Franziskaner - Frühling 2024

41 FRANZISKANER 1|2024 Dr. Damian Bieger OFM, 54, ist Kirchengeschichtler und Beauftragter für Geschichte und kulturelles Erbe der Deutschen Franziskanerprovinz jungen Brüder mehr. In meiner feierlichen Profess steckte nicht wenig Trotz! Das erforderte dann später eine Aufarbeitung. Heute weiß ich: Gott hat meine Entscheidung für ihn wirklich geläutert. Ich habe gelernt, dass ich für mein eigenes geistliches Leben und die Beziehung zu Gott selber verantwortlich bin. Was ich als Franziskaner konkret lebe, das lebt. Darüber nur zu reden, kann schön klingen, trägt aber nicht. Es geht tatsächlich um ein entschiedenes Festhalten an Gott. Allerdings geht es bei alldem eben nicht nur um mich selber, sondern darum, ein Segen für andere sein zu können. Sonst bleibt nur Nabelschau! Das ähnelt tatsächlich Jakob, der bei der Überquerung des Flusses Jabbok mit Gottes Engel ringt und ihn nicht loslässt, bevor er gesegnet wird. Die Bibel und ihre Geschichten habe ich immer schon gemocht. Der Eintritt bei den Franziskanern bedeutete auch den Schritt in einen Kosmos, der von biblischen Texten gesättigt ist. Das tat und tut gut. Wenn ich heute meine Ausbildung zum Theologen, also zum Menschen, der das Wort Gottes studiert, reflektiere, stelle ich fest: Was ich im universitären Studium erfuhr, sollte vor allem wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, um im akademischen, säkularen Diskurs der Fachgelehrten ernst genommen zu werden. Aber mit gelebtem Glauben hatte und hat es leider nichts zu tun. Damals, während des Studiums selber konnte ich das nicht so klar ausdrücken, weil ich dafür keine Worte und keine Sprache hatte; aber gespürt habe ich es und war die ganze Zeit über tief unglücklich. Glücklicherweise wurde mir geschenkt, diese geistige Unfruchtbarkeit und Trübsal durch zwei entscheidende Momente zu überwinden. Das hat mir am Ende Freude und Innigkeit an meiner Berufung zum Franziskaner und Theologen zurückgebracht – aber auf einem anderen, tieferen und stabileren Niveau. Eine große Rolle spielten seit der Vorbereitung auf die Diakonatsweihe die jährlichen ignatianischen Exerzitien, in denen mir die Stimme Jesu viel vertrauter wurde. Es war vor allem die biblische Fundierung der Exerzitien und die zentrale Rolle des Herzensgebetes darin. Gerade in diesem Rahmen habe ich alle danach folgenden Lebensentscheidungen immer ins Gebet gebracht. Für mich hat Ignatius von Loyola eigentlich nur systematisiert, was auch Franziskus schon gelebt hatte: den Vorrang einer geistlichen Praxis vor aller Theoriebildung. Mindestens genauso wichtig war für mich der Schritt in die konkrete Verkündigung und Seelsorge. Vom Typ her bin ich ein eher nachdenklicher Mensch und ziemlich skeptisch, was auch für meine Mit- und Umwelt schon mal anstrengend ist. Mich treibt aber deshalb eine enorme Motivation an, alles selber durchdenken zu wollen. Das paart sich mit dem Anspruch, den Glauben so zu verkündigen, dass das Verkündete gleichzeitig glaubwürdig und verständlich bleibt. Ehrlicherweise gelingt das natürlich mal besser und mal schlechter. Aber den Anspruch möchte ich nicht preisgeben. Eine Frucht davon ist, dass ich ständig selber dazulerne. Mich begeistert der Gedanke, dass ich damit eigentlich nie fertig werden kann. Denn so lange ich mit Gottes Wort lebe und meine Geschichte noch weitergeht, wird es etwas geben, das noch dazugelernt werden kann. Hier schlummert für mich die Verheißung von ganz viel Leben! © PFARRGEMEINDE ST. LUDWIG Hinzu kam die Liebe zu Gottes Wort und dem, der das Wort Gottes ist!

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