Franziskaner - Herbst 2023

8 FRANZISKANER 3|2023 lierten christlichen Kirchen nicht nur völlige Loyalität gegenüber Partei und Staat verlangt, sondern auch die aktive Verbreitung der »XI-Jinping-Ideen des Sozialismus« unter den Gläubigen. Gleichzeitig macht es den Eindruck, als würde die chinesische Einparteienherrschaft immer mehr auch zu einer Art Einpersonendiktatur, bei der sich die Macht in Partei und Staat auf XI Jinping konzentriert, der alle Machtpositionen mit seinen eigenen Gefolgsleuten besetzt. Außenpolitisch baut die VR China zunehmend eine militärische Drohkulisse gegenüber der aus ihrer Sicht abtrünnigen Provinz Taiwan auf. Im Raum steht die Androhung einer gewaltsamen »Wiedervereinigung«. Zudem tritt China besonders im pazifischen Raum teils wirtschaftlich werbend, teils militärisch aggressiv als selbstbewusster Gegenspieler der USA auf. Die US-Regierungen der letzten Jahrzehnte sehen die VR China als den zentralen weltpolitischen Gegenspieler und Systemkonkurrenten. Mit Handelsbeschränkungen gegenüber China und politischen und militärischen Bündnissen in der Pazifikregion versuchen die USA, den Konkurrenten einzuhegen. Die politische Unterstützung und gemeinsame Militärübungen mit Russland seitens der VR China – trotz des Angriffskrieges gegen die Ukraine – haben die Spannungen zwischen den USA und China weiter verschärft, auch wenn dem Vernehmen nach Russlands Angriffskrieg bisher nicht mit chinesischen Waffenlieferungen unterstützt wurde. Auch das Verhältnis zwischen den EU-Staaten und China hat sich wahrnehmbar verschlechtert. Dazu trägt auch der deutlich ideologischere Kurs Pekings in der Wirtschaftspolitik bei. Das Ziel scheint eine sehr viel größere Autarkie gegenüber europäischen und US-amerikanischen Importen zu sein. Auffällig sind die zunehmenden bürokratischen Hürden für ausländische Investitionen. Hierzu passt, dass die chinesische Führung unter Xi Jinping die Kontrolle von Staat und Partei über die Privatwirtschaft Schritt für Schritt wieder verstärkt hat – auch um den Preis geringerer Wachstumsraten. Neben dem Motiv der Machterhaltung der KP ist auch die Reduzierung der extrem angewachsenen Kluft zwischen Arm und Reich einer der Gründe. Es ist der VR China zwar in fast beispielloser Weise gelungen, die absolute Armut, die noch vor wenigen Jahrzehnten die große Mehrheit der in China Lebenden erleiden musste, zu überwinden; allerdings leben insbesondere auf dem Land noch Hunderte von Millionen Menschen weiterhin in äußerst bescheidenen Verhältnissen. Gleichzeitig ist die städtische Mittelschicht deutlich wohlhabender geworden, und es gibt über 600.000 chinesische Millionäre – die meisten nach den USA. Dies ist für den Rückhalt in der Bevölkerung in einem formal sozialistischen Staat durchaus problematisch. Legitimation des Regimes in Gefahr? Gegenwärtig befindet sich die VR China vor allem wirtschaftlich in einer schwierigen Situation: Die Wachstumsraten sind deutlich niedriger als erwartet. Das hat nicht nur mit der oben skizzierten veränderten Wirtschaftspolitik zu tun, sondern auch mit den während der Pandemie immer wieder verfügten und hart durchgesetzten vollständigen Lockdowns selbst bei kleinen Covid-19-Ausbrüchen. Das stark durch den Bausektor und Infrastrukturprojekte getriebene Wirtschaftswachstum – allein 25 % der chinesischen Wirtschaftsleistung wird im Immobiliensektor erwirtschaftet – hat zu einer riesigen Immobilienblase geführt. Millionen bereits von Privatpersonen gekaufte Wohnungen können wegen Zahlungsschwierigkeiten der riesigen Baukonzerne nicht fertiggestellt werden. Dadurch sehen vielen Menschen aus dem Mittelstand ihre Altersversorgung in Gefahr. Zudem stehen nach Schätzungen 50 Millionen Wohnungen leer, viel mehr als absehbar benötigt werden. Zwei riesige Baukonzerne können nur mit Milliarden an staatlichen Zuschüssen vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt Die VR China ist das drittgrößte Land der Erde und mit 1,4 Milliarden Menschen, nach Indien das bevölkerungsreichste. Ees hat eine ca. 5.000-jährigen Zivilisationsgeschichte. In China gibt es heute 24 Städte, in denen jeweils mehr als 5 Millionen Menschen leben, wobei Schanghai mit Bevölkerungszahlen von fast 25 Millionen und die Hauptstadt Peking von fast 22 Millionen die größten sind. Über 90 % der Bevölkerung sind Han-Chinesen, knapp 9 % (ca. 125 Millionen Menschen) gehören zu einer der 55 offiziellen ethnischen Minderheiten. Die VR China ist seit 1949 ein von der Kommunistischen Partei regierter Einparteienstaat und heute nach den USA die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Bezogen auf die Pro-Kopf-Kaufkraft des Bruttoinlandsprodukts liegt die VR China mit 19.200 $ im Jahr 2021 auf Platz 77 vor Thailand (Deutschland mit 58.700 $ auf Platz 19). Während China heute einerseits ein Hightech-Staat mit modernster Infrastruktur in den großen Städten ist, befindet sich insbesondere das ländliche China häufig noch auf der wirtschaftlichen Stufe eines ärmeren Entwicklungslandes. Staatschef und Generalsekretär der Kommunistischen Partei ist seit 2013 Xi Jinping, dessen heutige Machtfülle nur noch mit der Mao Tsetungs vergleichbar ist. Formal ist die VR China ein atheistischer sozialistischer Staat. Dennoch sind fünf »Religionen« offiziell als solche anerkannt: Buddhismus (ca. 18 %), Daoismus (ca. 1 %), Protestantismus (ca. 3 %), Islam (ca. 1,6 %) und Katholizismus (unter 1 %). Sie stehen alle unter starker staatlicher Kontrolle. Zudem praktizieren viele Hundert Millionen Chinesinnen und Chinesen volksreligiöse Praktiken wie Ahnenkult und Feng Shui. Volksrepublik China

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