25 FRANZISKANER 4|2023 FEBRUAR Schiffbruch Möge ich unter deiner Führung glücklich dem Schiffbruch dieses Lebens entrinnen. Gertrud von Helfta (1256 – 1301/02) »entrinnen« Ist das nicht die kühnste Bitte des Gebets: der unheilvollen Situation zu entrinnen? Dem Krieg? Der Krankheit? Dem Schiffbruch? Schiffbruch ist eine Chiffre für Misslungenes. Das erhoffte Ziel konnte nicht erreicht werden, da das Schiff des Lebens den Stürmen nicht standhalten konnte. Keiner wünscht sich einen Schiffbruch. Wir wünschen uns Heil, Segen und Gelingen aller unserer Pläne. Aber wir haben nicht alles in der Hand, sind den Gegebenheiten unterworfen und erfahren schmerzlich, dass kleinere oder auch größere Schiffbrüche unser Leben begleiten. Dem zu entrinnen heißt: lebend herauskommen. Manchmal wird es eng. Manchmal wird es brüchig. Manchmal stürmisch. Dann nichts wie raus. Die Beterin Gertrud von Helfta greift diese Gewissheit auf, dass Schiffbruch eine der menschlichen Erfahrungen ist. Jedes Leben kann davon betroffen sein. Dann mögen wir hindurchkommen und entrinnen. Nicht untergehen. Dieser Bitte wird das Wort »glücklich« hinzugefügt – nicht irgendwie, sondern mit der Qualität des Segens ausgestattet. Dass diese Worte »Schiffbruch« und »glücklich« im Gebet zueinander finden, obwohl sie gegensätzlicher nicht sein könnten, ist Bet-Kunst. Möge das Kurzgebet der Gertrud von Helfta Sie im neuen Jahr 2024 begleiten und zum Segen werden! Zum Nachdenken • Kann und will ich meine Schiffbrüchigkeit erkennen und bejahen? • Was hat sich wieder neu gefügt? 2024
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