40 FRANZISKANER 3|2023 5. Die Kreditvergabe zu guten Konditionen sollte einen Beitrag leisten, um zu vermeiden, dass öffentliche Organisationen durch Wohltätigkeit oder Sozialhilfe einspringen müssen. Der Kredit basierte in der Regel wenn möglich auf einem Pfand, und eine Rückerstattung der Kosten für die erbrachte Leistung in Höhe von ca. fünf Prozent wurde erwartet. 6. Ziel war die gemeinsame Wertschöpfung, indem durch die mit Krediten ermöglichte Fähigkeit und Tätigkeit der Armen ein Einkommen erzielt wurde, durch welches eine die Marktwirtschaft stärkende Beteiligung ermöglicht wird. Je mehr Bürger fähig sind, am Marktgeschehen teilzunehmen, desto mehr wächst und floriert ein Markt. 7. Durch die Kredite sollte ein Bonum, ein Gut, mit Rückgabegarantie in Umlauf gebracht werden, das neues Leben hervorbringt, Existenzgrundlagen schafft, die Initiativen fördert und das Angewiesensein auf karitative Hilfen mindert. Dabei ging es nicht nur um die Vergabe von Krediten, sondern darüber hinaus um Vertrauen schaffende Maßnahmen, die die Beziehungen zwischen allen Beteiligten stärken sollten. So waren die Zentren der »Monti di Pietà« nicht nur Gebäude für die Kreditinstitute. Vielmehr waren die »Monti di Pietà« auch kulturelle und religiöse Zentren, die die Kunst förderten, die Feier weltlicher und kirchlicher Feste organisierten, die Unterstützung von Kranken und Gebrechlichen anboten und auch für würdige Begräbnisse sorgten. Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Gewinn wurde eben nicht nur im monetären Profit gesehen. Die Kreditvergaben waren Teil eines Gesellschaftsmodells, das den Gemeinschaftscharakter, Solidarität und ein Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellte, das möglichst vielen Menschen zugutekam. Die finanzielle Existenz dieser »Monti di Pietà« wurde unter anderem durch die Predigttätigkeit der Observantenfranziskaner gesichert. Sie predigten über die Werte der alternativen Ökonomie und sammelten Geld. Durch diese dem heutigen Fundraising vergleichbaren Predigertätigkeiten erhielten sie Stiftungen, Erbschaften, Beiträge und Investitionsgelder, die zum Startkapital der »Monti di Pietà« wurden. Ehrlicherweise sollte nicht verheimlicht werden, dass es bei einer Minderheit von Predigern zu Exzessen kam. Diese hielten nicht nur Ansprachen zur positiven Verbreitung der Werte. Vielmehr hielten sie Höllenpredigten gegen den Zinswucher, da dieser viele Menschen in die Armut trieb. Dies mag noch verständlich sein. Jedoch verdammten sie dabei auch Kreditgeber unter den Juden, die damals mancherorts eine Art Kreditmonopol besaßen. Die Folgen bekam dann oft die ganze jüdische Gemeinde vor Ort zu spüren. Diese Prediger werfen einen Schatten auf die positive Geschichte der »Monti di Pietà«. Die historische Realität dieser sozialen Kreditinstitute und Genossenschaften bezeugt dennoch, dass alternative Wirtschaftsmodelle und eine am Gemeinwohl ausgerichtete Ökonomie möglich sind, wenn sich Menschen finden, die von entsprechenden Werten überzeugt sind und sich zusammenschließen, um neue Wege zu gehen. Tauwetter 2/2023 Geistlicher Missbrauch Die gerade erschienene Tauwetter-Ausgabe zeigt im Zusammenhang mit den Missbrauchsskandalen der Kirche auch die Verstöße gegen das spirituelle Selbstbestimmungsrecht auf, wie sie sich in Geistlichen Gemeinschaften und Orden finden. Bezug von beiden Ausgaben kostenfrei ▶▶ tauwetter@franziskaner.de oder in digitaler Form auf franziskaner.de/tauwetter Johannes-Baptist Freyer OFM Money, money, money Der franziskanische Autor Dr. Johannes-Baptist Freyer beschreibt den Einfluss von Franz von Assisi auf die zu seiner Zeit entstehende marktwirtschaftliche Wirtschaftsstruktur. Diese franziskanische Ökonomie regt in den heutigen Herausforderungen angesichts von Krieg, Klimakatastrophe und wachsender Armut dazu an, neue Wege zu gehen. echter Verlag, Oktober 2023, 9,90 Euro, ISBN 978-3-429-05909-5 Hans Mendl Franz von Assisi für junge Leute Der Autor Dr. Hans Mendl lädt zu einer konstruktiven und kritischen Auseinandersetzung mit Franz von Assisi ein: für die Arbeit in der Schule, bei der Firmvorbereitung, in der Jugendarbeit oder als Inspiration bei einem Assisi-Aufenthalt. echter Verlag, Oktober 2023, 9,90 Euro, ISBN 978-3-429-05889-0 Tauwetter 1/2023 Sexualisierte Gewalt in der Kirche Diese Tauwetter-Ausgabe erscheint 12 Jahre nach der ersten Ausgabe zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, zeichnet nach, was sich während dieser Zeit getan hat und fragt, was noch aussteht.
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