Franziskaner - Herbst 2024

20 FRANZISKANER 3|2024 Kirchenasyl Was bringt es den Betroffenen, und was gilt es zu beachten? Jana Freudenberger Ankunft in Deutschland, Registrierung, Befragung zu Asylgründen, Prüfung – dann der Bescheid: »als unzulässig abgelehnt«. So oder so ähnlich geht es vielen Geflüchteten, nachdem sie in Deutschland ihr Asylgesuch eingereicht haben. Auch Herr M., der mich im Herbst 2023 als damals noch Zuständige für Kirchenasyl im Bistum Limburg anrief, hatte diesen Prozess durchlaufen und einen ablehnenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (kurz: BAMF) erhalten. Er war 23 Jahre alt, kam aus Syrien und war der festen Überzeugung gewesen, dass Deutschland ihm aufgrund seiner Geschichte, die er in der Befragung sehr detailliert dargestellt hatte, Asyl gewähren würde. Jetzt sollte er stattdessen nach Kroatien abgeschoben werden. In das Land, das laut Dublin-III-Verordnung für ihn zuständig war, da er dort zum ersten Mal EU-Territorium betreten hatte – und an dessen Grenze ihm durch die dortige Grenzpolizei schwerste Gewalt angetan wurde. In großer Angst vor einer Abschiebung wandte er sich an die örtliche Flüchtlingsinitiative, die wiederum den Kontakt zu uns Mitarbeiterinnen der Flüchtlingsarbeit im Bistum Limburg herstellte, um Kirchenasyl zu beantragen. Circa eine solche Anfrage pro Woche erhielt ich in den zwölf Monaten, in denen ich im Bistum Limburg im Rahmen der dortigen Flüchtlingsarbeit für Kirchenasyl zuständig war. Das Innenministerium und die ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft »Asyl in der Kirche«, die jährlich die Gesamtzahlen für Kirchenasyl in ganz Deutschland auswertet, sprechen für das Jahr 2023 von rund 1.500 durchgeführten Kirchenasylen. Regelmäßig werden Kirchengemeinden und andere kirchliche Gemeinschaften mit der Frage konfrontiert, ob sie abschiebebedrohten Menschen Kirchenasyl gewähren. Oft ist dann die Unsicherheit groß, da Informationen fehlen, das rechtliche und finanzielle Risiko unklar ist und nicht zuletzt auch, weil in letzter Zeit einige Kirchenasyle in einer Handvoll Bundesländern vonseiten der Polizei gebrochen und die Schutzsuchenden aus kirchlichen Räumen abgeschoben wurden. Um welche Menschen geht es, und was kann ein Kirchenasyl bewirken? Es stimmt: Kirchenasyl ist kein rechtlicher Schutzstatus, es gibt weder einen Anspruch darauf, noch garantiert es den schutzsuchenden Menschen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Dennoch kann ein Kirchenasyl für die betroffene Person oder Familie einen großen Unterschied machen und im Einzelfall wirklich helfen. In den allermeisten Fällen geht es um Menschen, die aus durchaus berechtigten Gründen in Deutschland Asyl beantragt haben, da sie in ihrem Herkunftsland entweder persönlich verfolgt werden (aufgrund politischer Aktivität, religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit, geschlechtsspezifischen Gründen usw.), sich dem Militärdienst entzogen haben oder weil sie wegen einem der zahlreichen aktuellen (Bürger-) Kriege in ihrem Herkunftsland nicht sicher sind. In der Zeit meiner Tätigkeit beim Bistum Limburg kam die große Mehrheit der Anfragen von Menschen aus Afghanistan, Syrien, Eritrea, dem Irak, Äthiopien, der Türkei und dem Iran. Warum erhalten Menschen aus diesen Staaten also nicht einfach Asyl in Deutschland? Weil sie fast alle von der »Dublin-III-Verordnung« betroffen sind. Sie sollen in andere europäische Staaten zurückgebracht werden – in der Regel das Ersteinreiseland –, damit ihr Asylantrag dann dort inhaltlich geprüft wird. Dazu sieht die europäische Gesetzgebung vor, dass in allen EU-Staaten gleiche Standards mit Blick auf das Asylverfahren sowie die Unterbringung und Versorgung gelten. Nun könnte man berechtigterweise fragen, was dann an einer Rückführung in einen anderen EU-Staat so schlimm ist. Ganz einfach: Die entsprechenden EU-Richtlinien werden von mehreren EU-Staaten schlichtweg nicht eingehalten (auch wenn das BAMF in ablehnenden Bescheiden regelmäßig auf die einheitlichen Standards verweist). Zahlreiche Berichte von Menschenrechtsorganisationen und Recherchekollektiven haben gezeigt, dass unter anderem in Rumänien, Kroatien und Griechenland – Ersteinreiseländer sehr vieler Asylsuchender – Menschenrechtsverletzungen wie gewaltsame Pushbacks, menschenunwürdige Zustände in Unterbringungen und andere unmenschliche Behandlungen systematisch zur Abschreckung angewendet werden. Da insbesondere für traumatisierte oder kranke Menschen sowie für Minderjährige solche Zustände lebensbedrohlich werden können, zielt ein Kirchenasyl in diesen Fällen darauf ab, eine Abschiebung zu verhindern, indem die im Dublin-Verfahren fest-

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