11 FRANZISKANER 4|2023 Demut gepriesen, und aus Greccio wird gleichsam ein neues Betlehem« (1 C, 85). Das Leben des Franziskus ist durch viele solcher Inszenierungen geprägt: • Am Beginn seiner Nachfolge des armen Christus umarmt er einen Aussätzigen und legt seine Kleidung seinem Vater vor die Füße. • Er predigt den Vögeln, diesen kleinen Tieren. In großer Demut neigt er sich darin sinnbildlich den Armen zu, den nicht beachteten Menschen. • Betend befreit er die Stadt Arezzo von Dämonen. • Als die Brüder in einer Niederlassung einmal kein Brot hatten, schenkt er einem vorbeikommenden Bettler die einzige Bibel mit dem Hinweis an die Brüder: »Es ist besser, wir leben das Wort Gottes, als dass wir es nur lesen.« • Am Ende seines Lebens lässt er sich nackt auf die Erde legen, aus der tiefen Überzeugung, aus der Erde genommen zu sein und auf der Erde liegend seinem Schöpfer im Tod entgegenzugehen. Immer waren diese Inszenierungen provozierend, manchmal sanfter, manchmal heftiger: • Eingeladen zu einem Festessen bei Prälaten und Kardinälen in Rom geht er auf die Straße, leiht sich von einem Bettler einen Napf mit ein paar Speiseresten darin, geht zurück und setzt sich damit an den Tisch der feinen Herren. • Als die Brüder einmal gegen seinen Willen ein Haus errichtet hatten, ließ er es wieder abreißen, weil auch der Herr Jesus Christus kein Dach über dem Kopf hatte. Aus vielen weiteren Inszenierungen möchte ich exemplarisch eine herausgreifen: Franziskus, inzwischen berühmt, ist bei den Schwestern der heiligen Klara zu Besuch und soll eine Predigt halten. Anstelle einer Predigt holt er Asche, stellt sich in den Chorraum der Schwestern, zieht mit der Asche einen Kreis um sich und schüttet den Rest der Asche auf seinen Kopf. Er kommentiert diese Szene mit einem Wort aus Psalm 51: »Erbarme dich meiner, o Gott!« Mehr nicht, kein weiteres Wort, aber eine eindrucksvolle Predigt. G. K. Chesterton schrieb über ihn: »Die Dinge, die er sagte, waren denkwürdiger als diejenigen, die er schrieb. Die Dinge, die er tat, waren erfinderischer als die Dinge, die er sagte. (…) Von dem Moment, als er seine Kleider zerriss und sie seinem Vater vor die Füße warf, bis zu dem Moment, als er sich im Tod auf die nackte Erde in der Gestalt des Kreuzes legte, bestand sein Leben aus diesen unbewussten Haltungen und spontanen Gesten.« Franz Richardt OFM war 18 Jahre Geistlicher Direktor der Bildungsstätte Haus Ohrbeck. Heute lebt und arbeitet er weiter in Ohrbeck bei Osnabrück. Wirksam in Szene gesetzt: Franziskus sagt sich von seinem Vater los und gibt ihm die Kleider zurück. Fresco von Giotto di Bondone. ein Meister der dramatischen Inszenierung
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