Franziskaner - Sommer 2024

7 FRANZISKANER 2|2024 Der Grund kann ganz unterschiedlich aussehen. Er kann felsig und steinig sein oder auch sandig. Wenn der Boden nicht versiegelt ist, kann er bewachsen oder erdig sein. »Eine Hand voll Erde schau sie dir an, Gott sprach einst: Es werde – denke daran!« Nimm eine Handvoll kompostierte Gartenerde in die Hand. Denke daran, wie sich im Laufe von Milliarden Jahren durch die Erosion aus den Steinen fruchtbarer Boden gebildet hat. Schau auf die fleißigen Helfer, die Regenwürmer, die aus dem organischen Material der Pflanzen wunderbaren Humus bereiten. Aber mach dir auch die unglaubliche Tatsache bewusst, dass sich allein unter der Fläche einer Schuhsohle mehr Bodenorganismen tummeln, als es Menschen auf der Erde gibt, und dass auf nur einem Hektar (= 10.000 Quadratmeter) Ackerboden alle lebenden Organismen zusammen ein Gewicht von bis zu fünf Tonnen erreichen. Heruntergebrochen auf einen Teelöffel Boden können in dieser kleinen Menge allein eine Million Bakterien, 120.000 Pilze und 25.000 Algen zu finden sein. Weltweit leben 1.000.000.000-mal mehr Bakterien im Boden, als es Sterne im Weltall gibt. Dimensionen, die letztlich nicht mehr vorstellbar sind, mich aber gerade darum umso mehr staunen lassen. Franz von Assisi spricht nicht nur davon, dass uns die Erde erhält, sondern dass sie uns lenkt. Wir könnten ergänzen bzw. ersetzen: dass sie uns lehrt. Sie lehrt uns, wie Leben funktioniert. Nur haben wir die Funktion unserer Erde als Lehrmeisterin zunehmend ignoriert und uns zum Umgestalter unseres Planeten gemacht. Aus der Leben gebärenden und Mensch und Tier ernährenden Mutter ist in weiten Teilen eine verwüstete Einöde geworden, die jeglicher Artenvielfalt und Naturschönheit entbehrt. Was lehrt uns Mutter Erde? Biblisch gesehen lehrt sie uns, dass wir »Erdlinge« sind. Denn der Mensch bekam den Namen »Adam«. Nicht als individuellen Namen, sondern als einen Gattungsnamen, der für die ganze Menschheit steht. »Adam« heißt auf Hebräisch einfach »Mensch«. Hörbar ist der sprachliche Gleichklang mit dem hebräischen Wort für »Erde« = »adamáh« (siehe hierzu auch Seite 21). Der Mensch ist ein Wesen aus Erde. Er ist ein Erdling, der nach seinem Tod wieder zurückkehrt in den Staub der Erde. Dessen gedenken wir jedes Jahr am Aschermittwoch, wenn wir das Aschenkreuz empfangen. »Gedenke, Mensch, du bist aus Staub und kehrst zurück zum Staub der Erde.« Stefan Federbusch OFM ter Erde – endlich – erschöpft Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter. Franz von Assisi, Sonnengesang, 1224/1225 Zu lernen wäre daher vor allem Demut. Der lateinische Begriff »humilitas« ist verwandt mit Humus, dem fruchtbaren Mutterboden. Demut zu üben, heißt erdverbunden zu leben, bodenständig zu sein, wertschätzend mit dem kostbaren Gut des (Acker)Bodens umzugehen. Darin drückt sich humanitas, wahre Menschlichkeit aus. Demut ist Dankbarkeit für die geschenkte Erde, für ihre vielfältigen Lebensmöglichkeiten. Inhumanität, Unmenschlichkeit besteht darin, die eigenen Lebensgrundlagen wie den letzten Dreck zu behandeln und kommenden Generationen ihre Lebensmöglichkeiten im wahrsten Sinne des Wortes zu verbauen, indem immer mehr Fläche versiegelt und einer landwirtschaftlichen Nutzung entzogen wird. Demütig mit der Erde bzw. dem Boden umzugehen, heißt auch, sie nicht völlig zu vernutzen und auszubeuten. Franz von Assisi leitete seine Brüder Gärtner dazu an, stets ein Stück des Gartens für Kräuter und Blumen frei zu lassen. Der Magen lebt von den Gemüsen und Früchten, die Seele aber von der Schönheit und Ästhetik der Farben und Formen.

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