17 FRANZISKANER 3|2024 Es blieb auf den Bedeutungszusammenhang »Wundmale Christi« beschränkt und ist deutlich seltener im Sprachgebrauch. gen. In ihm kann ich Christus erkennen. Zum Jahr der Barmherzigkeit, das Papst Franziskus ausgerufen hat, habe ich für unsere Klosterkirche dieses Bild gemalt (Anmerkung der Redaktion: siehe rechts). Es bezieht sich auf die Begegnung von Franz von Assisi mit dem Aussätzigen, dessen Binden des Leidens sich durch die Zuwendung lösen. Es ist die Gestalt des geschundenen, verletzten Christus. Darin können die Betrachtenden auch die Ausgegrenzten, die Fremden, die Abgewiesenen erkennen, aber auch die eigenen Verletzungen und Nöte. In der Annahme des Fremden, des Leidenden, des In-Not-Geratenen sind wir von der Barmherzigkeit Gottes eingehüllt, so wie der rote, bergende Mantel die Gestalten umgibt. Es ist ein Bild der Gotteserfahrung. Das lateinische Wort »misericordia« besagt: ein Herz für die Misere, das Unglück, die Notsituation haben.Franziskus ekelte sich anfänglich sogar vor den Aussätzigen. Er überwindet die Verachtung und erkennt so den lebendigen Christus; der Aussätzige wird ihm zum Bruder, und die Abneigung wandelt sich zur Freude. Das Bild spricht so von Umkehr und von neuem Leben, von Ostern, von Auferstehung, von der Heilung von Wunden. Was fasziniert dich am meisten an dieser Darstellung? Dieses Bild hat fast eine erotische Ausstrahlung, in der Intimität der Begegnung und Berührung menschlicher Körper. In der Begegnung erkennt der Gläubige das Ebenbild Gottes, werden die einzelnen Personen zu einer Lebensgestalt. Totenbinden lösen sich, die Stricke fallen auseinander. Brüchiges Leben wird sichtbar. Gleichzeitig erinnert es an die Auferweckung des Lazarus wie im Johannesevangelium (Kapitel 11) beschrieben. So als würde ihm Christus oder Franziskus oder ein anderer Mensch zurufen: Bindet ihn los! Macht ihn frei! Im Verwundeten kann ich Christus erkennen. Dabei ist das Leid nicht zu mystifizieren, Leid ist immer Not des Menschen, sein Schmerz kann seine Verwandlung werden. Das Kreuz wollte Jesus nicht verewigen, sondern uns erlösen. Ich möchte die Sehnsüchte des Menschen sichtbar machen: die Sehnsucht nach Heil, nach Geborgenheit. Vielleicht kann Kunst Dinge sichtbar machen, die eigentlich nur mit dem Herzen zu sehen sind. Die Umarmung des Franziskus mit dem Aussätzigen zeigt, was Franziskus gelebt hat. Schauen wir auf das Werk »Stigmata des hl. Franziskus« … Franziskus lässt sich von den Wundmalen Jesu berühren. Auf dem Bild sehen wir, wie der Seraph zum Überbringer der Wundmale das Verwundbare Laurentius Englisch – Franziskaner und Künstler Francesco e misericordia: 2016, Acryl auf Papier, 200 x 105 cm PORTRÄT UND GEMÄLDE © WOLFGANG MAURITZ OFM
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