41 FRANZISKANER 2|2024 zwischen den Schulterblättern so, dass mit dem Schlag meine Schmerzen weg waren: Ohne dass ich es bemerkt hatte, waren die Muskeln dort völlig verkrampft, und die gezielten Schläge lösten die Verkrampfung. Die große Erleuchtung habe ich nicht erfahren, aber es tat gut, mit Leib, Atem und ganzem Wesen immer wieder dieser Ahnung, dem großen Geheimnis nahezukommen. Für mich ist es/er immer mehr zum »Du« geworden, anders als unser stammelndes Reden über IHN, anders als die vielen Worte und jenseits menschlicher Logik. Seitdem »wussten« Geist, Sinn und Herz, dass es kein Widerspruch ist, wenn es heißt: »Gott ist Einer und doch Vater, Sohn und Geist« oder »Jesus ist ganz Mensch und ganz Gott«. Bei allen späteren geistlichen Übungen bin ich auf die Methode des stillen Sitzens (Zazen) immer wieder zurückgekommen, weil sie mir hilft, das Alltägliche und das diskursive Denken loszulassen und mich einfach vom Geheimnis »DU« (dem dreifaltigen Gott) »anschauen« zu lassen. Ist das dann wirklich Zen? Ist es Gebet? Ist das eher Kontemplation? Ist es gar Mystik? – Zumindest findet sich Ähnliches (Gleiches?) bei fast allen christlichen Mystikern wieder. Formen von Meditation und meditative Praktiken hielten inzwischen Einzug in viele Bereiche – oft allerdings nur als Teil von Stressabbau und Wellness, also um etwas zu erreichen. Doch genau dieses »Erreichen wollen« gilt es doch loszulassen! Die Erleuchtung kannst du nicht machen, du kannst dich nur dafür öffnen. Du musst dafür alles andere loslassen. Dass Gott dir die Erfahrung seiner Nähe schenkt, kannst du nicht machen, du kannst dich nur dafür bereiten, dafür leer werden. Ein Wort, das der Roshi immer wieder gesagt hat: »Wenn du ganz gelöst bist, dann ist es richtig!« Wenn du dich von allen Dingen gelöst hast und alles Haben-Wollen und Machen-Wollen und Erreichen-Wollen losgelassen hast, dann ist die Erleuchtung nicht mehr weit. Wenn das aber gelingt, dann dient Meditation wirklich dem Frieden – dem inneren und dem äußeren. Als mein Provinzial mich dann im Sommer 2016 nach Jahren fragte, ob ich bereit sei, nach Dietfurt ins Meditationshaus zu gehen, wo Zen seit 40 Jahren geübt wird, habe ich gerne Ja gesagt. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Es wurde für mich so etwas wie die Erfüllung eines alten Traumes und heimlichen Wunsches. Es war wie zu den Ursprüngen zurückzukommen. Wenn du es nicht krampfhaft willst, kann es geschehen. »Wenn du ganz gelöst bist, dann ist es richtig!« -- Meditation Mit den Schlägen wurde mir in einer tiefen Weise – körperlich, geistig, seelisch – deutlich: Selbst alles bestimmen, machen und im Griff haben zu wollen, führt oft in Sackgassen. Loslassen, geschehen lassen ist viel wichtiger. Außerdem war da noch etwas: Mit der Zeit tauchte ich in ein so tiefes Schweigen ein, wie ich es in unseren Klöstern und bei allen Exerzitien vorher noch nicht erlebt hatte. Ich kann es nur schwer beschreiben: Irgendwie war da eine Erfahrung von Zeitlosigkeit, ja das Erahnen von Ewigkeit – auch wenn mit leicht geöffneten Augen geübt wurde, hier und jetzt ganz da zu sein! Zugleich war da das ahnende Erspüren von dem »ganz Anderen«, dem großen Geheimnis jenseits von Logik und Spekulationen des Verstandes – angeleitet von einem Buddhisten. Bin ich deshalb Buddhist geworden? Nein, aber ich habe einen großen Respekt vor dem Buddhismus bekommen und dann auch vor den Yogis und Sufis und anderen großen »Suchenden«. Andererseits bin ich vorsichtiger geworden gegenüber allen, die alles schon ganz genau wissen, nur noch das Ihre gelten lassen und es dann wie eine Waffe gegen andere gebrauchen. Mir ist auch bewusst geworden, wie vorläufig und relativ das ist, was wir uns vorstellen, wenn wir das Wort »Gott« gebrauchen. Meist ist das von eigenen Wunschvorstellungen und guten oder schlechten Erfahrungen geprägt – also sehr subjektiv. Und doch ist es irgendwie in dieser großen Stille zu erahnen: das bzw. der, der alles trägt. Irgendwie ist er wirklich da! (IHWH – »Ich bin da.«) »Wenn du ganz gelöst bist, dann ist es richtig!«
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