Franziskaner - Frühling 2024

11 FRANZISKANER 1|2024 serer Erklärung ›Der Aggression widerstehen, den Frieden gewinnen, die Opfer unterstützen‹ u.a. hinter die Entscheidung der Bundesregierung gestellt haben, Waffen an die Ukraine zu liefern, wurde uns vorgeworfen, das Evangelium Jesu Christi zu verraten oder es offenbar vergessen zu haben. In solchen Fragen gibt es nie und für niemanden eine letzte Gewissheit, und darum begrüßen wir Kritik, die Teil eines streitigen gesellschaftlichen Nachdenkens ist. Nach wie vor sind wir jedoch davon überzeugt, mit unserer Haltung sowohl dem Evangelium wie der Lehre der Kirche treu geblieben zu sein.« Auch die damals amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, betonte das Dilemma der kirchlichen Position. »Wie immer wir uns positionieren: Wir können in dieser Situation keine weiße Weste behalten.« Sie halte es für zynisch zu sagen, Gebete und Mitgefühl mit den Menschen in der Ukraine müssten ausreichen. »Ich kann nachvollziehen, dass die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung unterstützt wird. Das ist ein echtes Dilemma.« Aber dem dürften die Kirchen nicht ausweichen, indem sie schwiegen und sich aus der Verantwortung zögen. Die evangelische Friedensethik müsse vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs »einer kritischen Prüfung« unterzogen und neu diskutiert werden. Aktive Gewaltfreiheit als christlicher Lebensstil Papst Franziskus spricht immer wieder von der Würde und Heiligkeit des Menschen, von universaler Geschwisterlichkeit, von Barmherzigkeit und Zärtlichkeit. In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 2017 forderte er dazu auf, »die aktive Gewaltfreiheit zu unserem Lebensstil« zu machen. Für ihn gehören »Versöhnung, Gewaltfreiheit und aktives Friedensstiften zur Mitte des Evangeliums«. Frieden bedeutet nicht nur ein Schweigen der Waffen, sondern eine ökonomische und soziale Gerechtigkeit, die niemanden ausschließt. Da immer mehr Exklusion, Ausschließung von Menschen festzustellen ist, nennt Papst Franziskus dies einen »schrittweisen dritten Weltkrieg«. Ende Januar 2024 betonte er: »Ich werde nie aufhören, meinen Appell zu wiederholen, der sich vor allem an die politisch Verantwortlichen richtet: die Bomben und Raketen sofort zu stoppen und aufzuhören mit den feindlichen Haltungen. Überall. Der Krieg ist immer und einzig eine Niederlage. Für alle. Die alleinigen Gewinner sind die Waffenhersteller und die Waffenhändler. Ein globaler Waffenstillstand ist dringend nötig.« Der Papst wird von verschiedenen Seiten kritisiert, sich zu neutral zu verhalten und sich nicht deutlich genug zu positionieren, da er sowohl im Ukraine-Krieg wie im Krieg in Gaza die Verursacher und Aggressoren nicht beim Namen nenne. Nur zu Frieden, Verständigung und Waffenstillstand aufzurufen, sei zu wenig. Als Franziskaner stehe ich mit unserem Ordensgründer Franz von Assisi für eine jesuanische Friedensethik. Es bleibt für alle konsequenten Pazifisten die Frage, wie sich der Vorrang der Gewaltfreiheit durchhalten und gestalten lässt – angesichts einer sich immer massiver verselbstständigenden militärischen Tötungsmaschinerie des Krieges. Wie lässt sich verhindern, dass immer mehr Menschen zu Gewaltopfern werden? Wie kann eine aktive Gewaltfreiheit dazu beitragen, den Frieden vorzubereiten? Es bleibt ein Ringen mit denen, die als Christinnen und Christen eher eine konstantinische Friedensethik vertreten, bei dem sich leichtfertige Antworten und gegenseitige Verurteilungen verbieten. Beide Positionen wollen Frieden, und beide gibt es nicht in Reinkultur. Machen wir »die aktive Gewaltfreiheit zu unserem Lebensstil«, so lautete die Botschaft von Papst Franziskus zum Weltfriedenstag 2017 – eine Überzeugung, der er bis heute treu geblieben ist LINKS © HENNING KAISER – PICTURE.ALLIANCE.COM; RECHTS © WOLFGANG SCHWAN – PICTURE.ALLIANCE.COM Ein von Deutschland gelieferter Leopard 2A6 Kampfpanzer nahe der ostukrainischen Kleinstadt Lyman, einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt im nördlichen Donbass

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