Franziskaner - Frühling 2024

16 FRANZISKANER 1|2024 Von der Torheit des Evangeliums Franziskus – eine gefährliche Erinnerung Wie verrückt muss man eigentlich sein, um zum Friedensstifter Gottes zu werden? Wie viel Torheit braucht es, um die Weisungen der Bergpredigt umzusetzen? Eine Erinnerung an einen, der keine theoretische Friedenstheologie entwickelte, sondern als Narr Gottes durch die Welt zog und wie kaum ein anderer in seiner Person den Frieden leibhaftig verkörperte. »Buon giorno, buona gente!« »Guten Tag, ihr guten Leute!«, so grüßte Franz von Assisi die Menschen und rief damit das Gute in ihnen wach. Auf das Positive zu schauen, ist bereits ein wichtiger Schritt zum Frieden. Den Menschen salus et pax = Heil und Frieden zu bringen, jede Predigt mit dem Friedenswunsch zu beginnen und die Worte Jesu umzusetzen: »Und wenn sie ein Haus betreten, sollen sie zuerst sagen: ‚Friede diesem Haus!‘« Laut seinem Testament war es der Herr selbst, der ihm diesen Gruß offenbarte: »Der Herr gebe dir Frieden!« Frieden als Geschenk Franziskus hat verstanden: Wer den Frieden verkündet, muss ihn zunächst selbst im Herzen tragen. Deshalb mahnt er: »Wenn ihr mit dem Mund den Frieden verkündet, so versichert euch, ob ihr ihn auch, ja noch mehr, in eurem Herzen habt.« Entfeindungsliebe beginnt im eigenen Herzen mir selbst gegenüber. Erst versöhnt mit mir selbst kann ich vertrauensvoll bei anderen Frieden stiften und zur Versöhnung beitragen. Frieden als »com-passion« Frieden hat für Franziskus grundsätzlich eine soziale Komponente. Es war die Begegnung mit einem Aussätzigen, die ihn zu einem sozialen Standortwechsel veranlasste: weg aus dem aufkommenden neureichen Bürgertum im Ortszentrum Assisis, hin zu den Ausgegrenzten vor den Toren der Stadt. Seinen Brüdern schrieb er ins Stammbuch, sprich: in die Ordensregel: »Ich rate aber meinen Brüdern, warne und ermahne sie im Herrn Jesus Christus, dass sie, wenn sie durch die Welt ziehen, nicht streiten, noch sich in Wortgezänk einlassen, noch andere richten. Vielmehr sollen sie milde, friedfertig und bescheiden, sanftmütig und demütig sein und Stefan Federbusch OFM mit allen anständig reden, wie es sich gehört.« In seinen Ermahnungen greift er die Seligpreisungen auf und macht die Gewaltfreiheit zum Kennzeichen der Bruderschaft. Gemäß dem biblischen Dreiklang von Frieden, Demut und Geduld sieht Franziskus in der Konflikt- und Leidensfähigkeit die Wahrheitsprobe für den Frieden. Das geduldige Ertragen und demütige Erleiden sind aber nicht passiv zu verstehen, sondern sind aktives Tun, das ein kreatives Potenzial entfaltet. Exemplarisch deutlich wird dies in der Begegnung mit dem Wolf von Gubbio. Hier stoßen die wölfische Art des Menschen (»homo homini lupus« = »der Mensch ist dem Menschen ein Wolf«) und die göttliche Lebensform des Lammes aufeinander. Eine Haltung der Gewaltfreiheit eröffnet neue Perspektiven der Gerechtigkeit und des Friedens. Die passio, die Geduld, wird zur com-passion, zum Mitleiden, zur aktiven Solidarität mit den von der Gesellschaft Ausgeschlossenen und an den Rand Gedrängten. Gewaltfreiheit als Besitzlosigkeit Ist die Haltung des Franziskus in der Nachfolge Jesu völlig naiv und realitätsfremd? Biografisch betrachtet gewiss nicht. Franziskus hatte erlebt, was Krieg heißt, und ein Jahr in Kriegsgefangenschaft verbracht. Er hatte die physischen und psychischen Folgen am eigenen Leib zu spüren bekommen, wusste also um die Zerstörungskraft gewalttätiger Auseinandersetzungen. Heute würden wir von einer Posttraumatischen Belastungsstörung sprechen. Ebenso erlebte er in der eigenen Familie, bei seinem Vater als neureichem Tuchhändler, welche negativen Dynamiken das Streben nach Reichtum mit sich bringt. Dies kommt zum Ausdruck in © ADOBE FIREFLY – KI GENERATED

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