Franziskaner - Winter 2023

20 FRANZISKANER 4|2023 wohl trauriger denn je erklingen. Es wird an Pilger:innen aus dem Ausland und auch an einheimischen Christ:innen fehlen; vor allem an denjenigen aus dem Gazastreifen, die nicht einreisen dürfen. War es schon in den letzten Jahren immer fraglich, ob sie ein Visum erhalten würden, in diesem Jahr ist es wohl ziemlich aussichtslos. Betlehem und die dort lebenden Christ:innen sind sehr abhängig vom Tourismus und den Pilger:innen. Bereits in den vergangenen Jahren sind die Übernachtungen und die mehrtägigen Besuche deutlich zurückgegangen. Immer wieder aufflammende politische Auseinandersetzungen und Corona haben zu Schließungen von Geschäften und Hotels geführt. Es herrscht also eher Trauer-, ja Kreuzesstimmung in Betlehem als Weihnachtsfreude. Zwischen Krippe und Kreuz Diese Spannung – oder vielleicht auch Verbindung – zwischen Krippe und Kreuz wird auch in Greccio im Jahr 1223 spürbar, besonders in der Erinnerung an das damalige Weihnachten, das Franziskus mit dem »Krippenspiel« hat lebendig werden lassen. Zur Feier der Menschwerdung Gottes gehört für Franziskus nicht nur die Geburt Jesu, sondern auch sein Tod am Kreuz. Dies kommt auch in Greccio zum Ausdruck. Über der (Futter-)Krippe, die zu Weihnachten 1223 durch den Priester als Altar genutzt wurde, wird Eucharistie gefeiert und damit die Erinnerung an das letzte Abendmahl mit den Jüngern und den Kreuzestod Jesu. Geburt und Tod werden zu einer Linie, einer Verbindungslinie zwischen Gott und den Menschen. Es wird aber auch noch eine andere Spannung deutlich: Einerseits lobt und preist Franziskus einen Gott, der in Armut und Demut geboren wird, und der dadurch den Menschen, die am Rand der Gesellschaft und sozusagen im Schatten des Todes leben, besonders nahe kommt. Es ist für Franziskus zu einem existenziellen Auftrag geworden, diese Nähe auch in seinem Leben zu verwirklichen. Andererseits berauscht sich Franziskus geradezu an diesem Fest und genießt die Weihnachtsfreude in vollen Zügen. Als ein Bruder zu ihm sagt, dass man, wenn Weihnachten auf einen Freitag fallen würde, selbst angesichts dieses Festes kein Fleisch essen dürfe, widerspricht er ihm sehr energisch mit den Worten: An solch einem Tag sollen selbst die Wände Fleisch essen. Die Friedensbotschaft gerade heute Betlehem und Greccio haben also mehr miteinander zu tun, als vielleicht auf den ersten Blick ersichtlich wird: Beide sind besondere Orte der Menschwerdung Gottes. Im Lukasevangelium heißt es, dass die Engel mit der Geburt Jesu den Frieden auf Erden verkündeten. Das hören wir auch in diesem Jahr zu Weihnachten. Und auch in diesem Jahr wird es hoffentlich wieder in unseren Kirchen das Friedenslicht aus Betlehem geben, das in der Geburtsgrotte entzündet und von dort in die ganze Welt verteilt wird. Die Friedensbotschaft der Engel an die Hirtinnen und Hirten auf den Feldern gilt auch heute noch, und sie ist wahrscheinlich aktueller und notwendiger denn je. Hoffen und beten wir für den Frieden im Heiligen Land und in den anderen Kriegs- und Krisengebieten der Welt! Das Kloster Greccio im Rietital liegt in den Bergen über dem Ort. Dort hat der heilige Franziskus die Weihnachtsfeier gestaltet, deren 800-Jahre-Jubiläum in diesem Jahr gefeiert wird. Johannes Roth OFM Greccio war kein »Krippenspiel« Überraschenderweise ist die In-Szene-Setzung des Weihnachtsgeschehen durch Franz von Assisi kein Krippenspiel im heutigen Sinne, es war keine (Theater-)Aufführung. Er lässt dem Bericht des Biografen Thomas von Celano nach lediglich eine Krippe mit Heu herrichten, dazu Ochs und Esel. Es fehlen jedoch das Kind und seine Eltern Maria und Josef. Ebenso gibt es keine Hirten und keine Engel. Das Jesuskind erscheint lediglich in einer Vision eines der Beteiligten. Seine Intention lässt sich nur vermuten. Franziskus möchte die prekären Umstände verdeutlichen, in denen Gott in Armut und bitterer Not für »uns am Weg geboren« wird. Da über der Krippe die Eucharistie gefeiert wird, veranschaulicht sich sein Wort, dass wir Jesus mit unseren Augen nicht anders schauen können denn in den eucharistischen Gaben von Brot und Wein. Die Performance von Greccio lässt sich also nicht eins zu eins mit den heutigen Krippenspielen vergleichen, auch wenn beide Formen das Ziel haben, die Menschwerdung Gottes in den Herzen der Menschen lebendig werden zu lassen. Weiterlesen zum Thema »800 Jahre Greccio« • Einen kulturgeschichtlichen Zugang bietet ein Beitrag von Dr. Sissi Mettier-Mangholz ▶▶ www.franziskaner.net • Eine umfangreiche Materialsammlung findet sich außerdem auf der INFAG-Website ▶▶ www.franziskanisch.net GRECCIO © CHICCODODIFC – STOCK.ADOBE.COM

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=