31 FRANZISKANER 3|2023 stoßfinanzierung gegeben. Für koordinierende und organisatorische Aufgaben oder für die Übernahme von Vorträgen können bei uns Menschen als Minijobber:innen angestellt werden, nicht aber um eine Straße zu blockieren. Ich finde das sehr gut, denn oft können Menschen keine ehrenamtliche Arbeit übernehmen, da sie es sich einfach nicht leisten können unentgeltlich zu arbeiten. Welche Grundüberzeugungen teilen die Mitglieder der »Letzten Generation« miteinander? Wir als Gruppe verstehen uns als Feuermelder, der angeht, wenn das Haus brennt. Und natürlich ist der laut und nervig, aber man würde ihn auch nicht einfach ausschalten und im brennenden Haus sitzen bleiben. Das ist keine angenehme Rolle, die wir uns selbst zugeschrieben haben. Aber wir denken, dass sie notwendig ist. Die Fakten sind eindeutig: Schon seit 60 Jahren warnen Wissenschaftler:innen, dass Treibhausgase die Durchschnittstemperatur auf dem Planeten erhöhen und dass diese durch das Verbrennen von fossilen Brennstoffen erzeugt werden. Seitdem haben wir, trotz dieser Erkenntnis, exponentiell mehr fossile Energieträger verbraucht. Laut dem Weltklimarat sind wir aktuell bei einer durchschnittlichen globalen menschengemachten Erhitzung von 1,1 bis 1,2 Grad Celsius. Die Prognosen zeigen, dass wir am Ende dieses Jahrhunderts bei 2,7 bis 3,5 Grad Erwärmung stehen werden. Erst diesem Jahr kam die Studie »Quantifying the human cost of global warming« heraus. Diese beschreibt eine klimatische Nische, in der Menschen noch gut leben können. Momentan liegen 0,8% der Landfläche der Erde außerhalb dieser klimatischen Nische. Und diese nicht bewohnbare Landfläche wird bei einer globalen Erhitzung von 2,7 Grad auf bis zu 20% steigen. In diesem Bereich leben ungefähr 3,5 Milliarden Menschen. Das sind Zukunftsaussichten, die ziemlich unvorstellbar sind. Im Endeffekt werden uns Ernährungs- und Wasserkrisen treffen, unser Lebensraum wird durch Überschwemmung oder Feuer zerstört oder einfach durch zu extreme Temperaturen unbewohnbar. Das sind auch die größten Gefahren für das friedliche Überleben der Menschheit. Je mehr wir um Ressourcen streiten müssen, desto instabiler werden Demokratien und die globale Gemeinschaft und Solidarität. Wir müssten radikale Änderungen unserer Lebens- und Wirtschaftsweise einführen, aber das wird politisch so nicht kommuniziert. Es heißt viel zu oft: »Das wird schon nicht so schlimm!« Die Zeit drängt, und es geht nicht um Eisbären, die am Nordpol sterben, sondern um Menschenleben, Demokratie und Frieden. Deswegen denken wir, dass es angemessen ist, die Mittel des zivilen Ungehorsams einzusetzen. Was genau ist ziviler Ungehorsam? Ziviler Ungehorsam ist eine Protestform, die bewusst Regeln bricht. Aber wir stellen nicht die Demokratie, Menschenrechte oder unsere Verfassung infrage. Wir brechen bestimmte Regeln wie zum Beispiel die Straßenverkehrsordnung, um auf ein höheres Allgemeininteresse hinzuweisen. Gleichzeitig machen wir das nicht in der Anonymität. Wir versuchen nicht, die Strafen zu vermeiden, sondern nehmen die möglichen Konsequenzen in Kauf. Wir kündigen den Protest an, und wir stehen mit unserer Person dafür ein. Wer sind die Vorbilder für diese Art des Protestes? Es gibt sehr berühmte historische Beispiele wie die Bürgerrechtsbewegung in den USA, die auch Straßen blockiert hat. Im Rückblick kommt die Protestforschung zu dem Ergebnis, dass friedliche, aber normverletzende Proteste und Aktionen des »zivilen Ungehorsams« sehr stark zu einer Veränderung innerhalb der Gesellschaft beigetragen haben, weil diese Art des Protestes nicht mehr zu ignorieren war. Warum ist Gewaltfreiheit bei diesem Protest so zentral? Gewaltfreiheit gehört zu unserem Wertekonsens und zu dem, was wir uns für eine zukünftige Welt wünschen. Es gibt aber auch einen strategischen Grund: Viele wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass gewaltfreier Protest Josephine Schwenke (25 Jahre) wohnt und studiert seit Kurzem in Berlin, um ihren Master in Ökologie und Umweltplanung zu machen. Gesamtbevölkerung > 65 Jahre 60 bis 64 Jahre keine Angaben 25 bis 39 Jahre 40 bis 59 Jahre 21 bis 24 Jahre 5,5 % 17,3 % 23,6 % 28,1 % 34,4 % 34 % 8,9 % 6,3 % 27,5 % 7,6 % aktive Mitglieder »Letzte Generation« Altersverteilung 6,6 % Quelle: Instagram Post @letztegeneration 19. 6. 2023 Bewegungsinterne Umfrage
RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=