Franziskaner - Sommer 2024

27 FRANZISKANER 2|2024 PAPST © PRESSEFOTO ULMER – PICTURE.ALLIANCE.COM; OBEN: KLIMADEMO 2020 – CHURCHES FOR FUTURE © THERESA EHLER – OBERZELL Christen müssen unbequem sein! Cornelius Bohl OFM Papst Franziskus nimmt regelmäßig weltweite oder kirchliche Gedenktage zum Anlass, um auf ihre Bedeutung hinzuweisen, Hinweise zum praktischen Handeln im Alltag zu geben oder auch um politisch Verantwortliche auf ihre spezifischen Aufgaben zum Wohl aller aufmerksam zu machen. Cornelius Bohl beleuchtet in jeder Ausgabe in diesem Jahr eine andere Botschaft von Papst Franziskus mit Anregungen für die persönliche Lebensgestaltung. »Der ist ja verrückt!« (Markus 3,21) Da sind sich seine Verwandten einig: Jesus ist nicht normal. Er sprengt das Gewohnte, stört, ist unbequem. Darum wollen sie ihn mit Gewalt nach Hause zurückholen – im wahrsten Sinn des Wortes domestizieren. Er soll so sein wie alle, bloß nicht auffallen. Jesus hat gestört. So sehr, dass die politische und religiöse Elite ihn am Ende um der lieben Ordnung willen in einer konzertierten Aktion aus dem Weg geräumt hat. Sind darum auch alle Christen notwendigerweise Störelemente? Der Papst ist sich jedenfalls sicher: »Ein Christ, der nicht unbequem ist, ist ein nutzloser Christ.« Ein starker Satz! Gefallen bei der Generalaudienz am 10. April auf dem Petersplatz. Thema war eigentlich die Tugend der Tapferkeit. Sie hat, so der Papst, zwei Stoßrichtungen. »Tapferkeit wird unbequem nach außen, denn sie sagt ›Nein zum Bösen und zur Gleichgültigkeit‹ und ›Ja zu einem Weg, der uns vorwärts bringt‹. Und dafür muss man kämpfen!« Leidenschaftlich und kämpferisch sei die Tapferkeit aber auch nach innen, »ein Sieg über uns selbst«, bringe sie doch den Menschen dazu, Ängste und lähmende Kräfte im eigenen Inneren zu besiegen. Dann ist Schluss mit gemütlich: »Es braucht jemanden, der uns aus dem weichen Nest herauswirft, das wir für uns eingerichtet haben.« Tatsächlich kennt die Geschichte christlicher Spiritualität solche prophetischen Frauen und Männer: Tapfer waren sie und kämpferisch. Leidenschaftlich engagiert. Störend und unbequem für ihre Umgebung. Oft auch für die Kirche. Und heute sagen wir: Gott sein Dank, dass es sie gab! Und immer noch gibt. Wenige Wochen vor seiner Hinrichtung schreibt der Jesuit Alfred Delp in Berlin-Plötzensee von der Gefahr der »Verflüchtigung des ganzen Christus in den Biedermann des guten Beispiels und der frommen Erbauung«. Diese Formulierung hat mich aufhorchen lassen. Es kann also sein, dass ich nicht mehr den »ganzen Christus« im Blick habe, sondern nur den Ausschnitt, der mir passt und mich bestätigt. Damit verflüchtigt er sich, er wird blass, schwach, undeutlich. Er verliert das Provozierende, Störende. Am Ende bleibt ein gezähmter Christus, ein »Biedermann des guten Beispiels«, an dem ich mich vielleicht da und dort noch orientiere, der aber letztlich meine eigenen Pläne nicht mehr stören kann. Ein bequemer und weichgespülter Jesus für ein bequemes und verwässertes Christsein. Dabei durchbricht Nachfolge allgemein gültige Muster, etwa im Umgang mit Geld, mit Macht, mit Konsum, mit Zeit. Das Evangelium ist immer auch störende Unterbrechung und unbequem. Ist also das Störpotenzial als solches ein Gradmesser für Frömmigkeit? Je unbequemer, desto christlicher? Einige Wochen vorher hatte Papst Franziskus über eine andere Kardinaltugend gesprochen: die Klugheit. Sie hat mit Vernunft zu tun. Glaube ist nicht unvernünftig. Aber ebenso wenig, wie ein Störfeuer schon Ausweis von Heiligkeit ist, ist »gesunder Menschenverstand« allein schon das Evangelium. Es geht um die alte Frage, was gut und was böse ist. Da mag man im Einzelfall verschiedener Meinung sein, unbestreitbar aber ist: Beides gibt es. Und es ist nicht dasselbe. Wer tapfer ist, so der Papst, sagt Nein zum Bösen, hält aus in Schwierigkeiten und lässt nicht locker, nach dem zu streben, was gut ist. Das ist anstrengend. Und unbequem. Darum ist ein Christ, der nicht unbequem ist, ein nutzloser Christ. Oder wie es der Papst früher schon einmal gesagt hat: »Der Heilige Geist ist für uns eine Belästigung.«

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