39 FRANZISKANER 1|2024 Vom Synodalen Weg zum Synodalen Rat Erschüttert durch die Ergebnisse einer umfassenden Studie zum Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche in Deutschland wandte sich die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) im März 2019 an das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), um gemeinsam in einen strukturierten und verbindlichen Diskussionsprozess einzutreten: »Wir haben beschlossen, einen verbindlichen Synodalen Weg als Kirche in Deutschland zu gehen (…) Wir werden Formate für offene Debatten schaffen und uns an Verfahren binden, die eine verantwortliche Teilhabe von Frauen und Männern aus unseren Bistümern ermöglichen. Wir wollen eine hörende Kirche sein. Wir brauchen den Rat von Menschen außerhalb der Kirche.« (Kardinal Marx) Um das verlorene Vertrauen der Gläubigen zurückzugewinnen, vereinbarte man, insbesondere an vier Themenbereichen zu arbeiten: 1. Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag 2. Priesterliche Existenz heute 3. Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche 4. Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft Von Dezember 2019 bis März 2023 wurden nach intensiven und von zahlreichen Beobachter:innen als theologisch äußerst qualifiziert beschriebenen Debatten und Gesprächen zumeist mit großen Mehrheiten – sowohl bei den Laien wie bei den Bischöfen – Beschlüsse gefasst, die einen umfassenden Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland auf den Weg bringen sollen. Als dauerhaftes Beratungs- und Entscheidungsgremium wurde ein Synodaler Rat aus Bischöfen, Klerikern und sogenannten Laiinnen und Laien vereinbart, der zunächst von einem Synodalen Ausschuss ab Herbst 2023 vorbereitet werden sollte. Auf der Bischofskonferenz vom 19. bis 22. Februar 2024 in Augsburg wollten die deutschen Bischöfe nun unter anderem die Satzung des Synodalen Ausschusses beschließen. Kurz vor Beginn der Bischofskonferenz forderte ein Brief hoher römischer Kardinäle mit Billigung von Papst Franziskus die Bischöfe auf, die Satzung des Synodalen Ausschusses nicht zu beschließen und »die Errichtung eines Synodalen Rates nicht weiter zu verfolgen«: »Ein solches Organ ist vom geltenden Kirchenrecht nicht vorgesehen, und daher wäre ein diesbezüglicher Beschluss der DBK ungültig – mit den entsprechenden rechtlichen Folgen.« Der Vorsitzende der DBK, der Limburger Bischof Georg Bätzing, nahm die Beschlussvorlage daher von der Tagesordnung der Augsburger Bischofskonferenz. Gleichzeitig kündigte Bischof Bätzing die Fortführung des Reformprozesses sowie einen baldigen Dialog hierüber mit vatikanischen Vertretern an. Vereinzelung. Also: Wo ist der Ort für die Menschen, denen etwas daran liegt, ihren Glauben in Gemeinschaft zu leben? Den sehe ich immer noch innerhalb der katholischen Kirche. Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige sieht sich durch den Brief aus Rom nicht daran gehindert, in seinem Bistum einen Synodalen Rat als Beratungs- und Entscheidungsgremium einzurichten, wie er gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur sagte: »In dem Brief steht, weder der Synodale Weg noch eine Bischofskonferenz könne so einen Rat einsetzen. Aber da steht nichts davon, dass ein Bischof es nicht selbst machen könnte.« Wäre das ein Weg, dem man in den anderen Diözesen folgen sollte, damit die Kirche in Deutschland für viele engagierte Katholik:innen noch Heimat sein kann – also als Diözesanbischof in der eigenen Diözese die Vereinbarungen des Synodalen Weges einfach umsetzen? Das eine tun und das andere nicht lassen! Ich sehe nicht ein, dass wir nur unter dem Radar bleiben sollten. Das wäre auch eine Form, der Machtfrage zu begegnen, indem wir pausenlos ausweichen. Das haben wir lange getan, doch die Zeiten sind eigentlich vorbei. Zudem gibt es auch viele positive Signale aus Rom. Dazu gehört zum Beispiel die Weltsynode, die plötzlich Themen – viele davon entsprechen den Themen, die wir auch beim Synodalen Weg hatten – auf die Tagesordnung bringt, von denen man nie gedacht hätte, dass sie angesprochen werden könnten. Zudem bekommt man im Moment auf viele unserer Vorschläge nicht einfach ein »Nein« zu hören, sondern eher etwas, das nach Ideenlosigkeit klingt. Ich glaube, dass das kirchliche System an den Machtstellen zunehmend ratlos wird. Auf den Ebenen der Bistümer gibt es tatsächlich eine ganz gute Form von Pragmatik, bestimmte Probleme zu lösen. Und da hätten wir den Papst immer auf unserer Seite, denn er sagt: nicht so viel reden, nicht so viel nachfragen – einfach machen. Das ist auch eine Mentalitätsgeschichte, dass wir in Deutschland viele Dinge lieber erst klären wollen, bevor wir es tun. Überall auf der Welt wird alles Mögliche gemacht, was eigentlich erst mal nicht ganz kirchenrechtskonform ist, aber für die Gläubigen oft eine große Hilfe. Und trotzdem bleibe ich dabei: Es ist auch eine Aufgabe, Dinge beim Namen zu nennen – wie es im Synodalen Weg getan wurde – und zu sagen: Lasst uns diese klären. Was gut und richtig ist, darf auch gesagt werden. Dann spitzt sich natürlich die Machtfrage zu. Aber da bin ich nicht hoffnungslos, dass beharrlicher Dialog auch neue Wege aufzeigen kann. Ein weiteres Interview mit Martina Kreidler-Kos über die Hoffnung auf einen gemeinsamen, weltweiten Reformprozess, das Stefan Federbuch OFM und Thomas Meinhardt im Februar 2024 geführt haben, findet sich auf: ▶▶ www.franziskaner.de
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