Franziskaner - Sommer 2024

3 FRANZISKANER 2|2024 »Eine Handvoll Erde …« Während meines Noviziats, dem Einführungsjahr ins Ordensleben, wirkten wir Novizen einmal bei der Gestaltung eines »Schöpfungstags« für Jugendliche mit. An den Ablauf dieses Tages kann ich mich nicht mehr so genau erinnern. Ein Lied jedoch, das wir damals gemeinsam gesungen haben, ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Der Refrain war ein echter Ohrwurm: Eine Handvoll Erde, schau sie dir an. Gott sprach einst: Es werde! Denke daran! Ich muss bei diesen Textzeilen von Reinhard Bäcker daran denken, dass es im ersten Buch der Bibel, im Buch Genesis, heißt, dass Gott den Menschen aus der Erde des Ackerbodens geschaffen hat (Genesis 2,7). Adam, laut biblischem Schöpfungsmythos der erste Mensch, ist also im wahrsten Sinne des Wortes ein Erdling. Und wie alles Geschaffene, wie alle Lebewesen kommt auch der Mensch nicht fertig zur Welt; er muss erst noch wachsen und (groß) werden. Der Mensch wächst letztlich ein Leben lang – bis er sein Leben zurückgibt in Gottes Hand. Sehr eindrücklich wird dies, wenn es im Beerdigungsritus heißt: »Von der Erde bist du genommen, und zur Erde kehrst Du zurück …« (Genesis 3,19) Und noch ein anderer Gedanke schwingt mit bei der Vorstellung von der Erschaffung des Menschen aus der Erde: Wir Menschen sind wie alle anderen Geschöpfe gewissermaßen aus demselben »Urstoff«. Und da alle Geschöpfe denselben Schöpfer haben, sind wir auch alle auf göttliche Weise miteinander verwandt. Somit gibt es streng genommen keine Umwelt, sondern vielmehr eine Mitwelt, eine Mitwelt voller Mitgeschöpfe – eine zutiefst franziskanische Sichtweise. Von einem geschwisterlichen Umgang der Menschen mit ihren Mitgeschöpfen ist im Alltag leider wenig zu spüren. Viele Menschen verhalten sich so, als ob es noch mehrere Ersatz-Erden gäbe. Ein zukunftsfähiger Lebensstil sieht anders aus! »Eine Handvoll Erde …« – Vielleicht fehlt uns manchmal die nötige Erdverbundenheit? Die Beiträge in der vorliegenden Ausgabe des FRANZISKANER beleuchten die vielfältigen Bedrohungen von »Mutter Erde« in unserer Zeit und gehen der Kostbarkeit der Erde und der Würde des Bodens auf den Grund. Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre und schöne Sommermonate! Br. Markus Fuhrmann OFM (Provinzialminister) © R. STEFANEK – STOCK.ADOBE.COM

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=