19 FRANZISKANER 2|2024 Ware sein Anna Lea Meinhardt Landes und können daher das Land, auf dem sie leben, nicht besitzen. Das sahen die Siedler anders und nahmen große Flächen Land für sich in Anspruch. Selbst wenn das Land »rechtmäßig« abgekauft wurde, verstanden die First Nations die Transaktion als Leihgabe, nicht als endgültigen Besitzwechsel. Auch die Vorstellung, dass das Land nach dem Tod des Besitzers an dessen Erben weitergereicht wird, war ihnen vollkommen fremd. Heute funktioniert Landraub meist, indem Verträge abgeschlossen werden und Land »legal« erworben wird. In manchen Ländern, wie in Kambodscha, wurde Land von der Regierung an ausländische Unternehmen verkauft. Da die dort lebenden Bauern keine Urkunden besaßen, die das Land als ihr Eigentum auswiesen, scheint das rechtmäßig zu sein. Für die dort lebenden Menschen heißt das jedoch, dass das Land, auf dem sie seit Generationen lebten, ohne ihr Wissen verkauft und ihre Häuser mit Bulldozern und Feuer einfach zerstört wurden. In dem Film »Landraub« von Kurt Langbein wird dies von dem ehemaligen buddhistischen Mönch Luon eindrücklich geschildert, der die vertriebenen Menschen im Tempel unterbrachte, sie interviewte und Demonstrationen organisierte. Bei dem Käufer des Landes handelte es sich um einen thailändischen Senator, dessen Unternehmen dort Zuckerrohr für den europäischen Markt herstellen wollte. Wie die Geschichte ausgehen wird, ist noch unklar. Zwar verstößt Landraub gegen die Menschenrechte und ist teilweise strafbar, aber wenn er zumindest scheinbar legal abläuft und die Leidtragenden sich nicht wehren können, gibt es nur wenige Chancen, die Rechte der Betroffenen durchzusetzen. Häufig werden solche Projekte auch noch von der EU subventioniert – mit der Begründung, die Welt so besser ernähren zu können. Zum Teil wird der Landraub gar mit Klimaschutz begründet, wenn beispielsweise Zusätze für Bio-Sprit hergestellt werden. In keinem der bekannten Fälle wurden Nahrungsmittel für die Hungernden vor Ort angebaut, stets waren es über internationale Agrarbörsen gehandelte Produkte wie Zuckerrohr, Soja und Palmöl. Allein deren weltweite Anbaufläche ist laut Bodenatlas 2024 zwischen 2007 und 2021 um 57 Millionen Hektar angestiegen – eine Fläche größer als das französische Festland. Landraub findet in vielen Teilen Afrikas, Südamerikas und Asiens statt. Manchmal werden die Geschädigten anschließend von den Käufern des Landes angestellt, um auf ihrem ehemaligen Land schlecht entlohnt zu arbeiten. Dabei sind sie oft Pestiziden ausgesetzt, verdienen nicht genug, um sich und ihre Familien ernähren zu können, und werden schlecht behandelt. Als das Land noch ihnen gehörte, waren sie zwar arm, aber sie hatten genug, um überleben zu können, wie ein Äthiopier in dem Film »Landraub« berichtet. Seine Gemeinde hatte beschlossen, Land an ein ausländisches Unternehmen zu verpachten. Die Menschen wussten zwar nicht, was ein Hektar ist oder wie viel ihr Land wert ist, aber die Versprechen des Unternehmens klangen gut. Die Realität sah wenig später jedoch anders aus. Einige der Betroffenen wollten ihr Land doch lieber zurück, vor allem auch wegen des verschmutzten Wassers. Die Nichtregierungsorganisation GRAIN stellte fest, … aber 70–75 % der Nahrungsmittel auf unserem Globus werden von Kleinbauern und Familienbetrieben hergestellt In der Hand von 1 Prozent der Betriebe den übrigen 99 Prozent SO UNGLEICH VERTEILT WIE SONST NIRGENDS Landwirtschaftliche Fläche in Lateinamerika BODENATLAS 2024 OXFAM Peru 22,97 77,03 Chile 25,51 74,49 Paraguay 28,70 71,30 Bolivien 34,28 65,72 Guatemala 52,04 47,96 Lateinamerika insgesamt 48,81 51,19 Mexiko 43,98 56,02 Nationale Zensusdaten Früher wie heute ist ungleicher Besitz in Lateinamerika eine der Hauptursachen für Hunger, Armut und Gewalt. Auch deutsche Investoren tragen zur Landnahme bei. Die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe investierte z. B. 100 Millionen US-Dollar in einen globalen Landfonds, der allein in Brasilien 133.000 Hektar Land für riesige Sojamonokulturen aufgekauft hat. GRAFIK: BODENATLAS 2024, EIMERMACHER/STOCKMAR+WALTER KOMMUNIKATIONSDESIGN, CC BY 4.0
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