37 FRANZISKANER 1|2024 Der deutsche Reformprozess und das römische Veto Interview mit Martina Kreidler-Kos Ein »Brief aus Rom« (siehe Kasten) hat wieder einmal deutlich gemacht, dass es starke Differenzen zwischen der großen Mehrheit der deutschen Bischöfe sowie der Laienvertretung der deutschen Katholik:innen und der römischen Kurie über das Ob und Wie eines kirchlichen Reformprozesses gibt. Darüber, ob und wie es nun mit dem synodalen Reformprozess weitergehen kann, sprach unser Redakteur Thomas Meinhardt mit Martina Kreidler-Kos, die in den Synodalen Ausschuss gewählt wurde. Frau Kreidler-Kos, markiert dieser jüngste Brief aus Rom das Ende des Reformprozesses der katholischen Kirche in Deutschland, wie er mit dem Synodalen Weg initiiert wurde? Ich halte es da mit dem Vizepräsidenten des ZdK, Thomas Söding, der gesagt hat: Es ist nicht das Aus, es ist ein Tritt auf die Bremse. Ich bewerte den Brief tatsächlich nicht so dramatisch. Dramatisch ist eher das derzeitige Kommunikationsproblem zwischen Deutschland und Rom, denn wir haben das gleiche Anliegen. Auf der laufenden Weltsynode werden die gleichen Fragen wie beim Synodalen Weg in Deutschland thematisiert, auch dort steht Dezentralisierung und Partizipation auf der Tagesordnung. Jetzt setzen wir in Deutschland genau das bezogen auf unseren Kontext um, und nun soll das plötzlich nicht möglich sein. Ich weiß nicht, welches Schreckgespenst Rom in diesem Synodalen Ausschuss oder dem Synodalen Rat in Deutschland sieht. Der Knackpunkt ist offensichtlich die Frage: Stärkt oder schwächt ein solches gemeinsames Beratungs- und Entscheidungsgremium das Bischofsamt? Hierzu gibt es zwei komplett unterschiedliche Perspektiven. Rom sagt, das schwächt das Bischofsamt, weil es den Entscheidungsspielraum des einzelnen Bischofs einschränkt. Deshalb sei es nicht kirchenrechtskonform. Und auf der anderen Seite Bischof Bätzing, der mit unnachahmlicher Geduld betont: Nein, es stärkt das Bischofsamt, wenn wir gemeinsam beraten und entscheiden. Dieses »und entscheiden« ist das Problem. Ich denke, wir müssen weiter miteinander reden. Eigentlich sagt der Brief: Es braucht vorher Gespräche mit Rom. Das finde ich legitim. Die Gespräche müssen dann aber auch stattfinden. Es gibt offensichtlich zurzeit Schwierigkeiten für deutsche Bischöfe, Termine in Rom zu bekommen, die sind aber jetzt tatsächlich angesetzt. Ich würde den beiden Parteien bei diesen Gesprächen Mediator:innen wünschen und bleibe dabei: Wir haben dasselbe Anliegen in Deutschland wie auf Weltkirchenebene. Und ich würde immer noch in Anspruch nehmen, dass das miteinander kompatibel ist. Sie sagen, es sei ein berechtigter Wunsch der Kurie, dass man erst einmal redet, bevor man etwas festlegt. Das ist sicherlich unbestritten. Nur: Wenn man seit Jahren mit den »Laien und Laiinnen« sowieso jede Art von Dialog verweigert und selbst die Bischöfe monatelang warten lässt, dann ist das ja auch eine Botschaft. Ist das nicht ein Zeichen für Verweigerung? Und: Offenbaren nicht die römischen und auch päpstlichen Aussagen zum Synodalen Weg in Deutschland ein völlig unterschiedliches Verständnis von Synodalität? Denn nach römischem Verständnis gehört »mitentscheiden« scheinbar nicht zur Synodalität. Um zunächst letztere Frage zu beantworten, dann muss man klären, ob man nur formal von derselben Sache spricht, beziehungsweise erklären und dafür werben, wie wir in Deutschland Synodalität in unserem kulturellen Zusammenhang verstehen. Bearbeitung: Anna Meinhardt und Thomas Meinhardt Dr. Martina Kreidler-Kos ist Leiterin des Seelsorgeamtes im Bistum Osnabrück, Lehrbeauftragte für Theologie der Spiritualität an der Philosophisch- Theologischen Hochschule in Münster und in der franziskanisch-klarianischen Forschung aktiv. Sie ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt mit ihrer Familie im Osnabrücker Land. Unter dem Stichwort »Kirchenkram« veröffentlicht Martina Kreidler-Kos zudem einmal im Monat neue Videos auf YouTube
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