15 FRANZISKANER 4|2023 Die Krippe gestalten Andreas Brands OFM Sie ist ein echtes Kunstwerk, die Krippe zu Hause bei Freunden – wirklich ein Kunstwerk, ein zeitintensives Geschehen, eine werdende Landschaft. Während sie aufgebaut wird, ist eine besondere Feierlichkeit im Raum zu spüren. Die Krippe nimmt das halbe Wohnzimmer ein. Liebevoll ist alles arrangiert: das Hirtenfeld von Betlehem, ein Feuer für die Hirtinnen und Hirten und die Schafe, eine Brücke über einen Bach, der Engel über dem Stall, die Tiere, deren Bestand sich Jahr für Jahr verändert oder sogar vergrößert. Und natürlich die Eltern und das Kind, wobei dem Kind eine besondere Aufmerksamkeit zuteilwird. Ich finde es großartig, wie die »Kinder« bis ins Erwachsenenalter diese Familientradition mitgestalten. Meine Krippe dagegen ist bescheidener. Leicht aufzubauen, da sie nur aus drei vor 36 Jahren aus Ton geformten »Personen« besteht: Maria, Josef und das Kind. Dazu lege ich einen Tannenzweig und einen Stern aus Bronze, dazu ein Teelicht – schlicht und auf das für mich Wesentliche konzentriert. In der franziskanischen Tradition wird oft ein Franziskaner in die Krippen der Klosterkirchen »eingebaut«. Vielleicht in Erinnerung an Franziskus, der diese Tradition (wieder)belebt hat, oder als Wertschätzung eines Bruders vor Ort, der lange in diesem Kloster gewirkt hat. Ganz anders die Krippe bei Freundinnen und Freunden aus Italien, die sie in der neapolitanischen Tradition gestalten: Neben den uns bekannten Figuren, die zur Krippe dazugehören, gibt es eine zusätzliche Gestalt, den sogenannten »nullafàcente«, den Nichtstuer. Er steht einfach dabei, hat keine Aufgabe und ist einfach nur Beobachter. So als wolle er uns sagen, dass das Hauptaugenmerk darauf liegt, still zu werden und dem Wirken Gottes andächtig zuzusehen. Wie gestalten Sie Ihre Krippe? Wer gesellt sich auf dem Hirtenfeld dazu? Wer oder was darf auf keinen Fall fehlen? Wie verändern Sie Ihre Gewohnheiten? Kommt Ihrer Krippe eine Aktualität zu? Oder bleibt sie eher beständig so, wie sie immer war? Krippenausstellungen zeigen uns auf vielfältige Weise, wie die traditionelle Krippenlandschaft für das Heute adaptiert wird, wie regionale Eigenschaften in die Krippe einbezogen werden, welchen religiösen Überzeugungen, gesellschaftlichen Entwicklungen oder politischen Ereignissen Platz eingeräumt wird. Alles gehört zur Krippe. Unser Leben mit all seinen Umlaufbahnen, mit allen Aufgaben und Herausforderungen sucht die Nähe zur Krippe – zum Kind. Unzählige Arten und Weisen von Krippen zeugen von der kraftvollen Botschaft, die in dieser Szenerie entfaltet wird. Menschwerdung ist immer Menschwerdung. Daran denke ich, wenn ich meine kleinen Tonfiguren aus der Schublade heraushole und sie auf einem Holzregal arrangiere. Sie geschah damals, sie geschieht heute. Und immer wird dabei das Leben des Menschen in den Mittelpunkt gestellt, mit seinen Risiken, mit seinen Unwägbarkeiten, mit seinen Anfeindungen und mit seiner einmaligen Würde. All das geht mir durch den Kopf, während ich meine Krippe 2023 aufbaue. Gott, der Schöpfer des Lichtes, erblickt selbst das Licht der Welt. In einem Kind aus Betlehem strahlt sein Gesicht. Ich wünsche Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, dass Sie gerne Ihre Krippe aufbauen, sich Zeit dafür nehmen und liebevoll den einzelnen Figuren ihren Platz geben. Um in der gesamten Inszenierung anschaulich werden zu lassen, welch großes Geheimnis sich in der Weihnacht entfaltet. Denn der liebende Blick auf seinen Sohn wird für Gott zum liebenden Blick auf die ganze Welt.
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