Franziskaner - Winter 2023

40 FRANZISKANER 4|2023 »Brücken statt Mauern« zu bauen, und mahnte, dass das Hauptkriterium nicht der Erhalt des eigenen Wohlstands sein dürfe, sondern die Wahrung der Menschenwürde. Nach dieser Rede erntete der Papst viel Kritik, obwohl er eigentlich nur geforderte hatte, Fluchtursachen zu bekämpfen, die Menschenwürde von Geflüchteten zu achten und das Mittelmeer nicht zum »Grab der Menschenwürde« werden zu lassen. Auch Kardinal Marx, Erzbischof von München und Freising, stellte fest, dass die Europäer keine Mauer bauen und sagen dürften: »Da kommt ihr nicht rein!« Die neuen Asylbeschlüsse Dass genau das passiert sei, bestätigen Fachleute nach genauer Analyse der Beschlüsse von Bund und Ländern. Georgien und die Republik Moldau sollen zu »sicheren« Herkunftsländern erklärt werden, um Asylverfahren von dort kommenden Flüchtlingen schneller abwickeln zu können. Doch diese Länder erfüllten nicht die Voraussetzungen des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1507/93, 2 BvR 1508/93), die ein »sicheres« Herkunftsland erfüllen müsse. Ein Antwortschreiben des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes an das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), welches um Stellungnahme bezüglich Georgien und Moldau bat, führt die Verstöße gegen diese Voraussetzungen Punkt für Punkt auf. Diese Stellungnahme wurde bereits am 23. August 2023 an das BMI geschickt. Es geht vor allem um den Schutz von Frauen und Angehörigen sozialer Minderheiten wie Angehörige der LGBTI-Community, Roma und religiöse Minderheiten. Ein weiterer Beschluss, der im oben genannten Statement der 154 Organisationen kritisiert wurde, ist die Leistungskürzung für Asylsuchende. Auch hier wird das Bundesverfassungsgericht zitiert, welches 2012 festlegte, dass Menschen ein Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum haben, und das weiterhin erklärte: »Die in Art. 1 Abs.1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.« Die Prüfung der Idee, dass man Asylverfahren zukünftig in Drittstaaten – beispielsweise in einigen Staaten Nord- und Ostafrikas – durchführen könnte, wird nicht nur von Hilfsorganisationen, sondern auch von der weit überwiegenden Zahl der Asylrechtsfachleuten abgelehnt. Die Berliner Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) sagte dem »Spiegel«, dass die Auslagerung der Asylverfahren faktisch einen Austritt aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention darstelle. In dem Beitrag wird zudem darauf hingewiesen, dass diese Konventionen eine Reaktion der UN und der Staaten Europas auf die Shoah gewesen sei. Und gerade jetzt sollten wir uns das ins Gedächtnis rufen. Der Caritas-Vorstand Steffen Feldmann kommentiert die Beschlüsse in einer Stellungnahme zusammenfassend: »Das, was Bund und Länder beschlossen haben, wird niemanden, der in der Heimat verfolgt wird, der keine Perspektive für sich und seine Kinder sieht, davon abhalten, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen.« Svenja Niederfranke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik verweist in dem Zusammenhang auf wissenschaftliche Untersuchungen und stellt fest: »Es ist mehrfach nachgewiesen, dass Sozialleistungen nicht der Hauptgrund sind, warum Menschen nach Deutschland kommen.« Papst Franziskus nahm im September 2023 am »Mittelmeer-Treffen« in der südfranzösischen Hafenstadt Marseille teil und mahnte an, dass nicht der Erhalt des eigenen Wohlstandes das Handeln gegenüber Schutzsuchenden bestimmen dürfe © PICTURE ALLIANCE / HANS LUCAS

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