Franziskaner - Sommer 2024

21 FRANZISKANER 2|2024 Adam – Adamah Der Mensch hat eine besondere Beziehung zum Ackerboden. Dies zeigt sich bereits im Buch Genesis (Gen) in der zweiten Schöpfungserzählung (Gen 2,4–25). Der »Mensch« (hebr. ādām) wird von Gott aus dem »Ackerboden« (hebr. ădāmāh) gebildet (Gen 2,7) und ebenso auch später die Tiere des Feldes und die Vögel (Gen 2,19). Mit diesem Wortspiel in der hebräischen Sprache wird ein unaufhebbarer Zusammenhang zwischen dem Menschen und dem Ackerboden zum Ausdruck gebracht: eine enge Verbindung zueinander und ein Verwiesen-Sein aufeinander. Beide sind aus dem gleichen Material. Aber der Mensch zerstört dieses positive Verhältnis, indem er gegen das göttliche Verbot verstößt, von den Früchten des Baumes in der Mitte des Gartens zu essen. Infolgedessen wird der Ackerboden verflucht, und der Mensch wird nur noch mit Mühsal von ihm essen, bis er zum Staub oder zum Erdreich – wie man auch übersetzen kann – zurückkehrt, von dem er genommen wurde (Gen 3,17–19). Zu allem Überfluss wird der Mensch zur Bearbeitung des Ackerbodens aus dem Garten Eden vertrieben. Es wird noch einmal betont, dass der Mensch vom Ackerboden genommen wurde (Gen 3,23), und erneut wird ein Bezug zur Erschaffung des Menschen hergestellt. Die grundlegende Beziehung zwischen Mensch und Ackerboden zieht sich wie ein roter Faden durch die Urgeschichte (Gen 1–11). So beginnt die Erzählung von Kain und Abel (Gen 4) mit dem Gegensatz von Ackerbauer und Schafhirt. Kains Opfer aus den Früchten des Ackerbodens wird nicht angenommen, Abels Opfer von den Erstlingen seiner Herde aber schon. Dies ist der Anlass für den Mord, der zur Vertreibung Kains vom Ackerboden führt. Von dort schreit das Blut Abels, das der Ackerboden aufgenommen hat. Dadurch bringt er keinen Ertrag mehr für Kain, obwohl er ihn weiterhin bearbeitet (Gen 4,11–12). Außerdem spielt der Ackerboden in der Sintfluterzählung (Gen 6–9) eine wichtige Rolle. Dort steht er wieder in Verbindung mit der Sündhaftigkeit des Menschen. Sie ist der Grund für den Beschluss JHWHs, alles Geschaffene vom Ackerboden zu vernichten, außer Noah, seine Familie und die Tiere in der Arche. Nach der Flut spricht JHWH in seinem Herzen, dass er den Ackerboden wegen des Menschen nie mehr vernichten wird (Gen 8,21). Johannes Roth OFM Dornier oder der Einzelhändler Aldi Nord. Jedes Jahr erhalten zum Beispiel die Aldi-Erben 4,5 Millionen Euro EU-Agrarsubventionen. Nach einer Untersuchung der FIAN (internationale Menschenrechtsorganisation, die sich vor allem für das Recht auf Nahrung einsetzt) ist die Dynamik in Europa mit der Situation in Afrika, Asien und Lateinamerika durchaus vergleichbar. Besonders betroffen sind die neuen Mitgliedstaaten der EU: Rumänien, Ungarn, Bulgarien. Aber auch in der Ukraine, der Kornkammer Europas mit den fruchtbaren Schwarzböden, wurden gewaltige Landflächen von ausländischen Investoren aufgekauft. In Deutschland, Italien und Spanien gibt es inzwischen ähnliche Entwicklungen. Für Rumänien wurde nachgewiesen, dass die Konzentration der landwirtschaftlichen Fläche mit einer Verschlechterung des Lebensstandards der einheimischen Bevölkerung verbunden ist. Während es in wirtschaftlich schwächeren Ländern oft ausländische Investoren sind, sind es in den wohlhabenderen Ländern meist einheimische Kapitalgeber wie Banken und Versicherungen. Boden ist wertvoll. Nicht nur bezogen auf seinen Geldwert. Boden ist überlebensnotwenig, vor allem fruchtbarer Boden, auf dem Nahrung wachsen kann. 2020 bedrohte ungleicher Zugang zu Land die Existenzgrundlage von rund 2,5 Milliarden Kleinbauern und -bäuerinnen sowie 1,4 Milliarden der Ärmsten weltweit, denn deren Existenz ist weitgehend von der Möglichkeit, Nahrung anzubauen, abhängig. Gerade die ungleiche Verteilung von Landbesitz ist eine der Hauptursachen von Hunger, Armut und Gewalt. Weltweit besitzt ein Prozent der größten Landwirtschaftsbetriebe mehr als 70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Über 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe wiederum sind Kleinbauern. Auch in Deutschland ist Ackerland ungleich verteilt und längst zum Spekulationsobjekt geworden. Die Preise für Ackerland haben sich zum Beispiel in Ostdeutschland innerhalb von zehn Jahren verdoppelt oder gar verdreifacht. Die Pachtpreise ziehen nach und sind für kleine Betriebe nicht mehr zu erwirtschaften. Das können nur hochtechnisierte Großbetriebe leisten. Die Journalistin Annette Jensen, die viel zum Thema recherchiert hat, hält das, was derzeit in Deutschland passiert, auch für eine Form von Landraub und meint, die Situation sei skandalös. Sie beklagt, dass völlig unklar sei, wie stark der Konzentrationsprozess ist, denn die Grundbuchämter verfügten über keine Daten, die sich bundesweit zusammenführen ließen. Exemplarische Untersuchungen des staatlichen Thünen-Instituts lassen allerdings Schlimmes befürchten, was Annette Jensen über die Notwendigkeit einer Bodenreform in Deutschland nachdenken lässt. Boden darf keine Ware sein – genauso wenig wie Luft und Wasser, so ihr Fazit. Einem solches Verständnis von »Mutter Erde« würden vermutlich auch die indigenen Gemeinschaften zustimmen, die der ehemalige buddhistische Mönch Luon Sovath in Kambodscha bis zu seiner Flucht unterstützt hatte.

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