch manches möglich ist, sind die Kontaktmöglichkeiten der Kirche zu Jugendlichen stark eingeschränkt. Das wirkt sich sicher ebenfalls auf die Berufungen aus. Außerdem stehen Priester und Schwestern oft unter großem Druck – Arbeitsdruck, hohe Erwartungen von Gemeinde und Diözese, Druck seitens der Behörden. Wichtig ist, dass in der Ausbildung noch mehr spirituelle und psychologisch-menschliche Formation stattfindet, die hilft, dem Druck zu begegnen. Es ist schade, dass die internationalen Orden, die hier vielleicht einen Beitrag leisten könnten, offiziell in China nicht erlaubt sind. Was die Taufen betrifft: Ich weiß nicht, ob es wirklich weniger geworden sind. Obwohl während der Covid-Pandemie die Kirchen unverhältnismäßig lange geschlossen waren, werden seit der Aufhebung der Beschränkungen immer wieder Taufen aus den Pfarreien gemeldet. Da werden in einem Gottesdienst hier drei Menschen getauft, anderswo zehn, in der Schanghaier Kathedralgemeinde am 2. Juli sogar 34. Das waren alles Erwachsene, also Neuchristinnen und Neuchristen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann in meiner Pfarrei in Bonn das letzte Mal ein Erwachsener getauft worden ist. Welche Perspektiven sehen Sie für die Zukunft des Christentums in der VR China? Unter der gegenwärtigen Religionspolitik schrumpfen die Handlungsspielräume der chinesischen Religionsgemeinschaften. Sie können immer weniger in die Gesellschaft hineinwirken. Dafür sorgen zum Beispiel die Verbote für Minderjährige, aber auch immer stärkere Einschränkungen für religiöse Inhalte im Internet und religiöse Publikationen oder für die Arbeit religiöser Wohlfahrtseinrichtungen. Diese Tendenz wird sich in naher Zukunft wohl nicht ändern. Die christlichen Kirchen müssen Wege finden, mit der staatlichen Forderung nach »Sinisierung« der Religionen umzugehen. Gemeint ist damit einerseits Anpassung an die traditionelle chinesische Kultur – so wie sie von der Partei definiert wird –, vor allem aber an die sozialistische Gesellschaft Chinas und das Xi-Jinping-Denken. Im Sinne der Sinisierung soll beispielsweise die Bibel neu übersetzt oder kommentiert werden. Hier müssen die chinesischen Christ:innen ihren eigenen Weg zwischen der staatlichen Sinisierungsforderung und dem christlichen Anliegen der Inkulturation finden. Die christlichen Gemeinden in China, im offiziellen Teil der Kirche wie im Untergrund, sind lebendig, glaubensstark und kreativ. Die Solidarität und Geschwisterlichkeit der Christinnen und Christen weltweit wird in den kommenden Zeiten für sie wichtig sein – ebenso wie sie ein wichtiger Teil der Weltkirche bleiben werden. © THOMAS HAUPT/PICTURE ALLIANCE / WESTEND61

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