14 FRANZISKANER 2|2024 Herr Schererz, auf Initiative des WWF trafen sich 2016 Landwirte, Naturschützer und Bodenexperten. Sie gehörten zu diesem Gesprächskreis, der mehrmals getagt hat. Ziel war es,Wege jenseits einseitiger Sichtweisen und festgefahrener Konflikte zu finden, um das Thema »Lebendiger Boden« voranzubringen. 2020 wurde das vom Kreis erarbeitete Positionspapier zum Thema Bodenschutz veröffentlicht. »Die gemeinsame Basis für Landbau und Naturschutz ist der lebendige Boden«, hieß es da. Seither hat sich der Konflikt zwischen Naturschutz und konventioneller Landwirtschaft eher verschärft, oder? Jakob Schererz: Der Biomarkt ist durch die vom Krieg gegen die Ukraine ausgelöste Energiekrise und die hohe Inflation komplett zusammengebrochen. Probleme hat aber auch der konventionelle Landbau. Das wurde durch die Bauernproteste über den Winter deutlich. Auf der einen Seite kann ich den Frust der Berufskollegen verstehen. Durch behördliche Auflagen, aber eben auch Vorgaben, die der Lebensmitteleinzelhandel macht, werden wir alle in eine Sackgasse getrieben. Bei der Öko-Verordnung mache ich ganz viel aus einer inneren Überzeugung. Aber bei den sich ständig ausweitenden behördlichen Vorgaben ist das anders. Da muss ich zum Beispiel zu einem bestimmten Zeitpunkt auf dem Acker und aus einer vorgegebenen Richtung ein Foto machen und nachweisen, was ich da tue, und ganz viel mit irgendwelchen Fristen dokumentieren. Der als unsinnig empfundener Aufwand schürt den Frust. Wenn Sie bei konventionellen Landwirtinnen und Landwirten mit den Naturschutzverbänden ankommen, wird ganz viel Unmut laut, und jeder kann irgendwelche absurden Negativbeispiele beitragen. Bei dem von Ihnen erwähnten Arbeitskreis wollten wir es anders machen und haben die verschiedenen Player an einen Tisch gebracht. Wir haben versucht, dem Gegenüber einfach zuzuhören und mal den anderen Blickwinkel einzunehmen. Ich habe viel dazugelernt und meinen Horizont erweitert. Ähnliche Erfahrungen mache ich übrigens gerade bei einem anderen Projekt, bei dem es um die Förderung der Insektenvielfalt im Ackerbau geht (Finka). Da gibt es Betriebspaare – jeweils ein Biobetrieb und ein konventioneller Betrieb –, und der konventionelle Betrieb lässt auf einem Teil seiner Fläche Herbizide, also Pflanzenvernichtungsmittel, und Insektizide, also Insektenvernichtungsmittel, weg. Fungizide, also Pilzvernichtungsmittel, dürfen eingesetzt werden, ebenso darf ganz normal gedüngt werden. Es ist der Versuch, ein bisschen zu reduzieren, quasi eine Bio-light-Variante. Aber das eigentlich Tolle an dem Projekt ist, dass man gemeinsam auf dem Acker des jeweils anderen steht, einen Blick auf die Sachen des anderen hat und darüber ins Gespräch kommt. Ich glaube, das ist einfach ganz wichtig und wertvoll, damit wir gesprächsfähig bleiben. Dieses Herangehen lässt sich auch auf andere Probleme, die unsere Welt gerade beschäftigen, übertragen: Wir müssen Haltung zeigen, aber auch gesprächsfähig bleiben, sonst grenzen wir uns immer mehr ab. Und dafür war der Gesprächskreis wichtig. Hat sich seitdem in Richtung Bodenschutz irgendwas verbessert? In der Koalitionsvereinbarung der Ampel-Regierung waren ja zumindest mal 15 Zeilen zum Thema Bodenschutz drin. Ich hatte das Gefühl, dass das wichtige Thema Bodenschutz angekommen sein könnte. Auch die niedersächsische Landwirtschaftsministerin ist im Herbst 2022 mit der Agenda angetreten, dass sie was beim Bodenschutz machen möchte. Bislang habe ich allerdings noch nichts gehört. Was ich aber sehe, ist, dass man zum Beispiel mit einem Rübenernter auf dem Acker fahren darf. Wenn der voll beladen ist, dürfte er nicht auf der Straße fahren, weil die zulässige Achslast bzw. das Gesamtgewicht überschritten ist. Aber auf dem Acker darf damit gefahren werden. Diese Maschinen haben zwar ganz breite Reifen, dennoch gibt es massive Bodenverdichtung. Die Verdichtung geht in Zwiebelform so weit in die Tiefe, dass sie mechanisch, also mit einem sogenannten Tiefenlockerer oder mit einem Pflug, nicht mehr aufgebrochen werden kann. Das ist nur ein Beispiel, an dem etwas deutlich wird. Wir hatten hier in Norddeutschland im letzten Winter extrem viele Niederschläge. Die haben bewirkt, dass gerade die Böden, die spät abgeerntet wurden und wo nichts Neues drauf ausgesät werden konnte, massiv weggewaschen wurden. Man spricht von Erosion, wenn der Boden durch Wasser oder Wind wegtransportiert wird. In tiefen Rinnen auf den Ackerflächen war zu sehen, wie aus der Fläche Boden durch die Rinnen weggewaschen wurde und irgendwo wieder angelandet ist. Wie Bodenschutz Im Gespräch mit dem Landwirt Jakob Schererz über Methoden, Böden nachhaltig zu bewirtschaften, und über den Konflikt zwischen Naturschutz und Landwirtschaft
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