Franziskaner - Sommer 2024

17 FRANZISKANER 2|2024 Klar würde ich sagen: »Ökolandbau nach vorne!« Das wäre im Prinzip die Lösung. Aber im Moment haben wir das Problem, dass der Markt für Bioprodukte zusammengebrochen ist. Unter den Bedingungen wäre daher überhaupt niemandem geholfen, weil »bio« den Leuten zu teuer ist. Natürlich müssen wir uns als Konsumentinnen und Konsumenten fragen: Was ist der richtige Preis für die Produkte? Was nehmen wir für ein Produkt? Die Bio-Kartoffel, wenn die konventionell angebaute Kartoffel weniger als die Hälfte kostet? Wir müssen uns aber auch als Gesellschaft die Frage stellen: »Was kostet es, den Boden wieder aufzubauen, wenn wir ihn einmal verloren haben?« Müsste die günstige Kartoffel nicht teurer werden, wenn die wahren Kosten eingepreist werden? Unter dem Stichwort »True Cost« wird diskutiert, die versteckten Kosten, die wir nicht an der Ladenkasse, aber hinterher für die Behebung der Schäden bezahlen, abzubilden. Wir zahlen sie ja zum Beispiel durch Gebühren für die Wasseraufbereitung oder für Gesundheitskosten letzthin doch. Eine andere Überlegung ist, auf Schadensvermeidung zu setzen und Landwirt:innen für den Schutz unserer Ökosysteme und ihre Leistungen für die Gesellschaft zu entlohnen. Die Zukunftskommission Landwirtschaft der Bundesregierung empfiehlt, dass die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) ab der nächsten Förderperiode auf eine umfassende Koppelung an Gemeinwohlleistungen umgestellt werden muss. Es gibt mittlerweile sogar eine Berechnungsmethode, die die Leistungen bepreist, die Landwirte erbringen für Bodenschutz, Biodiversität und für Wasser und Klima. In diese sogenannte Regionalwert-Leistungsrechnung gehen viele Faktoren ein, wie Fruchtfolge, Nährstoffbilanz etc. Am Ende kommt ein finanzieller Wert der Gemeinwohlleistungen zustande. Bisher rechnen sich nachhaltige Praktiken wie breite Fruchtfolgen, Zwischenfrüchte, Untersaaten, Mischkulturen etc. betriebswirtschaftlich zumindest kurzfristig nicht. Wäre eine an Gemeinwohlleistungen ausgerichtete EU-Agrarpolitik vielleicht eine gerechte, nachhaltige Lösung für die Landwirte, die zugleich unsere Böden schützt? Ich habe bei der Regionalwert-Leistungsrechnung mitgemacht, und es kam raus, dass wir in Stütensen im Jahr 2021 Nachhaltigkeitsleistungen im Wert von knapp 190.000 € erbracht haben. Das Geld ist natürlich nie beglichen worden, es war ja nur eine freiwillige Berechnung. Wenn ich mir vorstelle, dass das staatlich geregelt werden würde und man das alles prüfen und berechnen muss, dann graut es mir. Ich knabbere selbst an der Frage, wie wir nachhaltige und überprüfbare Lösungen finden können, ohne dass es ein Bürokratiemonster wird. Dieses könnten nämlich nur große Betriebe bedienen, die sich jemanden leisten können, der sich den ganzen Tag damit beschäftigt. Kleine Betriebe gehen unter, weil sie das nebenbei nicht gestemmt kriegen. Oder aber die Vielfalt geht verloren, weil der Aufwand zu groß ist. Wir erleben das gerade in der Biodiversitätsforschung, bei der immer mehr nachgewiesen wird, dass zum Beispiel das Aussterben irgendeines kleinen Insektes oder irgendeiner Pflanzenart eine große Bedeutung für einen gigantischen ökologischen Kreislauf haben kann. Es ist wie zum Beispiel bei einem Fahrrad, von dem unterwegs ein Teil abfällt. Das Rad fährt dann vielleicht noch zehn Kilometer, aber irgendwann bricht es komplett weg. Ich bin der Meinung, wir müssten von heute auf morgen mineralischen Stickstoffdünger stark besteuern, also das, was die konventionelle Landwirtschaft extrem nach vorne bringt. Weiterhin müsste ein Zoll auf Eiweiß-Futtermittel eingeführt werden. Das Eiweiß-Futtermittel kommt aus Südamerika, dafür wird dort der Regenwald abgeholz. Es herrschen dort unsägliche Arbeitsbedingungen, und es werden ganz viel Pestizide eingesetzt. Und wir hier in Europa halten viel zu viele Tiere. Auf dem Schlachthof Wietze zum Beispiel werden 24.000 Hähnchen geschlachtet – pro Stunde. Das steht doch in keinem Verhältnis! Und alles, was hier in Mitteleuropa von den Hähnchen nicht gegessen wird, wird nach Afrika verschifft und macht dort die lokalen Märkte kaputt. Das heißt, wir richten Zerstörungen auf drei Kontinenten an mit dem, was wir tun. Weil wir hier viel zu viel Stickstoff haben, der ins Grundwasser geht, ist Deutschland schon mehrfach von der EU-Kommission verklagt worden. Da müssen wir ansetzen! Und wir müssen das so tun, dass es wirksam ist und kein Bürokratiemonster entsteht. Wir dürfen den Bodenschutz nicht mehr vernachlässigen. Boden zu regenerieren, ist jeden Aufwand wert – anstatt ihn mit Füßen zu treten, sollten wir ihn ganz besonders wertschätzen. * Einen weiteren Beitrag zum Thema Bodenschutzmaßnahmen finden Sie auf unserer Website ▶▶ zeitschrift.franziskaner.de HÜLSENFRÜCHTE ALS NATÜRLICHER DÜNGER Treibhauspotenzial von Fruchtfolgen, die auf dem Anbau von Hülsenfrüchten basieren, im Vergleich zu Fruchtfolgen auf Mineraldüngerbasis BODENATLAS 2024 BESTE, IDEL 100 % Mineraldünger Treibhausgasemissionen 36 % Lupinen, Erbsen, Linsen und andere Hülsenfrüchte Knöllchenbakterien an den Wurzeln von Hülsenfrüchten binden Stickstoff aus der Luft und machen ihn für Pflanzen verfügbar. Interview: Kerstin Meinhardt GRAFIK: BODENATLAS 2024, EIMERMACHER/STOCKMAR+WALTER KOMMUNIKATIONSDESIGN, CC BY 4.0

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