Franziskaner - Herbst 2023

7 FRANZISKANER 3|2023 China heute Ein kleiner Einstieg in ein großes Thema Thomas Meinhardt Was wissen Sie über die Volksrepublik China? Wie stehen Sie zu Staat und Gesellschaftssystem des Landes? Wie sollte Deutschland die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu China gestalten? Und wie ist eigentlich das Verhältnis zwischen Vatikan und chinesischer Staatsführung? Wie leben die Christinnen und Christen in diesem – laut Verfassung – atheistischen Staat? Fragen Sie sich bereits an dieser Stelle, warum Sie China überhaupt interessieren sollte? Dann geht es Ihnen wie den meisten Deutschen. Die Kenntnis hierzulande vom kommunistischen »Reich der Mitte« ist eher gering bis holzschnittartig, und die Einstellung gegenüber dem Land wurde in den letzten Jahren immer negativer. Übrigens ganz anders als bei vielen Chinesinnen und Chinesen: Viele interessieren sich für deutsche Kultur und Gesellschaft – nicht nur für deutsche Autos – und haben von Deutschland ein eher positives Bild. Warum wir uns intensiver mit Gesellschaft, Kultur und Politik Chinas beschäftigen sollten, liegt in einer globalisierten Welt, mit ihren engen gegenseitigen Abhängigkeiten, auf der Hand: Die VR China ist mittlerweile die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA. Mit gegenwärtig 300 Milliarden Euro ist sie der größte Handelspartner Deutschlands – und das bereits seit sieben Jahren. China spielt mit einer Bevölkerungszahl von 1,4 Milliarden Menschen in der internationalen Politik eine immer zentralere Rolle. Ohne den derzeit größten CO2-­ Emittenden der Welt (30% des weltweiten CO2-­ Ausstoßes) ist die wirksame Eindämmung der Klimaerhitzung nicht möglich. Nach Einschätzung vieler Fachleute wird die VR China in wenigen Jahren die USA als größte Wirtschaftsmacht ablösen und die Weltpolitik wesentlich mitbestimmen. All diese Fakten und insbesondere die großen Absatzchancen auf diesem riesigen und zunehmend kaufkräftigen Markt sowie die preiswerten Importe von Industrieprodukten und zentralen Rohstoffen wie den »seltenen Erden« haben in Wirtschaftskreisen bisweilen ein euphorisches Chinabild erzeugt. Die Geschäfte florierten, und da wurden Berichte über massive Menschenrechtsverletzungen gegenüber uigurischen und tibetischen Minderheiten, über die Unterdrückung jeglicher Opposition und die fehlende Religionsfreiheit ignoriert oder als Übergangsprobleme behandelt. In Teilen der Politik, bei vielen Medien und in der Mehrheit der Bevölkerung herrscht hingegen schon länger ein deutlich kritischeres Chinabild. Und dies scheint sich mittlerweile als generelle Haltung in Deutschland durchzusetzen. Innenpolitische Repression und Kontrolle der Privatwirtschaft Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Da sind zum einen Berichte über die innenpolitischen Repressionen und die massive Überwachung der eigenen Bevölkerung – mehr als die Hälfte der weltweiten Überwachungskameras sollen in China hängen. Für Schlagzeilen sorgt auch das ausgeklügelte staatliche Social-Scoring-System, wonach jedem Menschen je nach Wohlverhalten ein Punktestand zugeschrieben wird, der das ganze weitere Leben beeinflusst. Denunziantentum und gegenseitige Bespitzelung seien die Folge. Immer wieder wird die deutlich verschärfte Verfolgung jedweder eventuell abweichender Meinung oder eines unangepassten Verhaltens beklagt. Dies gilt auch für die Religionspolitik. So wird von den offiziellen staatlich kontrolCHINESISCHE MAUER: © WUSUOWE/STOCK.ADOBE.COM | ILLUSTRATIONEN IN DER TITELSTRECKE: © STOCK.ADOBE.COM

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