Franziskaner - Herbst 2023

3 FRANZISKANER 3|2023 »Bayerisch-China« Das oberpfälzische Dietfurt an der Altmühl ist ein ganz besonderer Flecken Bayerns. Hier betreiben wir Franziskaner seit 1977 neben unserem dortigen Kloster das Meditationshaus St. Franziskus, das älteste christliche Zen-Kloster im deutschsprachigen Raum. Noch außergewöhnlicher ist aber wohl die Lokaltradition, nach der die Einwohner von Dietfurt als Chinesen bezeichnet werden und Dietfurt als »Bayerisch-China«. Eine Legende besagt, dass der Fürstbischof von Eichstätt einst feststellte, dass die Dietfurter zu wenig Abgaben entrichteten. So schickte er seinen Kämmerer, um nach dem Rechten sehen. Die Dietfurter aber waren vorgewarnt. Sie verschlossen ihre Stadttore und gewährten dem Gesandten keinen Einlass. Verärgert berichtete der Kämmerer später seinem Bischof, dass die Dietfurter ihm »wie die Chinesen« vorkämen. Sie verschanzten sich »hinter ihrer Mauer«. Seit 1928 wird im Dietfurter Fasching die »chinesische Tradition« des Ortes aufgegriffen. Am letzten Donnerstag in der Faschingszeit, dem »Unsinnigen Donnerstag«, lädt die Stadt zum Chinesenfasching ein. Am großen Maskenumzug mit rund 50 Wagen, Fußgruppen sowie mehreren Musikkapellen nimmt auch regelmäßig eine Delegation des chinesischen Generalkonsulats in München teil. – Dietfurt ist als »Bayerisch-China« zweifelsohne ein Kuriosum. Was fällt Ihnen spontan zu China ein? Was wissen Sie über dieses Land, über die Völker und Kulturen, die auf seinem Staatsgebiet leben, über seine Geschichte, die Religionen und die aktuelle Lage in Gesellschaft und Politik? Immer wieder hören wir in den Medien von der expandierenden Wirtschaft dieses neben Indien bevölkerungsreichsten Landes der Erde, aber auch von gravierenden Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Stellen. Nicht nur für deutsche Politikerinnen und Politiker führt die Spannung zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Eintreten für Menschenrechte immer wieder zu einem Spagat. Christliche Missionare werden seit den frühen 1950er-Jahren nicht mehr in China geduldet und die Kirchen streng kontrolliert. Seitdem organisieren sich viele Christinnen und Christen in China in den Hausgemeinden der Untergrundkirchen, andere in den offiziell vom Staat anerkannten Gemeinden. Was bedeutet dies für das christliche Leben in China heute? Und welche Auswirkungen hat diese Situation auf die China-Politik des Vatikans? All diesen Fragen gehen wir in der vorliegenden Ausgabe des FRANZISKANERS nach. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und schöne herbstliche Tage! Markus Fuhrmann OFM (Provinzialminister) © ALESSANDRA SCHELLNEGGER – PICTURE-ALLIANCE.COM

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