26 FRANZISKANER 2|2024 Ich hab dich verloren Ich kann nicht beten, Herr. Ich suche nach Worten, aber ich finde keine. Nur hohle Phrasen kommen mir in den Sinn. Herr, du bist in unendlicher Ferne. Ich hab dich verloren. Wo bist du? Wo soll ich dich suchen? Warum zwingst du mich, Herr, diese Wüste zu durchqueren? Spröde sind meine Lippen, und meine Knie wanken. Wie soll ich da durch die Wüste kommen? Mein trockener Mund schreit nach dir, der du Worte des ewigen Lebens hast, und wie herrliches kühles Wasser wäre dein Wort für die Wüste in mir. Herr, höre mein Flehen. Adolf Exeler Geistlicher Wegbegleiter Sommer 2024 Wo soll ich dich suchen? Verloren. Phrasen. Wüste. Hier steht ein Mensch vor Gott, in seiner Ohnmacht, mit wankenden Knien. In seinem Gebet »Ich hab dich verloren« bringt Adolf Exeler die Not zum Ausdruck, diesen Gott nicht mehr zu finden. Wo? Wo bist du? Wo bist du zu finden – das wird zu einer bedrängenden Erfahrung. Das Lebensempfinden wird mit Wüste umschrieben, mit Trockenheit und Ferne. Das Wort »Gott« ist leer geworden. Ich hab dich verloren. Am Anfang des Gebets steht die Erkenntnis, wortlos dazustehen und sich der Unfähigkeit des Betens bewusst zu werden. Der Mensch findet sich vor in Verlassenheit. Herr, höre mein Flehen! Diesen Ruf kennen wir aus den Psalmen, in unserer (Alltags-)Sprache wird er kaum benutzt. Flehen ist Leere. Übersetzt heißt das: Beten – lass es sein wie das Auftanken an einer Tankstelle, wie das Greifen nach einem Halt, wie das Sprechen mit einem besten Freund. Und die Betenden? Sie erhoffen sich Worte ewigen Lebens. Huub Oosterhuis fasst das Beten treffend so zusammen: »Beten ist der Versuch, das kleine Wort ›Gott‹ zu einem Namen zu machen, der etwas für mich bedeutet. Ein Name, in dem Gottes ganze Geschichte mit den Menschen mitschwingt.« Zum Nachdenken • Wie heißen die Wüsten meines Lebens? • Rechne ich in dieser Situation damit, gehört zu werden oder Antwort zu erhalten?
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