Franziskaner - Herbst 2023

24 FRANZISKANER 3|2023 Ich frage mich und frage Dich wohin das alles noch führen soll und eigentlich bin ich noch nicht mal sicher ob Du es bist die da zieht Gott im Übrigen bin ich völlig ungeeignet für Liebesgeschichten gleich welcher Art und misstrauisch bin ich und anspruchsvoll und mache mich nie wieder klein vor niemandem auch nicht vor Dir Gott magst du auch noch so groß sein und anders und schön zum Verlieben ich weiß Und wenn meine Stille sich weitet in Deine Unendlichkeit Du Unaussprechliche will ich doch voller Worte sein nicht stumm und bescheiden vor Dir stehen ohne Wünsche und Ziele so bin ich nicht Gott will mich nicht in Dir auflösen erst wenn ich sterbe ist dafür die Zeit und doch beschenkst Du mich lockst Du mich rufst Du mich Gott ich weiß nicht wohin und warum und doch liebe auch ich Dich nur anders auf meine Art »Vorwarnung« von Carola Moosbach Beten ist Aufstand Das Gebet »Vorwarnung« aus dem 1. Kapitel ihres Buches mit dem Thema »Annäherung – Du Fern-Nahe« ist der Kompass für alle weiteren Gedichte und Gebete: Die Beziehungsebene zwischen Gott und Mensch wird ausgelotet wie auch die Möglichkeit, sich trotz menschlich-brüchiger Erfahrungen auf das »unendliche« Du der anderen einzulassen. Gleich zu Beginn wird die fast fatalistisch anmutende Frage gestellt »Wohin das alles noch führen soll« und die Unsicherheit ausgedrückt, ob die Gesprächspartnerin Gott eigentlich die richtige ist. Zweifel haben für Carola Moosbach immer einen Platz im Gebet. Carola Moosbach spricht Gott weiblich an – konsequent, durchgängig, selbstverständlich. Damit durchbricht sie die jahrhundertelange Sichtweise einer Theologie, die fast nur Erfahrungen von Männern tradiert hat. Mit ihren Gebeten postuliert sie, dass Gottessprache keine Männersprache mehr sein darf. Ihre Gebetssprache sprengt die alten patriarchalen Muster. Die Beziehungsebene zwischen Gott und Mensch wird definiert durch eine unbeugsame Haltung: Ich mache mich nie wieder klein – vor niemandem, auch nicht vor Dir. Was für eine Klarheit, ruhig und fest vorgetragen. Beten ist Aufstand. Stand haben. Die Beterin will sich nicht in Gott auflösen, möchte Person sein, ein Gegenüber. Es ist die authentische und wahrhafte Sprache eines Menschen, der nicht stumm bleiben will angesichts schwerer Erlebnisse. Was für eine Beziehung, die in das Bekenntnis mündet: Doch liebe auch ich dich – nur anders – auf meine Art. Auch das ist Aufstand aus tradierten Formen. Zum Nachdenken • Wie geht es Ihnen mit der weiblichen Anrede Gottes? Ist sie fremd? Aufgesetzt? Inspirierend? Oder … • Der Mensch vor Gott – darf sie oder er so fordernd, klar und kompromisslos sein? Hätten Sie es sich zu einer Zeit in Ihrem Leben mal gewünscht so zu sein?

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