9 FRANZISKANER 3|2023 Die in China während der Zeit der Christenverfolgung entstandene Madonna ist in der Art einer buddhistischen Guanyin geschnitzt, eines weiblichen Erleuchtungswesens des Mitgefühls. Die Statue gehört zum Inventar des Forums der Völker. Franziskaner trugen ab 1909 eine Sammlung aus den Missionsgebieten in aller Welt im Franziskanerkloster in Dorsten zusammen. Diese bildete den Grundstock für das Forum der Völker in Werl, das 1962 errichtet wurde. Die chinesische Sammlung ist die umfangreichste Einzelsammlung des Museums. werden, da sie zusammen etwa 470 Milliarden Euro Schulden aufgehäuft haben. Ein Zusammenbruch dieser Konzerne würde weltweite Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben und auch internationale Banken in große Schwierigkeiten bringen. Auch viele der chinesischen Provinzen, die finanzpolitisch eine gewisse Autonomie haben, sind völlig überschuldet und müssen die öffentlichen Ausgaben drastisch zusammenstreichen. Zudem herrscht im ganzen Land eine Rekordjugendarbeitslosigkeit von offiziell 20 % – bei gleichzeitiger Überalterung der Gesellschaft als Folge der Ein-Kind-Politik. Die Zukunftsaussichten schwinden, und das Aufstiegsversprechen für Millionen gut ausgebildeter junger Menschen wird nicht mehr eingelöst. Diese Situation hat das Potenzial für größeren sozialen Sprengstoff. Bisher lautete das Versprechen: »Wir garantieren wachsenden Wohlstand für alle.« Im Gegenzug akzeptierte die Bevölkerung die unumschränkte Herrschaft der Partei ohne hörbaren Protest. Dass die Partei- und Staatsführung auf Proteste reagiert, wenn sie ihre Machstellung gefährdet sieht, zeigte die 180-Grad-Wende bei der Corona-Politik. Die strikte Null-Covid-Strategie Chinas führte für die Bevölkerung ganzer Megastädte immer wieder – selbst bei kleinsten Ausbrüchen – zu unhaltbaren Zuständen zum Beispiel bei der Nahrungsmittelversorgung. Als die Proteste nicht mehr einfach einzudämmen waren, wurden trotz deutlich steigender Infektionen plötzlich fast alle Schutzmaßnahmen einschließlich der Testpflicht aufgehoben. Veränderungen durch Proteste der Bevölkerung gab es in den letzten zwei Jahrzehnten auch bei Umweltthemen. Die Belastung durch massive Luftverschmutzung und Smog führte immer wieder zu lokalem Unmut und Streiks. Hier wurde mit Umweltschutzmaßnahmen reagiert und grundsätzlich ein massiver Ausbau erneuerbarer Energie vorangetrieben. So ist China derzeit für die Hälfte der jährlich weltweit neu installierten erneuerbaren Energie – Wasserkraftwerke, Solar- und Windenergie – verantwortlich und der weltgrößte Produzent dieser Anlagen. Auch außenpolitisch läuft für die chinesische Regierung längst nicht alles so wie gewünscht: Ihr »Seidenstraßenprojekt«, mit dem sie ihren weltweiten wirtschaftlichen und politischen Einfluss massiv erhöhen will, wird in einer Reihe von Staaten zunehmend kritisch gesehen, da hauptsächlich chinesische Firmen von den lukrativen Aufträgen profitierten. Wichtige Mitgliedsländer wie Italien und vorher schon die baltischen Staaten und Tschechien steigen wieder aus, auch weil sie politische Abhängigkeit von Peking befürchten. Und afrikanische und asiatische Staaten haben Schwierigkeiten mit der Rückzahlung von chinesischen Krediten für große Infrastrukturprojekte. Mehr Interesse füreinander aufbringen Die Versuchung, einfache Antworten in puncto China zu geben, ist groß. Allerdings zeigt bereits der oben skizzierte erste Überblick, dass eine weitaus differenziertere Beschäftigung nottut, um zu einem sachgerechten Umgang mit dieser Weltmacht zu kommen. Zudem ist es angeraten, zwischen der chinesischen Gesellschaft, die aus vielen Völkern besteht und keineswegs homogen ist, und dem staatlichen Machtapparat unter Führung der KP zu unterscheiden. Die Bundesregierung versucht mit ihrer neuen China-Strategie den Spagat zwischen Partnerschaft und systemischer Rivalität. Inwieweit hieraus eine konsistente Politik entsteht, wird vielleicht in ein paar Jahren beurteilt werden können. Die Aufgabe von Regierungshandeln wäre in jedem Fall Kooperation, beispielsweise bei einer zielstrebigen Klimapolitik und bei der Eindämmung von Kriegen mit konsequenter Einforderung der Einhaltung der UN-Menschenrechtskonvention zu verbinden. Gefordert wäre eine wirtschaftliche Zusammenarbeit, ohne in vollständige Abhängigkeiten in wichtigen Bereichen zu geraten. Viele der eingangs gestellten Fragen bleiben offen, bei der einen oder anderen haben Sie vielleicht für sich eine Antwort gefunden. Anderes wird auf den folgenden Seiten unserer Titelstrecke thematisiert. Wünschenswert wären sicher direkte Kontakte zu den Menschen, doch eine Reise ins Reich der Mitte ist in der Regel nicht möglich. Muss sie vielleicht auch nicht sein, denn Kontakte können auch zu den vielen Chinesinnen und Chinesen aufgebaut werden, die in Deutschland studieren oder arbeiten. Wenn auch hierzulande das Interesse an der chinesischen Gesellschaft so groß wäre wie das vieler Chinesinnen und Chinesen an Deutschland, dann könnte dies das gegenseitige Verstehen sicher enorm beflügeln. FLAGGE: © STOCK.ADOBE.COM | MADONNA: © FORUM DER VÖLKER
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